Sitzung vom 14. März 1910 101 Fragen, die heute hier zur Sprache gekommen ſämtliche ſind, eine ſehr, ſehr reichliche Prüfung gefunden haben. Nachdem der Ausſchuß und die Deputation getagt haben, nachdem die Deputation die Vor⸗ lage ausgearbeitet hat, hat dann der Magiſtrat ſie noch eingehend beraten. Ich meine, daß man unter dieſen Umſtänden von einer flüchtigen Vorbereitung keineswegs ſprechen darf. Gewiß, man könnte ſich noch darüber unter⸗ halten, ob der Abzug der Steuer für unbebaute Grundſtücke gerechtfertigt wäre, wie Herr Kollege Jolenberg ihn beantragt, ob die Höhe der an⸗ rechnungsfähigen Hypothekenzinſen mit 4%, zu⸗ treffend angenommen iſt, ob es richtig iſt, bis zu 10%, des Gewinnes nicht unter die Steuerpflicht zu nehmen. Aber auch dieſe Fragen ſind in der Deputation in breitem Maße erörtert worden. Und ganz abgeſehen davon hat ja auch die De⸗ putation kein Neuland bearbeitet, es handelt ſich vielmehr um ein Problem, das theoretiſch und praktiſch überreichlich bearbeitet worden iſt, es haben uns ſo und ſo viele Steuerordnungen bereits vorgelegen. Und ganz ebenſo, wie in der Deputation Anregungen gegeben worden ſind, die teilweiſe die Tendenz hatten, über die Milde der Vorlage hinauszugehen, teilweiſe die entgegengeſetzte, den Grundbeſitz noch mehr zu entlaſten, ſo iſt es auch mit den Anträgen, die hier eingebracht worden ſind. Gerade daß dieſe Anträge in verſchiedenen Richtungen liegen, ſcheint mir dafür zu ſprechen, daß die Vorlage die richtige Mitte trifft und einen gerechten Ausgleich zwiſchen den entgegengeſetzten Wünſchen nach beiden Seiten bringt. (Sehr richtig!) Deshalb bin ich der Anſicht, daß, wenn dieſe Anträge, auf deren ungeheure Fülle ich aufmerkſam machen möchte, einem Ausſchuß überwieſen werden würden, der Ausſchuß wahrſcheinlich kaum etwas an der Vorlage ändern, ſondern nur Zeit verlieren würde, die der Stadt ungeheuer teuer zu ſtehen kommen könnte. (Sehr richtig!) Beſonders halte ich es für ausgeſchloſſen, daß Anderungen beſchloſſen werden würden in einer Ausſchußſitzung, die wir gewiſſermaßen zwiſchen Tür und Angel im Laufe der Sitzung veranſtalten würden. Das hätte gar keinen Zweck, und ich bitte die Kollegen, die Verbeſſerungen vorſchlagen wollen, für jetzt darauf zu verzichten, was für ſie nach Lage der Sache auch gar kein Opfer bedeutet: denn entweder wir ſchaffen hier eine Steuer, die nur von kurzer Dauer iſt und die in wenigen Monaten vielleicht bereits weggeſchwemmt wird von einer Reichsſteuer, — dann werden alle Einzel⸗ heiten unſerer Beſchlußfaſſung von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung ſein; oder aber dieſe Erwartungen gehen, was ja unwahrſcheinlich iſt, nicht in Erfüllung, nun, dann hat der Herr Referent ſchon mit Recht geſagt, daß dann ſpäter die Ab⸗ änderungen erfolgen können, und dann wird alles das, was heute unterdrückt wird, ſpäter mit viel größerer Ausſicht auf Berückſichtigung vorgetragen werden können. Wir ſtimmen unter dieſen Umſtänden nur den beiden Anträgen zu, die in formeller Hinſicht geſtellt ſind, nämlich dem Antrage des Referenten und dem Antrage Zietſch, der dahin geht, daß zunächſt nur für 1910 die Einſtellung der Steuer in den Ausgleichsfonds in Ausſicht genommen wird. Meine Freunde werden in ihrer großen Mehrheit anderen Anträge, die geſtellt ſind, ablehnen, und, nach der vorausſichtlichen Ab⸗ lehnung dieſer Anträge, einſtimmig die Vorlage annehmen. Wir legen aber Wert darauf, hier feſt⸗ zuſtellen, daß dieſer Entſchluß meiner Fraktions⸗ freunde nicht derart zuſtande gekommen iſt, daß diejenigen, die früher als grundſätzliche Gegner der Wertzuwachsſteuer aufgetreten ſind, umgefallen ſind oder etwa ein Fraktionszwang ausgeübt iſt; im Gegenteil, der Standpunkt, der früher von den prinzipiellen Gegnern der Wertzuwachsſteuer ver⸗ treten iſt, deren Wortführer mein Freund Crüger geweſen iſt, iſt in vollem Maße aufrecht erhalten. Aber wir ſind uns bewußt, alle Be⸗ denken, die überhaupt vorhanden ſe in können, zurückſtellen zu müſſen angeſichts der Tatſache, daß die Reichswert zuwachsſteuer im An⸗ zuge iſt, angeſichts der Tatſache, d a ß es ſichnichtmehrdarum handelt, ob vom Wertzuwachs der Grund⸗ ſt ü cke eine Steuer erhoben werden ſoll, ſondern nur noch darum, ob dieſe Steuer, die erhoben werden wird, allein dem Reiche zukommen ſoll oder ob die Kommune Char⸗ lottenburg einen Anteil daran haben ſoll. Deshalb gilt es heute, zunächſt einmal die Vorlage anzunehmen. Wir können ja nicht wiſſen, ob die Situation in der Tat ſo iſt, daß, wenn morgen oder übermorgen die Ge⸗ nehmigung nicht erfolgt, die Gelegenheit verpaßt iſt. Aber ſchon die Gefahr, daß es ſo ſein könnte, ſelbſt die entfernte Möglichkeit, daß es ſo ſein könnte, macht es meiner Anſicht nach notwendig, daß alle diejenigen, die ſich nicht dem Vorwurf ausſetzen wollen, taub zu ſein gegen die Forderung der Stunde, die unſerer Stadt eine wichtige Steuer⸗ quelle nicht entgehen laſſen wollen, heute das be⸗ ſchließen, was der Magiſtrat vorgeſchlagen hat. (Bravo!) Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsord⸗ nung): Meine Herren, diejenigen meiner Freunde, die für die Ausſchußberatung waren, haben ſich im Laufe der Debatte überzeugt, daß es ſich empfiehlt, von der Ausſchußberatung abzuſehen. (Bravo!) Sie ziehen deshalb den vorhin geſtellten Antrag zurück. (Bravo!) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, auch ich kann im Namen meiner beiden Freunde und in meinem Namen erklären, (Heiterkeit) daß wir, wenn die Anträge abgelehnt werden, e i n ſt immig die Vorlage annehmen werden. (Zurufe.) Ich freue mich, daß Sie, wenn auch ſo ſpät, noch gekommen iſt. Ich freue mich nicht nur darüber, weil ich finanzielle Vorteile von ihr in Ausſicht ſehe, ſondern vor allem deswegen, weil ich glaube, daß dadurch eine geſunde ſtädtiſche Bodenreform eingeleitet werden kann, ſowie weiter — und ich er⸗ wähne das, weil ich nachher allgemeine Geſichts⸗ punkte daran anknüpfen kann —, weil ich durch die Vorlage eine Forderung ſozialer ſteuerlicher Ge⸗ rechtigkeit erfüllt ſehe.