Sitzung vom 13. April 1910 Stelle.“ und dann iſt es gut. Meine Herren, ich wollte nur eine kurze Bemerkung noch machen, daß es für die Bau⸗ genoſſenſchaft unmöglich iſt, anders zu bauen als andere Leute. Die Preiſe für die Maurer, Zimmerer und Maler ſind derartig in die Höhe gegangen, daß die Baugenoſſenſchaft auch nichts anderes machen kann. Ich möchte Ihnen das an der Statiſtik nachweiſen. Die Maurer haben 1877 27 ½ », pro Stunde bekommen, 1896 bereits 50 9 und 1908 75 „, pro Stunde. Sie wiſſen ja, es iſt ein Streik unterwegs, und die Leute werden damit durchkommen, daß ſie 85 —, erhalten. (Zuruf des Stadtv. Hirſch.) Die Zimmerleute haben 1871 einen Stundenlohn von 25 „, bekommen, 1896 55 und 1908 ebenfalls 75 , — Ich will Sie nicht weiter mit den Zahlen langweilen. Jedenfalls iſt es unmöglich, daß die Baugenoſſenſchaft anders bauen kann als ein gewöhnlicher Bauherr. Nun wird hier geſagt: die Wohnungen ſind ungeheuer billig. Ich habe Ihnen die Preiſe vorgelegt. Der Durchſchnittspreis der leerſtehenden Wohnungen iſt laut unſern ſtatiſtiſchen Büchern für 2 Zimmer 427 ℳ. — der Durchſchnittspreis! was die Wohnungen der Baugenoſſenſchaft koſten, habe ich Ihnen auch vorhin angeführt —, 444 , 430 ℳ, 426 ℳ; für drei Zimmer iſt der Durch⸗ ſchnittspreis 610 ℳ, ich glaube, ſogar 576 ℳ, ich habe das nicht ganz richtig verſtanden und habe darum ſchon die höhere Summe angenommen, um mir nicht eine Blöße zu geben. Meine Herren, die Preiſe, die die Bau⸗ genoſſenſchaft für ihre Wohnungen nimmt, ſind Preiſe, die ſie das erſte Mal nimmt. Ich hoffe und wünſche der Charlottenburger Baugenoſſen⸗ ſchaft, daß es ihr nicht ſo geht wie den Berliner Baugenoſſenſchaften. Die haben auch erſt die erſten Mieten furchtbar billig angegeben, dann ſind die Leute ausgezogen, es mußten Reparaturen gemacht werden, die Wohnungen ſahen ſchauderös aus — das war natürlich nicht in ihre Kalkulation mit einbegriffen —, und die Preiſe gingen ſelbſt⸗ verſtändlich in die Höhe. Ich hoffe aber, daß es bei der Charlottenburger Baugenoſſenſchaft nicht dahin kommt, ſondern daß ſie die Preiſe wird halten können. Jetzt komme ich zu dem Guthaben. In der Vorlage ſteht: 737 400 ℳ. Wie der Magiſtrat zu dieſer Summe gekommen iſt, verſtehe ich nicht. Hat denn der Magiſtrat nicht die letzte Bilanz geſehen, hat er denn nicht die letzte Bilanz einmal durchgeleſen? Da ſteht gleich ganz oben: Geſchäfts⸗ guthaben unſerer Mitglieder 125 000 ℳ. (Zuruf des Stadtrats Seydel.) — Einzahlungen! Darauf will ich gleich nachher hinaus. Dieſe 125 000 ℳ ſtehen auch noch in der Luft. Das iſt eine Einzahlung, aber was für eine Einzahlung! eine Einzahlung, die jeden Augenblick zurückgezogen werden kann, mit 6 monat⸗ licher Kündigung. Denken Sie ſich an, meine Her⸗ ren: wir geben 500 000 ℳ auf den Schornſtein, gegen eine Sicherheit von 125 000 ℳ. die jeden Augenblick gekündigt werden kann! Das beweiſt die letzte Bilanz. 137 Austritte ſind darin an⸗ gegeben. Das iſt eine ganz hübſche Selbſt⸗ verſtändlich haben die 137 ausgeſchiedenen Ge⸗ noſſen ſofort ihr Geſchäftsguthaben zurückgezogen. Wieviel das ausmacht, weiß ich nicht. Ein Zugang Alſo erlundige dich, ſieh nach, miß aus, 175 iſt im ganzen Jahre nur von 121 Genoſſen vorhan⸗ den. Wenn Sie meinen, daß das eine Genoſſen⸗ ſchaft iſt, die proſperiert, dann verſtehe ich das nicht. Sehr intereſſant war es mir, aus der Vorlage zu entnehmen, wieviel ſtädtiſche Beamte denn eigentlich in Betracht kommen. Das war bei dieſer Genoſſenſchaft niemals zu erfahren. Die Genoſſenſchaft ſegelte immer unter der Flagge Charlottenburger Baugenoſſenſchaft, in der die ſtädtiſchen Beamten ſind, und die hauptſächlich aus ſtädtiſchen Beamten beſtehe uſw. 406 ſtäd⸗ tiſche Beamte ſind darin. Die Genoſſenſchaft verdient gar nicht den Namen Charlottenburger Baugenoſſenſchaft; denn es kann jeder eintreten, ſind doch unter andern darin ſehr viele Arbeiter von Siemens. Das beweiſt ſchon, daß dieſe Genoſſen hauptſächlich darauf gedrungen haben, daß oben auf dem Nonnendamm auf Spandauer Gebiet ein Haus gebaut wird, das jetzt fertig iſt. Die Steuerzahler, die noch bei uns ſind, werden nunmehr von dem Charlottenburger Gebiet auf das Spandauer Gebiet herübergezogen. Und nun, was iſt denn notwendig, um Genoſſe zu werden? Was meinen Sie wohl, meine Herren? Die Genoſſenſchaftsanteile ſind immer 100 bis 300 ℳ, das iſt ſo das gewöhnliche bei Genoſſen⸗ ſchaften, das eingezahlt werden muß. Hier genügt es, wenn ein Genoſſe 1,50 ℳ einzahlt. (Hört! hört!) Wenn das geſchieht, dann iſt er Genoſſe. (Zurufe.) Die Charlottenburger Baugenoſſenſchaft hat ihr ganzes Unternehmen als Sparkaſſe hingeſtellt. Sie hat geſagt: ich gebe euch ſicher 4%, ihr könnt euer Geld einzahlen, wie ihr wollt, wenn ihr mal 6 Monate lang die 1,50 ℳ nicht einzahlt, dann ſchadet es nichts — das ſteht alles im Statut —, dann wird es geſtundet, ſobald ihr Geld habt, könnt ihr es einzahlen. Damit ſind die Leute krebſen gegangen und haben die Werbetrommel furchtbar gerührt. Die Genoſſenſchaft gab ein Flugblatt heraus, worin ſie geſchrieben hat: „Kauft Schuldverſchreibungen der Baugenoſſen⸗ ſchaft! Das Geld, das ihr bei der Sparkaſſe hinter⸗ legt habt, kommt in Geſtalt von Hypotheken⸗ darlehen in die Hände der Bau⸗ und Grundſtücks⸗ ſpekulanten, die daraus die Feſſeln der Grundrente ſchmieden, womit ſie euch gefangen halten, die eure eigenen Spargroſchen dazu benutzen, die Wohnungs⸗ mieten bis ins Unerſchwingliche zu ſteigern! Nehmt euer Geld und bringt es der Baugenoſſenſchaft, ſetzt ſie dadurch in den Stand, geſunde und gute und billige Wohnungen zu errichten; einen beſſern Dienſt könnt ihr euch ſelbſt und eurer Familie nicht erweiſen.“ — Aber nicht genug mit dieſem einen Flugblatt, es wurde ein zweites Werbeſchreiben ausgeſchickt, worin es heißt: „Wenn die 98 878 Sparer, die Ende März d. I. in der hieſigen Sparkaſſe ein Kapital von zuſammen 40 157 000 ℳ angelegt hatten, dieſe Summe unſerer Bau⸗ genoſſenſchaft für den Bau von Wohnungen zur Verfügung ſtellten, dann könnten wir ſchuldenfreie Häuſer mit zuſammen 5750 Wohnungen errichten. Nehmt euer Geld von der Sparkaſſe und gebt es uns für Schuldverſchreibungen!“ — Meine Herren, ich verſtehe es nicht, daß unter den Umſtänden, wo ſolche Dinge vorgekommen ſind, von denen der Magiſtrat unbedingt Kenntnis bekommen haben muß — ein ſtädtiſcher Beamter iſt der Vorſitzende dieſer Baugenoſſenſchaft —, uns trotzdem eine