Sitzung vom 22. März 1910 159 freue mich, heute zu hören, daß durch einen Kom⸗ promißantrag (Zuruf des Stadtv. Hirſch) — ſo iſt er wenigſtens genannt worden —, den Herr Stadtv. Otto heute geſtellt hat, in zweifacher Hinſicht den Magiſtratsanträgen mehr Rechnung getragen iſt. Ich höre, daß die Herren, in der Majorität ſich dahin geeinigt haben, daß ſie den erhöhten Zuſchuß zur Müllbeſeitigung fallen laſſen und daß ſie ebenfalls davon Abſtand nehmen wollen, die Gewerbeſteuer zu erhöhen, daß ſie aber ent⸗ gegen dem Magiſtratsantrage die Grundſteuer nur zur Hälfte, d. h. um 0,05%, für die bebauten und 0,10 %e für die unbebauten Grundſtücke erhöhen wollen. Ich kann mich deshalb, glaube ich, etwas kürzer zu faſſen, als ich es ſonſt hätte tun dürfen, da ich annehmen darf, daß dieſer letzte Antrag eine genügende Unterſtützung aus der Mitte der Stadt⸗ verordnetenverſammlung heraus erhalten wird. Zu dem erſten Beſchluß bezüglich der Herab⸗ ſetzung des erhöhten Zuſchuſſes zur Müllbeſeitigung habe ich wenig zu ſagen. Der Herr Referent nannte ihn einen ſtillſchweigenden Beſchluß, weil bis auf die Freunde des Herrn Hirſch, für die dieſer eben geſprochen hat, alle Herren im Ausſchuß darüber einig geweſen ſind. Ich glaube auch, daß die Gründe, die Herr Hirſch heute angeführt hat, nicht dafür ſoweit ſprechen, daß die Herren ſich werden beſtimmen laſſen, dieſen erhöhten Zuſchuß zum Kapitel Müllbeſeitigung aufrechtzuerhalten. Dagegen möchte ich noch einige Worte ganz kurz zur Gewerbeſteuer ſagen. Ich hege die Hoffnung, daß die Erhöhung der Gewerbeſteuer unter allen Umſtänden fällt. Der Magiſtrat hat ſich über dieſe Frage vor den Beratungen des Etatsausſchuſſes und auch jetzt noch während der Beratungen nochmals unterhalten, und wir ſind übereinſtimmend derMeinung, daß es verderblich wäre, den Zuſchlag bei der Gewerbeſteuerklaſſe I1II1 um weitere 50% zu erhöhen. Das, was Sie hoffen, meine Herren, daß durch die Warenhausſteuer der größte Teil der Gewerbeſteuer in Klaſſe 111 freigeſtellt werden könnte, iſt nach unſeren Berech⸗ nungen nicht der Fall. Nur die unterſten vier Stufen können freigeſtellt werden, und bereits bei der Stufe mit einer Steuer von 56 ℳ, d. h. einem gewerblichen Ertrage von 5600 ℳ an, würde die Erhöhung der Steuer eintreten müſſen. Alſo der Gewerbetreibende würde ſtatt 56 ℳ 28 ℳ mehr, d. h. 84 ℳ Steuer zahlen. Der Magiſtrat iſt der Meinung, daß die Gewerbetreibenden ſoviel Laſten haben, daß es nicht zweckmäßig iſt, hier eine Er⸗ höhung eintreten zu laſſen, um ſo mehr, als gerade der Mittelſtand ſehr häufig Grundbeſitz in der Stadt hat. Dagegen ſind wir im Magiſtrat der Meinung, daß unſer Antrag bezüglich Erhöhung der Grundſteuer vollkommen gerechtfertigt iſt, und ich möchte nicht unterlaſſen, Ihnen in aller Kürze noch einmal die Gründe vorzutragen, die uns dazu geführt haben, Ihnen dieſe Erhöhung vorzuſchlagen. Uns iſt es auch nicht leicht geworden. Zum Vergnügen, wahrlich, beantragen wir keine erhöhten Grundſteuern. Aber wir ſind der Meinung, daß es ſich nicht umgehen läßt, dem Grundbeſitz in dieſem Jahre dieſe verhältnismäßig geringe Laſt auf⸗ zubürden. (Zuruf: Wieder in dieſem Jahre!) Ich habe geſagt: dieſe verhältnismäßig geringe Laſt. Denn es wurde bereits vorhin berechnet, daß es bei dem Magiſtratsantrage ſelbſt bei einem Beſitz im Werte von 300 000 ℳ für das Jahr im ganzen den Betrag von nur 30 ℳ ausmacht, und daß dieſer Betrag gegenüber einem ſo großen Objekte unzweifelhaft nicht eine Belaſtung iſt, von der man ſagen kann, daß der Hausbeſitzer ſie nicht tragen könne. Wir erkennen ja an, daß der Grundbeſitz wiederholt belaſtet worden iſt. Aber halten Sie ſich, bitte, vor, daß dieſe Belaſtung in allererſter Linie dadurch entſtanden iſt, daß eine Neureviſion des Wertes des Reinertrages der Grundſtücke vor⸗ genommen worden iſt! Und nun will das Unglück, daß dieſe bloß alle 15 Jahre, wie Herr Stadtv. Hirſch ſchon ausführte, vorgenommen wird, und daß nun, da der Grundbeſitz ſehr viel wertvoller geworden iſt, plötzlich auch der Reinertrag ſehr weſentlich erhöht wird und der Nutzungswert der Gebäude weſentlich geſtiegen iſt und infolge davon der Zuſchlag zur Gebäudeſteuer ebenfalls. Die Hausbeſitzer ſollen doch nicht vergeſſen, daß ſie die ganzen Jahre vor dieſer Neureviſion weſentlichen Nutzen gehabt haben, ja ſie ſollen auch nicht ver⸗ geſſen, daß ſie ſelbſt nach der Reviſion auch wiederum noch dadurch Nutzen haben, daß ihnen die hypo⸗ thetariſche Belaſtung ihres Grundſtücks dadurch erleichtert wird, daß ſie erſte Hypotheken in größerer Höhe aufnehmen können, als ſie ſie bislang hatten! Nun, meine Herren, kommt aber ein anderes Moment hinzu, das den Magiſtrat bewogen hat, Ihnen dieſe Erhöhung vorzuſchlagen, und das uns auch heute noch bewegt, nachdem wir von dieſem Kompromiß Kenntnis gehabt haben, unſere Poſition Ihnen gegenüber zu vertreten. Wir haben Ihnen früher nachgewieſen — und das rufe ich Ihnen heute noch einmal kurz in Erinnerung zurück —, daß der Charlottenburger Grundbeſitz ja gar nicht allein Grundbeſitz von Charlottenburgern iſt, daß von dem bebauten Grundbeſitz nur ungefähr zwei Drittel in den Händen von Charlottenburger Bürgern ſind und daß von dem unbebauten Grundbeſitz nur ein einziges Drittel ſich in den Händen hieſiger phyſiſcher Perſonen befindet; die übrigen zwei Drittel des unbebauten Grundbeſitzes befinden ſich in den Händen von Auswärtigen und in den Händen von Geſellſchaften, (Zuruf: Charlottenburger!) und die beiden letzten Kategorien ſind unzweifelhaft in der Lage, dieſe Laſt für den unbebauten Grund⸗ beſitz zu tragen. Wenn wir alſo die Steuer für den Grundbeſitz erhöhen, ſo trifft das nicht, wie hier immer geſagt wird, den Charlottenbürger Bürger allein, ſondern zum ſehr weſentlichen Teil Nicht⸗ Charlottenburger. Das iſt der Grund, weshalb wir der Meinung ſind, Ihnen die Erhöhung der Grund⸗ ſteuer ruhig zu empfehlen. Und, meine Herren, was liegt denn vor, daß wir die Grundſteuer h er a b ſetzen? Sie wollen doch berückſichtigen, daß die einheitliche Grundlage für die Bemeſſung der Beſteuerung des Grund⸗ beſitzes der Nutzungswert iſt, die ſtaatlich veranlagte Gebäudeſteuer, und ich betone, daß wir in dieſem Jahre davon ausgegangen ſind, daß die Relation, die wir bisher feſtgehalten haben, nämlich 100%, Gemeindeeinkommenſteuer, 150% vom bebauten Grundbeſitz, nicht verlaſſen wird, ſondern daß dieſe 150% tatſächlich auch in dieſem Jahre feſtgehalten ſind, und daß lediglich durch die rechneriſche Um⸗ bewertung, dadurch, daß der Reinertrag, d. h. daß der Wert des Grundbeſitzes ſo geſtiegen iſt, ein