158 Sitzung vom 22. März 1910 Antrag genau ſo bekämpfen wie die Magiſtrats⸗) verſammlung, die eine durchaus gerechte Steuer vorlage. Ich habe hierbei die unentwegten Ver⸗ treter der hausagrariſchen Intereſſen im Auge, die wir ja in der Stadtverordnetenverſammlung haben, die nachher gegen die Erhöhung der Grund⸗ ſteuer ſtimmen werden, die aber leider ſich bisher noch nicht zum Worte gemeldet haben. Meine Herren, die Stellung, die wir gegen⸗ über der Magiſtratsvorlage und dem Antrage Otto einnehmen, iſt durch unſere prinzipielle Anſchauung gegeben, die wir bereits wiederholt hier entwickelt haben, ſodaß ich mich in dieſer Beziehung ſehr kurz faſſen kann. Der Etatsausſchuß hat zunächſt eine Erhöhung der Gewerbeſteuer beantragt. Wir haben wiederholt betont, daß wir grundſätzlich Gegner der Gewerbeſteuer überhaupt ſind. Leider können wir als Stadtverordnetenverſammlung nichts zur Abſchaffung dieſer ungerechten Steuer tun. Um ſo weniger aber ſollten wir dazu bei⸗ tragen, die Gewerbeſteuer zu erhöhen. Wir er⸗ blicken in dem Vorſchlage des Etatsausſchuſſes eine duchaus ungerechte Belaſtung beſtimmter Kreiſe der Gewerbetreibenden und werden deshalb gegen den Antrag des Ausſchuſſes ſtimmen. In dieſem Punkt gehen wir alſo vollkommen konform mit Herrn Kollegen Otto. Dann hat der Magiſtrat weiter eine Erhöhung der Grundſteuer um 1%% beantragt. Der Etats⸗ ausſchuß hat dieſen Antrag rundweg abgelehnt, er wünſcht, daß es bei dem jetzigen Steuerſatze bleibe. Herr Kollege Otto beantragt, wenigſtens die Hälfte zu bewilligen. Meine Freunde ſtehen auf dem Standpunkt, daß der Grundbeſitz keines⸗ wegs ſo ſchlecht geſtellt iſt, daß er eine höhere Be⸗ laſtung nicht tragen kann. Wenn wirklich augen⸗ blicklich einige Grundbeſitzer nicht imſtande ſein ſollten, die geringe Belaſtung, um die es ſich han⸗ delt — wenn man den Durchſchnittswert der Häuſer mit 300 000 ℳ annimmt, ſo kommen nach der Magiſtratsvorlage ungefähr 30 ℳ heraus —, zu tragen, ſo zeigt das eben, daß es Grundbeſitzer ſind, deren Geſchäft auf nicht geſunder Baſis ruht, und auf die kann man keine Rückſicht nehmen, auf die braucht die Stadtverordnetenverſammlung keine Rückſicht zu nehmen. (Hört! hört!) — Nein, meine Herren! Wir dürfen anderſeits nicht vergeſſen, daß die Grundbeſitzer jahrelang, ja, ich möchte ſagen, jahrzehntelang alle die Vorteile eingeheimſt haben, die ihnen durch die Stadt zu⸗ gewendet ſind. (Zuruf: Das ſind doch nicht dieſelben!) Sie brauchen bloß daran zu denken, wieviel weniger Steuern die Grundbeſitzer infolge des Umſtandes bezahlen, daß die Einſchätzung nur alle 15 Jahre vor ſich geht, welche Summen dadurch der Stadt ent⸗ zogen worden ſind — ich meine natürlich, auf durch⸗ aus rechtmäßigem Wege. Da haben die Grundbeſitzer nicht geſagt: wir zahlen zu wenig Steuern, wir tun das, was wir zu wenig zahlen, in den Stadtſäckel. Sowie ſie aber einmal ein paar Mark mehr zahlen ſollen — es handelt ſich doch um eine ganz lumpige Summe — (Zuruf: Jährlich!) — ja, jährlich 30 ℳ! (Erneute Zurufe.) — Sowie die Grundbeſitzer ein paar Mark mehr zahlen ſollen, erheben ſie ein furchtbares Geſchrei, dann glauben ſie, Stellung nehmen zu müſſen gegen Magiſtrat und gegen Stadtverordneten⸗ vorſchlagen. Meine Herren, Sie dürfen doch nicht vergeſſen, daß gerade die Grundbeſitzer es ſind, die von den Aufwendungen der Stadt den aller⸗ größten Vorteil haben. Wenn dieſer Vorteil ſich auch nicht augenblicklich darin ausſpricht, daß ſie vielleicht im Moment höhere Mieten erheben können, ſo kommt er doch ſpäter einmal in barer Münze zum Ausdruck, wenn das Haus verkauft wird. (Zuruf: Wertzuwachsſteuer!) — Reden Sie doch nicht von der Wertzuwachsſteuer, es iſt ja ein ganz geringer Teil, den Sie zahlen. Es iſt bedauerlich, daß die Grundbeſitzer jetzt auch in Charlottenburg, wo ſie bisher eigentlich mit ihrer Agitation etwas zurückgehalten haben — ich meine, et was zurückgehalten haben —, in dieſer Weiſe agitieren und ſich ſträuben, die wirk⸗ lich nur lumpige Summe von Steuern an die Stadt zu entrichten. Wir können nicht einſehen, daß die Vorlage des Magiſtrats ungerecht iſt, und wir werden deshalb in dieſem Punkt für die Magiſtratsvorlage ſtimmen. Ganz anders iſt unſere Stellung gegenüber der Müllabfuhr. Hier handelt es ſich nicht um eine Steuer, ſondern um eine Gebühr. Ich habe bereits in meiner Etatsrede auf den Unterſchied zwiſchen Steuern und Gebühren hingewieſen, ſo daß ich nicht nötig habe, das noch einmal auszuführen. Hier ſehen wir allerdings keinen Grund ein, warum plötzlich, obwohl ſich die Leiſtungen nicht um einen Deut vergrößert haben, die Gebühr erhöht werden ſoll. Wir ſtehen überhaupt auf dem Standpunkt, daß die Müllabfuhr eigentlich eine allgemeine An⸗ gelegenheit iſt, die nicht von pekuniären Geſichts⸗ punkten betrieben werden ſollte, ſondern lediglich vom Geſichtspunkt der Volkshygiene aus. In⸗ ſofern müßte die Müllabfuhr vollkommen un⸗ entgeltlich ſein. Da das nun leider infolge der Ver⸗ träge, die wir mit der Geſellſchaft geſchloſſen haben, nicht der Fall iſt, ſo werden wir wenigſtens dafür ſorgen, ſoweit es in unſeren Kräften ſteht, daß die Gebühr für die Müllabfuhr nicht erhöht wird. Wir werden alſo in dieſem Punkte gegen die Magiſtrats⸗ vorlage und natürlich auch gegen den Antrag des Ausſchuſſes ſtimmen, der ja eine mäßige Erhöhung vorſieht. Meine Herren, ich möchte noch hinzufügen, daß wir ſelbſtverſtändlich, damit auf irgendeine Weiſe auch in der Abſtimmung unſere Anſicht zum Aus⸗ druck kommt, die Wiederherſtellung der Magiſtrats⸗ vorlage unter « Ziffer 2 beantragen. Im ganzen würde, wenn unſere Anträge angenommen werden, der finanzielle Effekt noch ein erheblich größerer ſein, als wenn der Antrag des Herrn Kollegen Otto zur Annahme gelangen würde. Ich möchte deshalb alle diejenigen Herren, die ein Intereſſe daran haben, daß der Ausgleichsfonds nicht ganz ver⸗ ſchwindet, bitten, unſeren Anträgen zuzuſtimmen. Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Meine Herren, der Etatsausſchuß hat bei der Schluß⸗ beratung über das Kapitel der Steuern in drei⸗ facher Hinſicht die Magiſtratsanträge nicht gut geheißen. Er hat einmal die Grundſteuererhöhung ganz beſeitigt, er hat ſodann die Einnahmen vermindert, indem er einen erhöhten Zuſchuß zur Müllbeſeitigung bewilligt hat, und er hat auf der andern Seite die Gewerbeſteuer neu beſchloſſen, indem er Klaſſe I1I1I um 50% erhöhen will. Ich