Sitzung vom 22. März 1910 Stadtſynditus Dr. Maier: Ich nehme an, daß Herr Stadtverordneter Wilk die Ausführungen, die er gemacht hat, nicht als eigene Ausführungen gemacht hat, ſondern lediglich Gerüchte wiedergibt, die ihm zugegangen ſind. Ich bin ihm dafür dank⸗ bar, daß er dieſe Gerüchte zum Gegenſtande der Erörterungen macht; denn, meine Herren, dem Magiſtrat kann nur daran liegen, daß einmal dieſe Angelegenheit in der Offentlichkeit verhandelt wird. Was zunächſt — ich will die einzelnen Punkte des Herrn Stadtverordneten Wilk der Reihe nach erörtern — die angebliche Tatſache betrifft, daß wir der Regulierung des Nonnendamms Schwierig⸗ keiten bereiten und verſuchen, die Regulierung hintanzuhalten, ſo kann ich Ihnen ſagen, meine Herren, daß dieſes Gerücht in jeder Beziehung der Grundlage entbehrt. Im Gegenteil, wir haben alsbald, als wir in die Verhandlung mit der Firma Siemens & Halske über die Regulierung des Nonnendamms eingetreten ſind, die vor⸗ bereitenden Maßregeln ergriffen, haben ſofort das Enteignungsverfahren bezüglich derjenigen Grund⸗ ſtücke eingeleitet, die am Zuſammenlauf des Tegeler Weges und des Nonnendamms belegen ſind, um für den Fall der Regulierung gerüſtet zu ſein und ſofort die Freilegung der bezüglichen Flächen zu bewirken. Die Stadtverordnetenverſammlung hat den Ankauf des Gerhardtſchen Grundſtückes und des Schmittenſchen Grundſtückes beſchloſſen. Wir haben ſeit geraumer Zeit die Grundſtücke in unſerem Eigentum. Die Enteignung des Wünſche⸗ ſchen Grundſtückes ſchwebt gegenwärtig noch; es kann jederzeit die Hinterlegung der Enteignungs⸗ entſchädigung erfolgen, die Dringlichkeit beantragt und ausgeſprochen werden und auch dort die Frei⸗ legung geſchehen. Meine Herren, wir haben der Firma Siemens & Halske vor ſehr geraumer Zeit einen Regulierungsvertrag unterbreitet nach Maß⸗ gabe einer Beſprechung, die mit den Vertretern der Firma Siemens & Halske hier ſtattgefunden hat. Aus dieſem Vertrage gingen alle Einzelheiten, unter denen wir bereit ſind, den Nonnendamm zu regulieren, hervor. Dieſe Einzelheiten ent⸗ ſprachen der Vorbeſprechung, und es war Sache der Firma Siemens & Halske, nach Maßgabe der Vorbeſprechung die Regulierung des Nonnen⸗ damms zu betreiben. Wir haben nicht enmal, wir haben wiederholt immer wieder daran erinnert, daß auch von ſeiten der Arbeiter der Siemenswerke an uns das Erſuchen gerichtet worden iſt, den Nonnendamm zu regulieren, und wir haben gebeten, man möge uns doch endlich das Reſultat der Be⸗ mühungen angeben und den Vertrag abſchließen. Ohne Erfolg! Erſt vor anderthalb Wochen etwa iſt der Vertreter der Firma Siemens wieder mit einigen Intereſſenten bei mir geweſen und hat das neue Projekt der Straße 45 an Stelle der Regu⸗ lierung des Nonnendamms in Vorſchlag gebracht. Wir haben ſofort auch dieſem Projekt Fortgang gegeben und haben abſolut nicht die Abſicht, dieſem Projekt Schwierigkeiten zu bereiten. Das iſt eine Unterſtellung, ein Gerücht, das verbreitet wird, und man muß wirklich fragen: oui bono? wer iſt denn der Intereſſent, wer iſt der Beteiligte, wer hat das Intereſſe daran, die Stadt Charlottenburg in dieſer Beziehung ſchlecht zu machen? — Meine Herren, ich will dieſe Frage nicht erörtern; ſie gehört nicht hierher, aber ſie gibt doch zu weitgehendſten Betrachtungen Raum. ſchäftigt. 145 Ein anderes Gerücht, das ebenſo unbegründet iſt wie das eben von mir erwähnte, iſt das, daß der Magiſtrat von Charlottenburg verſucht habe, die Firma Siemens zu verhindern, ſich mit ihren Werken hier anzuſiedeln. Meine Herren, diejenigen von Ihnen, die hier längere Zeit in Charlottenburg anſäſſig ſind, werden wiſſen, daß die Siemens⸗ Schuckertwerke bereits anfang der 90 er Jahre ſich auf Spandauer Gebiet etabliert haben, und zwar auf der Spandauer Exklave, einem Gebiet, das für die Anlegung dieſes Etabliſſements inſofern außerordentlich günſtig beſchaffen war, als das betreffende Gelände unmittelbar Zugang zur Spree hatte. Unſere Charlottenburger Terrains dagegen ſind in ihrer ganzen Länge durch den vorgelegenen Nonnendamm von der Spree abgedrängt, ſo daß ein Werk, das ſich auf Charlottenburger Seite anſiedeln wollte, hierdurch mit erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen hätte. Es hätten vorher die vorhandenen Anſiedlungen und Etabliſſements, z. B. die Feilenfabrik von unſerem früheren Stadt⸗ verordneten Scholz aufgekauft werden müſſen, um die notwendige Verlegung des Nonnendamms durchführen zu können. Alſo die örtlichen Ver⸗ hältniſſe waren in Spandau ſo viel günſtiger, daß offenbar ſchon aus dieſem Grunde die Firma Siemens nach Spandau gegangen iſt. Meine Herren, niemals iſt ein Antrag bei uns ein⸗ gegangen — ich habe die Akten nach der Richtung hin, da ja die Verhältniſſe noch lange vor der Zeit liegen, wo ich in die Verwaltung eingetreten bin, durchſtudiert — nirgends iſt ein Antrag der Firma Siemens « Halske bei uns zu ermitteln geweſen, auf Grund deſſen die Firma angeſtrebt hätte, ſich etwa in Charlottenburg anzuſiedeln. Es handelt ſich um ein Gerücht, ein Gerücht, daß von irgend⸗ einer Seite ausgegangen iſt und das ſogar in die Preſſe Eingang gefunden hat. Der betreffende Berichterſtatter der Preſſe iſt auch offenbar unrichtig informiert worden von einer Seite, die vielleicht auch ſchon von anderer Seite unrichtig informiert war. Alſo es iſt unzutreffend, daß die Stadt Char⸗ lottenburg es verhindert hat, daß die Firma Siemens & Halske ſich mit ihren Fabrik⸗ etabliſſements in Charlottenburg niederließ. Ein Antrag der Firma Siemens Halske, der aber nicht die Errichtung von Fabrikanlagen betraf, iſt im Jahre 1903 oder 1904 hier eingegangen. Nach dieſem Antrage beabſichtigte die Firma Siemens & Halske, Arbeiterwohnhäuſer in der Nähe ihrer Etabliſſements auf Charlottenburger Gebiet zu erbauen und dort eine Art Kolonie zu gründen. Dieſer Antrag hat die Tiefbaudeputation be⸗ Die Tiefbaudeputation hat die Be⸗ dingungen für die Zulaſſung einer derartigen Be⸗ bauung feſtgeſtellt und der Firma Siemens K Halske mitgeteilt. Darauf iſt nichts weiter ver⸗ anlaßt worden. Was die Genehmigung des Bahnhofs Fürſten⸗ brunn anbetrifft, ſo iſt das Gerücht verbreitet worden, die Stadt Charlottenburg habe die Ge⸗ nehmigung zu dieſem Bahnhof nicht erteilt. Meine Herren, die Stadt Charlottenburg hat überhaupt keine Genehmigung zu Bahnhofsanlagen zu erteilen. Die Stadt Charlottenburg iſt nicht nur nicht gefragt worden, ob es ihr angenehm wäre, daß der Bahn⸗ hof Fürſtenbrunn dort angelegt werde, ſondern ſie iſt überhaupt nicht gehört worden. Keiner hat ſich an ſie gewendet. Ja, es iſt ſogar ſoweit gegangen, daß ohne ein Planfeſtſtellungsverfahren, ohne das⸗