122 deſſen, daß Charlottenburg hier allein vorgeht im Gegenſatz zu den Nachbargemeinden. Wenn bei einer Frage, ſo iſt es bei dieſer Frage von koloſſaler Wichtigkeit, daß Charlottenburg hier nicht ſchneller vorgeht als die anderen Gemeinden, mit denen es hier zu konkurrieren hat. Wir müſſen damit rechnen, daß ein ſehr großer Teil unſerer wohlhabenden Einwohnerſchaft noch nicht auf dem Standpunkt ſteht, den Sie als den einzig richtigen erkannt haben. Es mag richtig ſein, daß es ſich ſo verhält; aber wir müſſen damit rechnen. Aber aus der Erwägung, daß ein Zwang ausgeübt würde, wenn wir die Vor⸗ ſchulen abſchaffen, daß das illiberal ſein würde einerſeits, und daß anderſeits die Finanzkraft unſerer Stadt ganz erheblich leiden würde, wenn der Magiſtrat in dieſem Sinne vorgehen würde, — aus dieſen entſcheidenden Gründen lehnen meine Freunde dieſe Reſolution ab. Ich bitte deshalb, über dieſe Reſolution geſondert abſtimmen zu laſſen. Stadtv. Otto: Meine Herren, ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir der Reſolution des Etatsausſchuſſes zuſtimmen, und zwar allgemein zuſtimmen, und ich glaube, Herr Kollege Dr Borchardt kann darin eine Antwort finden auf ſeine leiſe Anfrage, ob etwa die Mehr⸗ heit der Verſammlung die Abſicht habe, ihren Standpunkt zu ändern. Ich kann ihn beruhigen: es iſt nicht unſere Abſicht. Wir halten an dem Standpunkt, den wir in dieſer Frage ſeit Jahren betätigt haben, feſt. Wir haben aber ſeit Jahren keine Debatte über die Frage gehabt, weil ſie ſeit längerer Zeit, obwohl nicht alle Kollegen unſeren Anſchauungen zuſtimmten, nicht mehr er⸗ örtert wurde. Herr Kollege Dr Liepmann hat ſie heute von ſeinem grundſätzlichen Standpunkt aus angeſchnitten. Ich habe nur vermißt, daß er in dieſer Frage ebenfalls verſichert hat, im Namen ſeiner zwei Freunde zu ſprechen. (Heiterkeit. — Zuruf des Stadtv. Dr. Liepmann.) — Alſo auch in dieſem Falle im Namen ſeiner Freunde. Sie brauchen nicht zu fürchten, daß ich bei der vorgerückten Zeit die ganze Frage der Vor⸗ ſchulen hier aufrollen will, wie es Herr Kollege Dr Liepmann verſucht hat. Ich möchte nur einer Anſchauung entgegentreten, die auch in den letzten Ausführungen des Herrn Kollegen Dr Stadthagen wiederkehrte, als ob durch die Aufhebung der Vor⸗ ſchulen, wenn ſie erfolgt wäre — ſie iſt ja noch nicht einmal erfolgt —, irgendwelcher 3wang auf die Eltern ausgeübt würde. (Sehr richtig!) Das iſt durchaus nicht der Fall, und inſofern hat ſich Herr Kollege Dr Liepmann einfach wider⸗ ſprochen. Er hat im Anfang ſeiner Ausführungen geſagt: es wird auf die Eltern ein Zwang aus⸗ geübt durch die Aufhebung der Vorſchulen — und am Schluß hat er zugegeben, daß den Eltern es vollſtändig freiſteht, ihre Kinder nach Aufhebung der Vorſchulen in Privatſchulen zu ſchicken. (Stadtv. Dr Liepmann: Wenn ſie's Geld haben!) — Dieſem Zuruf gegenüber iſt die Frage berech⸗ tigt: haben ſie denn das Geld für die Vorſchulen? Unſere Vorſchulen ſind nicht billig, wir haben ſie in Charlottenburg abſichtlich teuer gemacht, und wer Geld für die Vorſchulen hat, kann auch zehn Sitzung vom 14. März 1910 in die Privatſchule zu ſchicken, wenn er bei den Charlottenburger Verhältniſſen eine beſondere Schule noch für nötig hält. Und das führt mich auf den zweiten Punkt, auf den ich eingehen will, der ſich auch gegen Gedanken der Herren Dr Liepmann und Dr Stadt⸗ hagen richtet. Es iſt durchaus falſch, ein Vorgehen Charlottenburgs in dieſer Frage abhängig zu machen von dem Verhalten der Nachbargemeinden. (Sehr richtig!) Meine Herren, eine ſehr wichtige Vorausſetzung fehlt bei den Nachbargemeinden, nämlich die gänzlich andere Organiſation der Volksſchule in Charlottenburg. Wir ſind nicht etwa nur negativ vorgegangen in der Vorſchulfrage und haben ge⸗ ſagt: wir wollen keine Vorſchulen mehr errichten und die beſtehenden aufheben — ſondern wir ſind ſtreng logiſch voſitiv vorgegangen und haben ge⸗ ſagt: wenn wir die Vorſchulen aufheben wollen — und das iſt das Ziel, dem wir mit allem Ernſte zuſtreben —, dann müſſen wir erſt, um nicht berechtigte Intereſſen der Eltern zu ſchädigen, unſere Voltsſchulen ſo geſtalten, daß ſie die Vor⸗ ſchulen allmählich erſetzen. 2 (Sehr richtig!) Auf dieſem Wege marſchieren wir, und die Re⸗ ſolution will nichts weiter, als den Magiſtrat bitten, daß er den augenblicklichen Stand der Reform unſeres Volksſchulweſens prüft, und eventuell nach dem Ergebnis dieſer Prüfung an die Aufhebung der Vorſchulen herangeht. Meine Freunde werden dieſer Reſolution ein⸗ hellig zuſtimmen, und auch die Hinweiſe auf etwaige finanzielle Schädigungen können uns darin nicht beirren. Meine Herren, wir haben im Etats⸗ ausſchuß eingehend auch über dieſe Seite der Frage geſprochen, und es war kein Geringexer als der Herr Oberbürgermeiſter, der erklärte: vor etwaigen finanziellen Einbußen aus dieſem Grunde heraus habe er nicht die geringſte Furcht, weder vor Schöneberg noch vor Wilmersdorf. Wenn er das ausgeführt hat, ſo liegt der Grund dafür auf der Hand: wenn wir eine Volksſchule haben, die völlig die Vorſchule erſetzt, und wenn wir dann weiter noch Vorſchulen beſtehen laſſen wollten, dann wären dieſe Vorſchulen nichts weiter als die einſeitigſten Standesſchulen, (ſehr richtig!) als Schulen, die errichtet ſind, dem Dünkel der Mütter zuliebe. Wenn Herr Kollege Dr Liepmann ſo weit gehen will in ſeinem übergroßen Zart⸗ gefühl — nun, glückliche Reiſe! Wir machen dieſen Weg nicht mit! (Bravo!) Stadtv. Zander: Wenn Herr Kollege Stadt⸗ hagen namens ſeiner Freunde geſprochen hat, ſo muß ich bemerken, daß ich mich in dieſem Falle nicht zu ſeinen Freunden rechne. (Hört, hört!) Ich bin ein warmer Anhänger der Aufhebung der Vorſchulen und hoffe lebhaft, daß die Volks⸗ ſchulen bald ſo weit gefördert ſind, daß die Vor⸗ ſchulen in Charlottenburg entbehrlich werden. (Die Beratung wird geſchloſſen.) Berichterſtatter Stadtv. Schwarz: Ich möchte Herrn Dr Borchardt noch erwidern. Er ſagte, ein oder zwanzig Mark mehr zahlen, um ſein Kind! Punkt meiner Entgegnung habe ihm den Verdacht