Sitzung vom 13. April 1910 — — 177 Stadtv. Brode: Meine Herren, mit dieſer zu ſchaffen, dann wäre ich der erſte, der einer Vorlage beabſichtigt der Magiſtrat die Förderung eines gemeinnützigen Unternehmens. Wenn man aber die Begründung lieſt, kann man ſehr ſchwer zu der Überzeugung kommen, daß durch dieſe Vor⸗ lage wirklich der Zweck, d. h. die Förderung eines gemeinnützigen Unternehmens, erreicht wird. Ich glaube, man muß ſich drei Geſichtspunkte klar machen, von denen aus man die Stellungnahme zur Vorlage zu erwägen hat, und zwar handelt es ſich um die Preiſe, um die Qualität der Wohnungen und um die Ständigkeit der Wohaungspreiſe, d. h. die Vermeidung der Mietsſteigerun g. Laſſen Sie uns einmal unterſuchen, meine Herren, ob und inwie⸗ weit der beabſichtigte Z3weck in bezug auf dieſe drei Punkte erreicht werden dürfte. Was die Preiſe anbetrifft, ſo geht die Vor⸗ lage ſehr vorſichtig um dieſen Punkt herum. Es heißt auf der einen Seite: das Preisniveau für derartige Wohnungen ſoll im allgemeinen nicht gedrückt werden —, und anderſeits heißt es: die Erhebungen haben ergeben, daß die Preiſe doch etwas billiger ſind als die Preiſe für gleichartige Wohnungen in der betreffenden Gegend. Mein Herr Vorredner hat ſchon erſchöpfend genug aus⸗ geführt, daß von einem geringeren Preiſe nicht die Rede ſein kann. Wenn ich die hier im Proſpekt angegebenen Preiſe mit den Preiſen unſerer Sta⸗ tiſtik vergleiche und namentlich die entfernt liegende Gegend in Betracht ziehe, ſo muß man zu dem Reſultat kommen, daß tatſächlich von einer Ver⸗ billigung der Wohnungen, die ich den Arbeitern oder Beamten gönnen würde, nicht die Rede ſein kann. Ich bin ſogar davon überzeugt, daß ein tüchtiger Unternehmer, wenn man ihm zu gleichen Bedingungen die Baugelder und Hypotheten geben würde, in der Lage ſein würde, weſentlich Beſſeres zu billigerem Preiſe zu ſchaffen. (Sehr richtig!) Denn darüber müſſen wir uns doch klar ſein, daß eine Baugenoſſenſchaft teurer baut als der einzelne Unternehmer; es geht dort eben etwas mehr aus dem Vollen. Außerdem iſt die Verwaltung auch weſentlich teurer. Der Hausbeſitzer muß heute mit dem Pfennig rechnen. Das tut keine Verwaltung, und das kann keine Verwaltung tun, auch wenn ſie noch ſo gut geleitet iſt. Ich will den betreffenden Herren durchaus nicht nahe treten. Was die Qualität der Wohnungen anbetrifft, ſo liegt mir hier ein Plan vor. Unſer Herr Stadt⸗ baurat wird, glaube ich, dieſen Plan kennen, und er wird wenig Freude an dieſem Plan gehabt haben. Meiner Anſicht nach würde ſich ein Unter⸗ nehmer, der ſeine Wohnungen vermieten will und nicht befürchten will, mit ſeinen Wohnungen ſitzen zu bleiben, hüten, in dieſer Weiſe zu bauen. Faſt durchweg kleine Zimmer, vier Wohnungen an einem Aufgang! uſw. uſw. Was ſchaffen Sie da⸗ mit? Sie ſchaffen ſich Mietskaſernen allergrößten Stils, und das iſt gerade die Wohnungsart, gegen die ſich heute ſämtliche Kreiſe richten. In der Vor⸗ lage heißt es: Wir wollen dem Arbeiter, dem kleinen Beamten ein eigenes Heim ſchaffen. Damit bin ich ſofort einverſtanden. Ich verſtehe aber unter der Schaffung eines eigenen Heims ein kleines Häuschen, in dem ſich höchſtens zwei oder drei bis vier Wohnungen befinden, von einem kleinen Garten umgeben. Wenn es möglich wäre, in der Großſtadt derartige Eigenheimwohnungen Förderung der Baugenoſſenſchaften das Wort reden würde. (Bravo!) Nun heißt es: die Baugenoſſenſchaften ſollen in geſundheitlicher Beziehung vorbildlich wirken. Ich ſehe aus dieſem Plane durchaus nicht, daß Wohnungen geliefert werden, die in geſundheit⸗ licher Beziehung mehr bieten als die Wohnungen, die wir nach unſeren baupolizeilichen Vorſchriften in Charlottenburg bauen müſſen. Finden Sie etwa, daß hier der Hof für eine ſolche Mietskaſerne be⸗ ſonders groß iſt? Ich nicht. Finden Sie, daß ſonſt irgendwie außer der Rollkammer in hygieni⸗ ſcher Beziehung etwas Beſonderes geleiſtet wird? Das iſt meiner Anſicht nach nicht der Fall. Nun wird geſagt: Wir wollen einer Miets⸗ ſteigerung vorbeugen. Ich beſtreite, daß eine Bau⸗ genoſſenſchaft immer in der Lage ſein wird, von einer Mietsſteigerung abzuſehen. Wir können ja gar nicht wiſſen, wie ſich unſere Steuerverhältniſſe entwickeln, was wir im Laufe der Jahre für Grund⸗ ſteuern, was wir für Waſſerkoſten, für Gas, für Müllabgaben zu zahlen haben werden. Ferner kann die Baugenoſſenſchaft auch nicht wiſſen, wieviel Wohnungen ſie frei haben, wieviel Reparaturen ſie haben wird und ob ſie bei den zuerſt eingeſetzten Preiſen auskommt. Was aber die Hauptſache iſt, meine Herren, die ganze Vorlage hängt ja quaſi in der Luft. Es liegt uns kein Projekt vor. Wie ſollen wir denn überhaupt eine Entſcheidung tref⸗ fen! Wir wiſſen gar nicht, wo gebaut werden ſoll. Wir wiſſen nicht, was gebaut werden ſoll, und die Hauptſache: wir haben keine Gewähr dafür, daß die einmal kalkulierten Baukoſten wirklich ein⸗ gehalten werden. Nach den Erfahrungen, die man bei allen Verwaltungen macht und die jeder macht, der einmal gebaut hat, muß man damit rechnen, daß die zuerſt eingeſetzte Bauſumme, auch wenn ſie noch ſo vorſichtig kalkuliert iſt, doch immer über⸗ ſchritten wird. Ob alſo wirklich die Preiſe einge⸗ halten werden, dafür haben wir keine Gewähr. Jetzt komme ich noch zu einigen allgemeinen Geſichtspunkten, ob es überhaupt angezeigt iſt, in einer Großſtadt derartige Beamten⸗, Arbeiterwoh⸗ nungen zu bauen. Da möchte ich doch, ohne daß ich überhaupt auf die Bedürfnisfrage eingehe — denn es iſt ja zur Genüge erörtert worden, daß zurzeit abſolut kein Bedürfnis vorhanden iſt —, anheimgeben, zu überlegen, ob es denn ſolch ein großes Glück für die Beamten iſt, nun auch im Privatleben zuſammen mit ihren Vorgeſetzten unter einem Dache zu wohnen, und ſich gegenſeitig in die Töpfe zu gucken. Was für Mißhelligkeiten können daraus entſtehen, wenn die Kinder des Vor⸗ geſetzten mit den Kindern des Untergebenen, unter Umſtänden auch die Frauen — das kann auch vor⸗ kommen — zuſammengeraten; man weiß, wie leicht es in einem Mietshauſe zu Streitigkeiten unter den Parteien kommt. Unwillkürlich wird die Frau des Vorgeſetzten glauben, mehr beanſpruchen zu können als die Frau des Untergebenen, und ſo wird leicht die Möglichkeit für die Entſtehung von Differenzen gegeben ſein. Ich habe ſelbſt aus Beamtenkreiſen ſchon gehört, daß die Herren aus dieſem Grunde verzichtet haben, in Beamtenwohnhäuſern zu woh⸗ nen. Schließlich will doch der Beamte oder Arbeiter, wenn er ſeine Arbeit erledigt hat, ſein freier Mann ſein und will nicht ſeinem Vorgeeſtzten die Möglich⸗ keit geben, Einblick in ſeine Familienverhältniſſe