152 einer Verſammlung im Volkshauſe beizuwohnen, da ſehen Sie mehr Poliziſten, als Ihnen lieb ſein würde. Es war erſt vor kurzem eine Ver⸗ ſammlung im Volkshauſe in der Roſinenſtraße. Da ſtanden vor der Tür auf der Straße 3 Schutz⸗ leute, im Hof am Eingang des Saales wieder 3, und unmittelbar vor der Saaltür ſtand noch ein Poliziſt, zwei waren dann noch im Saale an⸗ weſend und haben aufgepaßt, daß nichts paſſierte. Unten im Hof ſtanden noch einige Kriminalſchutz⸗ leute, denen man ja immer ſchon auf 10 Schritte Entfernung anſieht, was mit ihnen los iſt. (Heiterkeit.) Es waren alſo in dem Lokal und auf dem Grund⸗ ſtück des Hauſes 12 bis 15 Poliziſten, die dort wirklich nichts zu tun hatten. Warum ſchickt man dieſe Leute nicht in die unſicheren Gegenden von Charlottenburg und hält ſie dazu an, dort für die Sicherheit zu ſorgen? Ich erinnere Sie ferner an die Demonſtrationen, die in den Februartagen auch hier in Charlottenburg ſtattgefunden haben. Da haben meine Freunde und Genoſſen die Freude gehabt, von ſoviel Schutzleuten zu Fuß und zu Pferde begleitet zu werden, daß wir erſt bei dieſer Gelegenheit geſehen haben, wieviel Schutzleute in Charlottenburg vorhanden ſind. Und doch fehlen ſie Ihrer Meinung nach an allen Ecken und Enden. Die Fürſorge der Polizei, darauf zu ſehen, daß uns Sozialdemokraten um alles in der Welt nichts paſſiert, wenn wir demonſtrieren, teilen wir eigent⸗ lich nur noch mit einer Perſon im Reich, und dieſe Perſon fährt häufig durch die Bismarckſtraße. Wenn das der Fall iſt, ſehen Sie dort in der Bis⸗ marckſtraße auch ſehr viele Schutzleute ſtehen, während ſie in den anderen Teilen Charlotten⸗ burgs fehlen. Wir meinen alſo, daß nicht zu wenig Schutz⸗ leute in Charlottenburg ſind. Das hat auch der 6. März bewieſen, wo, wie mir geſagt worden iſt, 200 Schutzleute von Charlottenburg abkommandiert worden ſind, um in Treptow aufzupaſſen, daß der Park nicht überlaufen wird. Ich führe das nur als Zeichen der ſchlechten Organiſation der Polizeiverwaltung an. Nach Treptow werden die Schutzleute hingeſchickt, und im Tiergarten fehlten ſie nachher. Was iſt denn das für eine Ver⸗ teilung! (Heiterkeit.) Und dann ſagen Sie noch, es fehlt an Polizei. Wir geben Ihnen ohne weiteres darin recht, daß die Polizei in einem gewiſſen Maße überlaſtet iſt, über⸗ laſtet nicht nur mit der ganz unnötigen Bewachung der Sozialdemokratie und der Wahlrechtsdemon⸗ ſtranten,ſondern vor allem auch unnötigüberlaſtet mit Arbeiten, die eigentlich gar nicht zu den Aufgaben der Sicherheitspolizei gehören. Denken Sie doch daran, um was ſich die Polizei in Charlottenburg als königliche Polizei alles zu kümmern hat! Sie begleitet den Menſchen von ſeiner Geburt an durchs ganze Leben hindurch bis zur Bahre; ſie verläßt den preußiſchen Staatsbürger überhaupt nicht, paßt überall auf ihn auf, überwacht jeden ſeiner Schritte, daß ihm nur nichts Unrechtes nach ihrer Auffaſſung paſſiert. Sie ſind in Ihrem ganzen Leben von der Polizei abhängig. Wenn die Anmeldungen, die Abmeldungen, die Beaufſichtigungen, die die Polizei auszuführen hat, nicht ſein würden, dann hätten ſelbſtverſtändlich die Poliziſten und hätte die Polizei mehr Zeit, ſich um die allgemeinen Sicherheitszuſtände auf den Straßen und in anderer Sitzung vom 22. März 1910 Beziehung um die Bevölkerung zu kümmern. Es iſt ja erklärlich, daß, wenn die Leute den ganzen Tag mit Vernehmungen zu tun und Botengänge zu beſorgen haben, ſie des Abends müde und abgeklappert ſind und keine Luſt mehr haben, auf der Straße zu ſtehen. Sie beklagen ſich über das Steigen der Polizei⸗ koſten, die wir zu tragen haben. Im Jahre 1908 wurden 455 194 ℳ gezahlt, im Jahre 1909 mußten wir 600 000 ℳ, d. h. 144 806 ℳ mehr zuſchießen, und im Jahre 1910 iſt in den Etat die Summe von 635 000 ℳ, d. h. wieder 35 000 ℳ mehr, eingeſtellt. Seit dem Jahre 1908 haben wir rund 179 000 ℳ mehr zu zahlen. Für dieſe Menge Geld könnten wir doch wirklich verlangen, daß eine beſſere Organiſation und Verteilung der Schutzmannskräfte Platz greift. Nun befindet ſich unter den verſchiedenen Ausgaben dieſes Kapitels auch noch eine Summe von 1000 ℳ, die die Stadt Charlottenburg als Extraunterſtützung an die Witwen⸗ und Waiſen⸗ kaſſe der Charlottenburger Schutzmannſchaft ab⸗ führen ſoll. In einer Erklärung des Magiſtrats — ich kann momentan nicht ſagen, an welcher Stelle ſie ſteht — habe ich geleſen, daß es ſich bei der Witwen⸗ und Waiſenkaſſe um eine vollkommen private Inſtitution der Schutzleute handelt, daß dieſe Kaſſe aus den eigenen Mitteln der Schutz⸗ leute gegründet worden iſt und der Fonds aus den Überſchüſſen aufgefüllt werden ſoll, die ſich aus den Vergnügungen der Schutzleute uſw. er⸗ geben. Wir meinen, daß es doch Sache der Re⸗ gierung iſt, dafür zu ſorgen, daß den Beamten die Sicherheit für eine Verſorgung ihrer Waiſen und Witwen gegeben wird. Ich habe immer angenommen, daß dieſe Fürſorge ohne weiteres von der Behörde erfüllt worden iſt. Wenn wir nun gegen die Bewilligung dieſer 1000 ℳ ſprechen, dann werden Sie ſagen: wir handeln aus poli⸗ tiſcher Gehäſſigkeit oder aus irgendwelchen Partei⸗ ſtimmungen heraus, wir laſſen uns beeinfluſſen von den Ereigniſſen der letzten Wochen und be⸗ nutzen die Stimmung, um dieſen Leuten nicht die 1000 ℳ zugute kommen zu laſſen. Das liegt uns ſelbſtverſtändlich fern; denn ſo ſehr wir auch mit der Polizei im allgemeinen und mit der Char⸗ lottenburger Polizei im beſonderen abzurechnen hätten über ihr Verhalten in den letzten Wochen gegenüber der Bürgerſchaft, ſo würden wir uns doch von einem ſo unbilligen und ungerechten Gedanken nicht leiten laſſen, wenn es ſich darum handelte, den Witwen und Waiſen — auch wenn es diejenigen der Schutzleute ſein ſollten — irgend etwas zukommen zu laſſen. In letzter Linie haben uns doch die Poliziſten mit ihren Attacken und ihren Auftritten nicht geſchadet, ſondern genützt. Eine ſolche Erbitterung, eine ſolche Erregung gegen die polizeilichen Übergriffe, wie ſie die letzten Wochen gezeitigt haben, werden wir nie wieder erleben. Und das iſt mehr uns zugute gekommen als der Polizei. Da der Herr Polizeipräſident von Charlottenburg bereits zum Ehrenmitglied für einen Hausbeſitzerverein ernannt worden iſt, ſo kommen wir darum herum, ihn zu unſerm Ehren⸗ mitgliede zu machen. (Rufe: Zur Sache!) Wie geſagt, in letzter Linie haben die Poliziſten nur für uns gearbeitet. Wir ſtehen aber auf dem Standpunkt, wenn für die Poliziſten eine Witwen⸗ und Waiſenkaſſe notwendig erſcheint, dann hat