Sitzung vom Der Magiſtrat wird erſucht, zu erwägen, ob und inwieweit die durchgeführten Maß⸗ nahmen betr. Hebung der Volksſchulen nun⸗ mehr die Aufhebung auch der zurzeit be⸗ ſt e henden Vorſchulen an den höheren Lehranſtalten geſtatten. Dieſes Erſuchen charakteriſiert ſich als die logiſche Konſequenz des Gemeindebeſchluſſes, höhere Lehr⸗ anſtalten in Zukunft ohne Vorſchulen zu bauen. Wir gehen dabei von der Vorausſetzung aus, daß dadurch die Plätze, die jetzt durch die finanziell beſſer geſtellten Kreiſe der Bevölkerung in den Vorſchulen für ihre Kinder mit Beſchlag belegt werden, die durch die Verſetzung nach der Sexta das Recht erſitzen, in dieſe aufgenommen zu werden, und ſie tatſächlich füllen, in Zukunft auch für die begabten und guten Kinder aus den Gemeinde⸗ ſchulen freigegeben werden, die dank unſern ge⸗ hobenen Volksſchulen künftig in verhältnismäßig kurzer Zeit den Anſchluß an die höheren Lehr⸗ anſtalten erreichen werden. Neu in unſerm Etat tritt die heute mehrfach erwähnte Waldſchule auf. Dieſelbe iſt zu unſerer Freude von privater Seite ſo freigebig finanziert worden, daß damit die für ſie veranſchlagten Koſten aus dieſem Etat verſchwinden dürften. Wir hoffen und wünſchen, daß dieſe Waldſchule Förderung und Heil vielen unſerer Kinder bringen werde. Nun noch einige mehr untergeordnete Punkte. Nachträglich hat der Magiſtrat noch beſchloſſen, die Hilfsſchuldienerſtelle an der Realſchule in eine Schuldienerſtelle umzuwandeln. Mehrausgaben entſtehen hierdurch nicht. Es treten dadurch aber noch folgende Anderungen ein: Ausgabe. A b ſichnitt 1. Nr. 1 bis 186 ſoll lauten: Nr. 1 bis 187 — Beſoldungen — 1 040 425 (mehr 1500 ℳ). Die Nummern 187 bis 208 werden Nr. 188 bis 209. Abſchnitt 8. Nr. 4 ſoll lauten: Invaliden⸗ und Krankenverſicherung für die Reinigungshilfskräfte des Schuldieners 100 ℳ (weniger 1500 ). Ich beantrage, mit dieſen Anderungen die Vorlage des Magiſtrats anzunehment. Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, nur in einem Punkte möchte ich dem Antrage des Herrn Referenten widerſprechen, und das iſt derjenige hinſichtlich des Erſuchens wegen Aufhebung der Vorſchulen. Ich ſtehe allen Beſtrebungen wegen Hebung der Volksſchule und einer raſchen Erreichung dieſes Zweckes durchaus ſympathiſch gegenüber. Ebenſo wünſchen meine Freunde und ich, daß den befähigten Kindern aus den ärmeren Klaſſen in der größtmöglichen Weiſe der Beſuch der höheren Schulen auf Gemeindekoſten ermöglicht wird. Wir gehen noch weiter — wie Sie wahrſcheinlich auch ulle — und wünſchen, daß das auch geſchehen möge hinſichtlich der Erleichterung des Univerſitäts⸗ ſtudiums für befähigte Schüler aus den ärmeren Schichten. Ferner erkenne ich auch bereitwilligſt die Bedenken an, die gegen die Verbindung der Vorſchulen mit den höheren Schulen, wie ſie jetzt iſt, beſtehen; daß Kinder, die nicht für die Laufbahn in den höheren Schulen geeignet ſind, aus den ihnen angehängten Vorſchulklaſſen not⸗ 14. März 1910 wendigerweiſe herübergenommen werden und ſchließlich erſt nach langem Quälen zum Schaden der Eltern und ihrer eigenen Entwicklung verſagen und die Mitſchüler aufhalten; daß ferner auf der andern Seite ſolche ungeeigneten Schüler befähigten Kindern aus den ärmeren Schichten den Platz in den Klaſſen wegnehmen. Hier muß entſchieden eine Anderung getroffen werden darüber mögen zunächſt die Herren Sachverſtändigen ſich ausſprechen —, eventuell durch Trennung der Vorſchulen und der höheren Schulen. Aber die Vorſchule nun ganz aufheben, meine Herren, das, glaube ich, heißt, das Kind mit dem Bade aus⸗ ſchütten. Was ſoll denn damit erreicht werden? Meine Herren, wenn wir auf dem Standpunkt ſtehen, daß dem Intereſſe der ärmeren Schichten in jeder Weiſe entgegengekommen iſt, dann, glaube ich, können doch auch die andern Klaſſen der Bevölkerung, der Mittelſtand und der Beamten⸗ ſtand, die höheren Stände im allgemeinen — wie Sie ſie auch nennen wollen —, ebenſo be⸗ anſpruchen, daß ihre berechtigten Wünſche gleich⸗ falls berückſichtigt werden. Und wenn Sie auch die Einheitsſchule für das erſtrebenswerte Ziel halten, jedenfalls ſind doch noch Tauſende in unſerer Mitte der Anſicht — und insbeſondere die Mütter —, daß ſie nicht wünſchenswert iſt. Es würde alſo direkt ein Zwang gegen die Mütter ausgeübt werden und gegen viele von den Vätern, den ich nicht gerade für berechtigt halte. Meine Herren, Ihr ideales Streben bei Schaffung einer Einheitsſchule geht dahin, daß Sie ſchon frühzeitig unter den Kindern darauf hin⸗ wirken wollen, daß ein gutes Einvernehmen und ein gegenſeitiges Sichverſtehen zwiſchen allen Schichten der Bevölkerung hergeſtellt werde. Ja, glauben Sie, daß dies gerade dadurch erleichtert wird, daß Sie nun Kinder der verſchiedenſten Gewohnheiten, der verſchiedenſten Anſichten, der verſchiedenſten häuslichen Erziehung zuſammen⸗ bringen? Wenn Sie mir das Beiſpiel von Süd⸗ deutſchland vorhalten — ja, je weiter Sie nach dem Süden kommen, deſto mehr ſchleifen ſich die Unterſchiede ab. Sehen Sie ſich die geſellſchaftliche Zuſammenſetzung in einem Brauereikeller in Mün⸗ chen an, vergleichen Sie damit die Bierlokale hier — wie ganz anders dort alle Klaſſen der Bevölkerung miteinander verkehren! (Zurufe.) Glauben Sie denn, daß nun gerade Kinder, deren Urteil und Verſtandeskraft nicht ſo geſchärft iſt, nicht viel mehr als Erwachſene Anſtoß nehmen an dem Unterſchied zwiſchen Reicheren und Ar⸗ meren? Wenn das reichere Kind in dem Wagen der Eltern angefahren kommt, wenn es ſchön ausſtaffiert iſt in der Kleidung, ein luxuriöſes Frühſtück herausholt und das ärmere Kind ſich damit vergleicht — wird nicht oft gerade dadurch erſt Mißgunſt und unerfüllbares Verlangen erweckt? Zufriedenheit und Einvernehmen wird jedenfalls ſo nicht gefördert werden. Und nun, meine Herren, warum wollen Sie denn mit dieſem Suchen, Harmonie der Bevölkerung zu ſchaffen und zu verbreiten, gerade bei den Kindern anfangen? Sollten doch diejenigen Herren, die ſich immer als die eigentlichen Vertreter der Volksintereſſen anſehen, und die. die Kinder, ſobald ſie groß geworden ſind, in den Klaſſenkampf hineinziehen, doch zunächſt unter den Erwachſenen die Klaſſengegenſätze zu vermindern und eine