Sitzung vom 14. März 1910 Vorlage, und zwar den § 9. Der § 9 enthält durch ſeine vorgeſchlagene Staffelung unſerer Meinung nach ungeheure Unbilligteiten und Ungerechtig⸗ keiten. Sie ſehen hier — Herr Dr Frentzel hat auch ſchon darauf hingewieſen —, daß ein Wertzuwachs bis zu 10% des Anſchaffungswertes von der Be⸗ ſteuerung freigelaſſen werden ſoll. Wenn Sie die Progreſſion, welche für die Prozente vorgeſehen iſt, anſchauen, dann hat ſie ohne weiteres etwas Beſtechendes für ſich, und ich habe auch gehört, daß man ſich große Mühe gegeben hat, durch die ſtärkere Progreſſion die größeren Umſaätze ſtärker zu treffen als die kleineren. Aber Sie treffen da⸗ durch nicht auch die größeren Beſitzer, Sie entlaſten die größeren und belaſten die kleineren Beſitzer. Nehmen Sie beiſpielsweiſe einmal an, daß jemand ein Grundſtück im Anſchaffungswerte von einer Million Mark verkauft mit einem Nutzen von 100 000 ℳ; dann geht Ihnen auf Grund der Staffelung des § 9 die ganze Einnahme, die Sie aus der Wertzuwachsſteuer erwarten, für dieſen Fall einfach durch die Lappen. (Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Das iſt bedauerlich!) — Ia, das iſt freilich bedauerlich, Herr Kämmerer. Aber jemand, der ein kleines Grundſtück hat, im Anſchaffungswerte von 30 000 ℳ und vielleicht dabei 4000 ℳ verdient, der wird zur Wertzuwachs⸗ ſteuer herangezogen. Alſo den kleineren Beſitzer können Sie herankriegen, der größere Beſitzer aber, bei deſſen Wertzuwachs doch eigentlich etwas herausſpringt für den Stadtſäckel, geht vollkommen ſteuerfrei aus. Und das liegt daran, daß Sie nur den relativen Wertzuwachs beſteuern wollen und nicht den abſoluten. Mein Freunde ſtehen auf dem Standpunkt, daß dieſer Staffelung, die hier vor⸗ geſchlagen iſt, die Berliner Staffelung ohne wei⸗ teres vorzuziehen iſt. Denn die Berliner Staffelung erhebt das als Zuſchläge, was Sie als einzige Wert⸗ zuwachsſteuer überhaupt einführen wollen. Die Zeit iſt zu weit vorgeſchritten; ſonſt würde ich Ihnen beweiſen, daß Charlottenburg bei dieſen Sätzen ſehr viel ſchlechter fährt, als Berlin bei ſeiner Be⸗ ſteuerung des abſoluten Wertzuwachſes mit den Zuſchlägen zum relativen Wertzuwachs und unter Berückſichtigung der Zeit, in der dieſer Wertzuwachs erlangt wurde, durch ſeine Steuer gewinnt. Ich beſchränke mich darauf, Ihnen den Antrag zu unter⸗ breiten, an die Stelle der vorgeſchlagenen Staffelung im § 9 die Berliner Sätze treten zu laſſen und ich bitte um Annahme desſelben. Denn für uns handelt es ſich in erſter Linie auch darum, nicht nur über⸗ haupt eine Wertzuwachsſteuerordnung in Char⸗ lottenburg zu bekommen, die in rein platoniſcher Liebeserklärung eine Wertzuwachsſteuer einführt, ſondern wir erwarten, daß uns dieſe Wertzuwachs⸗ ſteuer in Charlottenburg auch etwas einbringt. Und das iſt nach unſerer Auffaſſung nur dadurch möglich und gegeben, wenn die im §9 vorliegende Staffelung durch die Berliner Staffelung erſetzt wird. Es iſt überhaupt zu erwägen, ob man nicht einfach die ganze Berliner Wertzuwachsſteuer⸗ ordnung, wie ſie ſeit heute vor § Tagen in Kraft iſt, auf Charlottenburg überträgt. Das hätte ſehr viele Gründe für ſich. Man kann dafür geltend machen, daß dieſe Steuerordnung ſchon genehmigt iſt, alſo über jeden 3weifel der Beſchlüſſe des Be⸗ zirtsausſchuſſes erhaben iſt, und zum anderen iſt doch nicht zu vertennen, daß gerade eine Vereinheit⸗ lichung auf dieſem Steuergebiet unter den Groß⸗ 97 Berliner Orten ein großer Fortſchritt ſein würde. Ich verkenne durchaus nicht, daß auch in der Berliner Wertzuwachsſteuerordnung, die auch unſerem Ideale bei weitem nicht entſpricht, manche Punkte enthalten ſind, die nicht akzeptabel erſcheinen, die vielleicht eine große Ungerechtigkeit in ſich bergen. Ich erinnere nur an die Haftbarmachung des Käu⸗ fers für die ausgefallene Wertzuwachsſteuer, ein Punkt, mit dem wir uns gar nicht einverſtanden erklären würden; aber dieſen Punkt würden wir gern zurückſtellen hinter den Vorteil, den eine gleichmäßige Wertzuwachsſteuer für Berlin und die Vororte mit ſich bringen würde. Aber ich muß ohne weiteres ſagen, daß, ſo bedeutſam uns dieſe Anträge ſowohl als die Frage: nehmen wir ſtatt der Wertzuwachsſteuer, die uns unterbreitet iſt, die Berliner? — ſind, ich Ihnen gar nicht zumuten mag und kann, daß Sie unſere prinzipiell ſo überaus wichtigen Anträge und An⸗ regungen ad hoc ohne Ausſchußberatung annehmen könnten. Wenn unſere Abänderungsanträge, die wir geſtellt haben und ſtellen mußten, um unſere prinzipielle Auffaſſung kund zu tun und Ihnen zu zeigen, was wir eigentlich von einer Wertzuwachs⸗ ſteuervorlage erwartet hatten, auch abgelehnt werden, daß wir trotz alledem für die Vorlage des Magiſtrats ſtimmen werden. Aus der einfachen Erwägung heraus, weil wir ſie dann zur Grund⸗ lage benutzen würden, weiter an ihr zu bauen und dahin zu kommen, wohin wir gelangen wollen. (Bravo!) Vorſteher Kaufmann: Meine Herren, es hat einer der Redner davon geſprochen, daß Sie nur 24 Stunden zur Beratung dieſer Vorlage haben; ein anderer ſprach gar von 12 Stunden. Ohne nun für meine Perſon irgendwie Stellung nehmen zu wollen in betreff der 3wangslage, die hier moniert worden iſt, wollte ich nur das eine feſtſtellen: daß ſämtliche Herren Stadtverordneten bereits am Frei⸗ tagabend um 6 Uhr im Beſitz der Vorlage geweſen ſind, alſo von 12 oder 24 Stunden nicht die Rede ſein kann. Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Ich freue mich, zunächſt konſtatieren zu können, daß die Vor⸗ lage betreffs Einführung der Wertzuwachsſteuer in Charlottenburg im allgemeinen auf allen Seiten des Hauſes Sympathie gefunden hat. Ich bedaure, daß der letzte Herr Vorredner nicht ſeine volle Sympathie hat ausſprechen können. Aber immerhin kann ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß er erklärt hat, daß er wegen der Bedeutung der Vorlage in Übereinſtimmung mit ſeiner Fraktion erklären kann, daß die Fraktion bereit iſt, ſie in dieſer Form anzunehmen, eventuell mit dem Gedanken, dieſe Steuer in Zukunft auszubauen. Ich möchte dann zunächſt, meine Herren, ganz kurz auf die Formfrage und den Zeitpunkt ein⸗ gehen, der auch von dem Herrn Referenten der Stadtverordnetenverſammlung an die Spitze ge⸗ ſtellt worden iſt. Der Herr Referent hat die Gründe in ſo ausgezeichneten Ausführungen klargelegt, daß es mir nach ſeinen Worten ungemein ſchwer fällt, da noch irgendetwas weiteres zu ſagen. Aber ich muß noch einmal betonen, daß es nicht anders möglich geweſen iſt, als Ihnen in dieſer plötzlichen Form, wie es geſchehen iſt, dieſe Vorlage zu bringen. Der Herr Vorredner, der Stadtverordnete Zietſch, hat geſagt: ja, der Magiſtrat hat ja doch alle Gründe