Sitzung vom 22. März 1910 Ich bitte Sie, meine Herren, Kapitel vIII mit der Abänderung, wie ich ſie vorgeleſen habe, zu genehmigen, die Petition des Hausbeſitzers Rühl dem Magiſtrat zur Erwägung und die Petition des Eigentümers Creutzfeld und Gen. dem Ma⸗ giſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Stadtv. Wilk: Meine Herren, wir haben den Antrag geſtellt, die Straße 45, die den Stadtteil Nonnendamm durchſchneidet, zu regulieren. Ehe ich näher auf dieſe Straße eingehe, möchte ich noch einer Außerung des Referenten Herrn Kollegen Jolenberg entgegentreten. Er hatte behauptet, daß die Petition bezüglich Schaffung der Pascalbrücke nicht notwendig wäre, da der Stadtteil noch nicht ausgebaut wäre. (Stadtv. Jolenberg: Die Straßen!) Herr Kollege, Sie ſind da im Irrtum und kennen die Verhältniſſe nicht. Die Brücke iſt außerordentlich notwendig für dieſen Stadtteil. Sollte der Stadt⸗ teil, wo jetzt die Gemeindedoppelſchule in der Hallerſtraße ſteht, noch nicht ſo ausgebaut ſein, wie es dem Geſchmacke des Kollegen Jolenberg entſpricht, ſo liegt doch auf der anderen Seite der Spree der Stadtteil Martinickenfelde, der voll⸗ ſtändig ausgebaut iſt, und die Brücke käme doch auch dieſem Stadtteil zu gute. Ich möchte alſo doch der Auffaſſung entgegentreten, daß die Brücke nicht notwendig wäre. Schließlich könnte der Magiſtrat durch ſolche Außerungen veranlaßt werden, in der Erledigung dieſer Frage noch etwas mehr zu bremſen, als bisher geſchehen iſt. Nun zu unſerem Antrage, die Straße 45 zu regulieren. Wir haben in der Sitzung vom 20. Oktober vergangenen Jahres uns hier mit einer Petition zu beſchäftigen gehabt, die der Arbeiter⸗ ausſchuß der Siemenswerke eingereicht hatte, und zwar wegen Regulierung des Nonnendamms. Wir hatten darum erſucht, die Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu überweiſen. Von der Stadtverordnetenverſammlung wurde aber der Beſchluß gefaßt, ſie als Material zu überweiſen. Die Notwendigkeit der Regulierung des Nonnen⸗ damms iſt inzwiſchen noch dringender geworden. Die Verhandlungen mit den betreffenden An⸗ liegern am Nonnendamm waren ſcheinbar ſehr ſchwierig und ſind auch wohl zum Teil geſcheitert. Aber im Laufe der Zeit haben ſich die Verhältniſſe zugunſten der Straße No. 45 weſentlich geändert und geklärt. Es iſt uns allen wiederum eine Petition zugegangen, unterſchrieben von dem Vorſitzenden des Bezirksvereins Nonnendamm ſowie dem Obmann des Arbeiterausſchuſſes der Siemenswerke, aus der wir erſehen, daß der Regulierung der genannten Straße nichts Weſent⸗ liches mehr im Wege ſteht. Man ſchlägt der Stadt⸗ verordnetenverſammlung vor, die Straße 45, die, wie Sie aus dem Plan erſehen, in gerader Linie zu den Siemenswerken führt, zu regulieren. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Verkehrsverhältniſſe am Nonnendamm bekannt ſind. Ich will ſie hier ganz kurz ſtreifen. Der Nonnendamm hat an ſeinem Anfang nur auf der rechten Seite einen Bürgerſteig und einen halben Fahrdamm. Wenn Sie hinter das Schleuſenhaus kommen, ſo hört der Bürger⸗ ſteig auf, man muß den Fahrdamm paſſieren, um den ſchmalen Fußgängerweg der linken Seite zu benutzen; auf der rechten Seite iſt dann nur wieder ein halber Fahrdamm. Das minderwertigſte Kopfſteinpflaſter, das überhaupt Charlottenburg 143 aufzuweiſen hat, iſt am Nonnendamm verwandt worden. Sie können ſich lebhaft denken, wenn die ſchnellfahrenden Wagen und die Automobile da vorüberfahren — ich hatte das ſchon im vergangenen Jahre ausgeführt —, in welcher Lage ſich dann die Straßenpaſſanten, die den Weg zu paſſieren haben, befinden. Und das iſt eine ungeheuer große Anzahl. Gering geſchätzt gehen 10 000 Menſchen da durch, das iſt noch niedrig gegriffen. Außerdem herrſcht ein ungemein ſtarker Fahrverkehr. Die Fuhrwerke müſſen, da der Fahrdamm nur die halbe Breite hat, hintereinander fahren; kommt ein Fuhrwerk von der entgegengeſetzten Seite, ſo müſſen ſie ſich mit einer wahren Kunſt hindurchſchängeln. Ich habe vor einigen Tagen Gelegenheit gehabt, den Weg draußen zu beobachten. Infolge des Regens war die ſandige rechte Seite furchtbar aufgeweicht, es war niemand möglich, richtig auszuweichen. Die Radfahrer mußten abſteigen, die Automobile jagten hindurch, die Pferde wurden ſcheu und gingen auf den Bürgerſteig. Ein weiteres erſchwerendes Moment kommt noch hinzu: am Nonnendamm befindet ſich das Schleuſenhaus für die Waſſerbau⸗ inſpektion, das einen Vorgarten beſitzt, der ſehr weit auf den Bürgerſteig hinauf reicht, ſo daß die Paſſage nur ungefähr 1½ bis höchſtens 2 Meter breit iſt. Dieſe Paſſage wird noch dadurch beein⸗ trächtigt, daß auf dem Bürgerſteig ein Laternen⸗ pfahl und ganz kurz dahinter, vielleicht ¼ Meter entfernt von dem Gartenzaun, ein ziemlich ſtarker Baum ſteht. Nun ſtellen Sie ſich vor, bei Finſternis und ſchlechtem Wetter müſſen die Leute wahre Kunſtläufer ſein, um ſich durch dieſe Schlangenlinie durchzuwinden. Ebenſo ſchwer iſt es an dieſer Stelle bei den Fuhrwerken. Wir wünſchen nun, daß dieſe mißlichen Ver⸗ hältniſſe endgültig beſeitigt werden. Zu dieſem Zwecke ſchlagen wir Ihnen vor, die Straße 45 zu regulieren. Wie aus der überreichten Petition zu erſehen iſt, ſind die Verhältniſſe jetzt klar. Die Anlieger ſind zum größten Teil, zu 90 %, bereit, zu den Koſten beizutragen. Außerdem hat ſich die Firma Siemens « Halske bereit erklärt, zu den Regulierungskoſten die Summe von 150 000 ℳ zu zahlen. Ich kann Ihnen auch weiter mitteilen, daß die Firma Siemens & Halske, wenn die Bau⸗ verwaltung von Charlottenburg bzw. der Magiſtrat heute die Erlaubnis gibt, daß die Firma die Straße regulieren oder mit den Anliegern weiter in Ver⸗ handlung treten kann, ſofort morgen anfängt, die Straße mit Sand aufzuſchütten. Der Stadt ſelbſt alſo werden nicht die geringſten Koſten entſtehen, und ich möchte Sie alſo dringend bitten, heute den Beſchluß zu faſſen, daß der Magiſtrat die Regu⸗ lierung der Straße 45 vornimmt. Stadtſyndikus Dr. Maier: Meine Herren, ich möchte Sie bitten, dem Antrage in der Form, wie er geſtellt iſt, nicht Folge zu geben. Es iſt unmöglich, daß die Stadtverordnetenverſammlung einen Beſchluß über die Regulierung einer Straße faßt, ohne zu wiſſen, in welcher Weiſe die Mittel für dieſe Straßenregulierung aufgebracht werden ſollen. Es handelt ſich im vorliegenden Falle nicht lediglich darum, eine Straße, die dem Verkehr bereits dient, für den Verkehr ſo herzuſtellen, daß man ohne Gefahr dort verkehren kann, ſondern es handelt ſich darum, einen bisher nicht anbaufähigen Verkehrsweg als eine für den Anbau beſtimmte