112 Sitzung vom 14. März 1910 und ihrer Begründung mit Recht hervorgehoben, daß nach der Anſicht des Oberverwaltungsgerichts, wenn man überhaupt davon ausgeht, daß im Einzel⸗ fall eine Gemeinde berechtigt iſt, einen Erlaß an fällig geweſenen Steuerbeträgen auszuſprechen, die Entſcheidung jedenfalls in den Händen der Gemeinde⸗ organe, alſo des Magiſtrats und der Stadt⸗ verordnetenverſammlung, liegt; ich glaube, daß die notwendige Konſequenz einer derartigen Regelung der Dinge doch iſt: über derartige Anträge auf Erlaß fällig gewordener Beträge und die ziemlich ver⸗ wickelten juriſtiſchen Fragen, die im Zuſammen⸗ hange damit unwillkürlich hervortreten die übri⸗ gens durch Annahme der Wertzuwachsſteuer noch eine Erweiterung erfahren werden — wird nicht ein⸗ ſeitig durch drei Herren des Magiſtrats entſchieden, ſondern unter Mitwirkung von Vertretern der Stadtverordnetenverſammlung. (Sehr richtig!) Ich glaube, daß wir durch eine derartige Ordnung der Dinge, von der ich perſönlich hoffen möchte, daß ſie im Ausſchuß durchdringt, dem M agiſtrat ſelbſt einen Dienſt erweiſen, weil gerade bei der zum Teil heiklen Natur der Anträge, die künftig zu entſcheiden ſein werden, durch eine erweiterte Zuſammen⸗ ſetzung der Inſtanz und durch ein Zuſammenwirken von Stadtverordneten und Magiſtrat eine gemil⸗ derte Verantwortung gegenüber der Offentlichkeit und gegenüber der Geſamtheit der Bürgerſchaft eintreten muß. Mt Rüclſicht hierauf erlaube ich mir, Ihnen die Vorberatung der Vorlage in einem Ausſchuß von 9 M tgliedern vorzuſchlagen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrns: Ich werde mich mit Rückſicht auf die ſehr großen Schwierig⸗ keiten, die noch viel größer ſind, als ſie hier dargeſtellt ſind, und auch mit Rückſicht darauf, daß die An⸗ gelegenheit in einem Ausſchuß eingehend beſprochen werden wird, ebenfalls ſo kurz faſſen, wie der Herr Referent es getan hat. Zunächſt möchte ich meiner Befriedigung dar⸗ über Ausdruck geben, daß der Herr Referent uns hier nicht den Vorwurf der übereilten Arbeit ge⸗ macht hat. (Heiterkeit.) Ich möchte aber auch den Vorwurf zurückweiſen, als ob wir zu langſam gearbeitet hätten. Daß die Angelegenheit, bei der es im Jahre 1901 zu einem Antrage der Stadtverordnetenverſammlung ge⸗ kommen iſt, ſo lange bis zu einer Entſcheidung hat warten müſſen, liegt vielmehr in anderen Gründen. Die Stadtverordnetenverſammlung hat ſchon mehr⸗ fach, auch vor dem Jahre 1901, auf dem Standpunkt geſtanden, daß in peſonders kraſſen Fällen rechts⸗ kräftig veranlaate Steuern zurückgezahlt werden ſollen, und der Magiſtrat hat ſich aus grundſätzlichen Bedenken ſtets dagegen gewendet und geſagt: das iſt unmöglich, wir können eine rechtskräftig veran⸗ lagte Steuer nicht zurückzahlen, weil uns das Ge⸗ ſetz keine Handhabe dazu bietet, und weil wir vor allen Dingen dadurch auf den viel ſchwierigeren und viel mehr zu ſcheusnden Weg der Will kür geraten. Wenn Mag ſtrat und Stadtverordneten⸗ verſammlung in ihrer wechſelnden Zuſammen⸗ ſetzung darüber entſcheiden ſollen, ob im einzelnen Falle die Steuer zurückgezahlt werden ſoll oder nicht, ſo würde nach wechſelnden Maioritäten, nach der zufälligen Zuſammenſetzung der beiden Körper⸗ ſchaften entſchieden werden, und es würde dabei gar 4 nicht zu umgehen ſein, daß willkürlich und nicht nach gleichmäßigen Grundſätzen entſchicden würde. Im Magiſtrat war denn auch von jeher eine weit über⸗ wiegende Maiorität dafür, daß dieſe Frage überhaupt nicht zu entſcheiden ſei durch Gemeindebeſchluß, ſondern nur durch Geſetz entſchieden werden könne, das Geſetz aber gebe uns keine Handhabe, rechts⸗ träftig veranlagte Steuern zurückzuzahlen. Das Oberverwaltungsgericht hat ſich dieſem Stand⸗ punkt des Magiſtrats angeſchloſſen. Nun, meine Herren, trat die Sache in einem beſonders kraß liegenden Falle von neuem infolge des oben erwähnten Beſchluſſes der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung an den Magiſtrat, und die Strömungen im Magiſtrat waren genau ſo wie früher: es war eine Majorität für den Beſchluß der Stadtverordnetenverſammlung nicht zu erreichen. Es hat einer Zeit von mehreren Jahren bedurft, vom Jahre 1901 bis jetzt, um im Magiſtrat eine Neigung dafür zu finden, der Billigkeit hier mehr nachzugeben als dem ſtrengen, Rechtsboden, und die Vorlage, die Ihnen der Magiſtrat heute gemacht hat, iſt ein Kompromiß zwiſchen den beiden Auffaſſungen. Mehr war nicht zu erlangen. Die⸗ jenigen Herren, welche im Magiſtrat die Anſicht vertreten haben, daß der Rechtsſtandpunkt vor allen Dingen zu wahren ſei, daß man vor allen Dingen davor ſich hüten müſſe, der Willkür und damit der Ungerechtigkeit die Tore zu öffnen, haben ſich ſchließ⸗ lich zu dem Kompromiß mit den Anſichten der an⸗ deren Richtung verſtanden, die geneigt war, der Stadtverordnetenverſammlung entgegenzukommen, in den einzelnen Fällen, die in der Vorlage genannt ſind, und auf die wir ia im Ausſchuß zurückkommen werden, eine Rückzahlung von Steuern eintreten zu laſſen, wenn eine gewiſſe Gewähr für die Einheitlichkeit in der Behandlung der Dinge dadurch gegeben iſt, daß ein ganz fleines Gremium über die F äll e entſcheidet. Dieſe letzte Beſtimmung, die dem Herrn Referenten als bedenklich erſchien, iſt die unerläßliche Bedingung, unter der im Magiſtrat eine Majorität für ein Entgegenkommen im Sinne der Stadtverordnetenverſammlung überhaupt zu finden geweſen iſt. Wir wollen auf alle Weiſe Willkür und Ungerechtigkeit ausſchließen, uad das iſt nur dann einigermaßen annähernd zu erreichen, wenn ein lleines Gremium entſcheidet — ein kleines Gremium, das natürlich durch Beſchluß der Ge⸗ meinde körperſchaften einzuſetzen iſt. Die Stadt⸗ verordnetenverſammlung wirkt alſo mit, ſie iſt nicht ausgeſchloſſen, ſondern wir erbitten von ihr die Zuſtimmung dazu, daß dieſes kleine Gremium, und zwar im Sinne der durch Gemeindebeſchluß nunmehr feſtzulegenden Grundſätze, entſcheiden ſoll. Ich weiß nicht, ob der Herr Referent vielleicht im Ausſchuß irgendeinen anderen Vorſchlag machen fann, der dem Magiſtrat auch annehmbar erſcheint; aber ich möchte heute ſchon betonen, daß eine Ab⸗ weichung von der Stellungnahme des Magiſtrats in dieſem grundſätzlichen Punkte die ganze Vor⸗ lage, wie ich die Stimmung im Magiſtrat kenne, gefährdet, und zwar, meine Herren, nicht etwa aus Eigenſinn, ſondern, wie geſagt, aus ſehr eingehenden, tiefernſten Erwägungen, die wir im Ausſchuß Ihnen gern noch näher darlegen werden. Wir halten es für ſelbſtverſtändlich, daß dieſe ſchwierige, gerade grundſätzlich nicht bloß juriſtiſch — ſchwierige Frage im Ausſchuß einer eingehenden Beratung unterzogen werden wird.