Sitzung vom 14. März 1910 Stadtv. Dr. Stadthagen: will auf die Sache natürlich nicht näher eingehen. Nachdem aber der Herr Oberbürgermeiſter hier doch öffentlich gewiſſermaßen die Anſicht ausge⸗ ſprochen hat, daß eine größere Willkür in den Ent⸗ ſcheidungen vorhanden ſein würde, wenn Stadt⸗ verordnete mitwirken in einem kleinem Gremium, als wenn nur Magiſtratsmitglieder die Entſcheidung hätten, muß ich dem doch widerſprechen. (Sehr richtig!) Der Herr Oberbürgermeiſter ſprach davon, daß ein ganz kleines Gremium die Entſcheidung treffen müßte. Das kann auch der Fallſein, wenn Magiſtrats⸗ mitglieder und Stadtverordnete zuſammenwirken; da braucht man ſich nur über die Zahl zu ver⸗ ſtändigen; ob Sie bei 3 bleiben oder auf 5 gehen, iſt ein näherer Weg. Ob dann die Stadtverordneten wechſeln — ja, meine Herren, die Magiſtratsmit⸗ glieder wechſeln doch auch! (Sehr richtig!) Ich möchte auf die Vergangenheit hinweiſen: wir haben ja dauernd im Petitionsausſchuß derartige Auträge, die der Vorlage zugrunde liegen, zu bearbeiten gehabt; meine Herren, ich glaube nicht, daß der Herr Kämmerer uns, den Stadtverordneten, den Vorwurf wird machen können, daß wir nicht konſequent verfahren wären. Ich kann mich, ſo⸗ lange ich dem Petitionsausſchuß angehöre, nur er⸗ innern, daß wir uns im Petitionsausſchuß gehütet haben, die Stadtverordneten ſich ebenſo gehütet haben in ihren Außerungen wie der Magiſtrat, Präzedenzfälle zu ſchaffen, und daß, wenn es uns auch noch ſo ſchwer geworden iſt, den Antrag eines Petenten zurückzuweiſen, wir uns doch auf den Standpunkt geſtellt haben: wir können nicht im einzelnen Fall anders verfahren als allgemein. Ich glaube alſo, es iſt ungerecht; es liegt ein gewiſſer Vorwurf gegenüber den Stadtverordneten in den Worten des Herrn Oberbürgermeiſters, daß wir nicht prinzipiell gleich gerecht verfahren würden wie der Magiſtrat. Das kann ich nicht anerkennen, und ich glaube, es muß in der Offentlichkeit auch geſagt werden, daß wir nicht auf dieſem Stand⸗ punkt ſtehen. Dberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, ich ſtehe auch nicht auf dem Standpunkt, von dem Herr Stadtverordneter Stadthagen geſagt hat, ich ſtünde auf ihm. Herr Stadtverordneter Stadthagen hat mich mißverſtanden. Es hat mir ſehr fern gelegen, zu meinen, daß die Willkür nur an die Eigenſchaft des Stadtverordneten gebunden iſt oder des Stadtverordnetenkollegiums. Wir ſind genau ſo der Anſicht, daß auch der Wechſel in dem Magiſtratskollegium die Willkür bedingt. Ich habe nur geſagt: eine Willkür kann annähernd aus⸗ geſchloſſen werden nur bei einem kleinen Gremium. Wir haben gemeint, daß es dabei über 3 Perſonen nicht hinausgehen darf. Da es ſich hier um eine Verwaltungsſache handelt, ſo war es ſelbſtverſtänd⸗ lich, daß wir die Genehmigung von Ihnen erbaten, ſolchen Perſonen, die in der Verwaltung ſtehen, dieſes Recht zu übertragen. Außerdem, meine Herren, haben wir Ihre Beteiligung durchaus nicht ausſchließen wollen, ſondern wir haben nach einem Wege geſucht, auch Mitglieder der Stadtverordnetenverſammlung mit der Begutachtung dieſer Fälle zu befaſſen, ſofern ſie in der Verwaltung ſich befinden, und haben infolge⸗ deſſen vorgeſchlagen, daß das Gremium von 3 Per⸗ 113 Meine Herren, ich ſonen nur nach Anhörung des Steuer⸗ ausſchuſſes beſchließen darf. Der Steuer⸗ ausſchuß iſt zuſammengeſetzt wie die Deputationen, in denen in weit überwiegender Anzahl Stadt⸗ verordnete ſitzen. Auf dieſe Art haben wir unſeres Erachtens in gerecht verteilender Weiſe auch die Stadtverordneten zur Begutachtung dieſer Fälle mit herangezogen. Es iſt ja nicht ausgeſchloſſen, wie ich mir ſchon zu ſagen erlaubte, daß der Herr Referent vielleicht einen anderen Weg findet, auf dem wir uns einigen. Aber, meine Herren, ich mußte auf die Schwierig⸗ keiten hinweiſen, denen unſere Vorlage im Ma⸗ giſtrat überhaupt begegnet iſt. Wenn wir nach dieſer Richtung etwas ändern, ſo müſſen wir es vorſichtig tun, die wir Freunde des Gedankens der Stadtverordnetenverſammlung ſind — und ich bekenne mich als einen Freund dieſes Gedankens —; wir müſſen uns begnügen, beſonders kraſſe Fälle auszuſcheiden und beſondere große Härten zu ver⸗ meiden. Die große Majorität im Magiſtrat hat ſich, wie ich eben betont habe, mit einem Opfer, möchte ich ſagen, erſt dazu entſchließen können, überhaupt ihren alten prinzipiellen Standpunkt aufzugeben. Alſo von Vorwürfen, meine Herren, gegen die Stadtverordneten, wie Herr Stadtv. Stadt⸗ hagen ſie in meinen Worten zu hören glaubte, iſt nicht die Rede geweſen; das liegt mir ſehr fern. Wir ſtehen da alle vollſtändig gleich, ob wir Stadt⸗ verordnete oder Magiſtratsmitglieder ſind. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Dr. Flatau (Schluß⸗ wort): Meine Herren, ich darf bemerken, daß nach einer Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts, die allerdings nicht allzu alt iſt und nicht ſo weit zurückreicht wie der Anlaß zu dieſer Vorlage — ſie iſt im 44. Bande der amtlichen Sammlung ab⸗ gedruckt —, es gar keinem Zweifel unterliegen kann daß im Einzelfalle der Erlaß fällig gewordener Steuerbeträge durch die Stadtgemeinde zuläſſig iſt. Davon geht ja auch die Vorlage ſelbſt in ihrer Begründung allem Anſchein nach aus. Im übrigen darf ich konſtatieren, daß, genau wie ich, der Herr Oberbürgermeiſter und Herr Kollege Stadthagen darin einig ſind, daß die Fähigkeit und die jedem Menſchen angeborene Neigung, an Grundſätzen, die er einmal aus⸗ geſprochen hat, feſtzuhalten, — daß dieſe Fähigkeit ſo wenig den Magiſtratsmitgliedern wie den Mit⸗ gliedern der Stadtverordnetenverſammlung ab⸗ geſprochen werden kann. Ich glaube, daß die wünſchenswerte Vermeidung von Willkür bei einem ganz kleinen Gremium ebenſo möglich iſt, wie wenn die Inſtanz künftig ſo zuſammengeſetzt wird, wie ich es am Schluſſe meiner Berichterſtattung glaubte anregen zu ſollen, wenn ſie alſo aus Mit⸗ gliedern des Magiſtrats und der Stadtverordneten⸗ verſammlung beſteht. Daß gerade bei der Ziffer 3 die Grenze gezogen werden müßte, wird der Herr Oberbürgermeiſter wohl auch nicht endgültig ver⸗ treten wollen. Ich darf darauf aufmerkſam machen, daß z. B. die Senate der höchſten Gerichtshöfe aus 7 Mitgliedern beſtehen, und daß man dieſen Kollegien doch eher den Vorwurf machen kann, daß ſie allzu hartnäckig an ihren Grundſätzen kleben, als daß ſie zu große Neigung hätten, nach Willkür von ihren Grundſätzen abzugehen.