178 Sitzung vom 13. zu gewinnen. Alſo von dieſem Geſichtspunkte aus glaube ich, daß den Beamten gar nicht ſoviel daran gelegen ſein kann, in derartigen Häuſern zu wohnen. Was nun die Sparkaſſe anbetrifft, ſo ſtehe ich durchaus nicht auf dem Standpunkt, daß der Magi⸗ ſtrat berechtigt iſt, da die Sparkaſſe ein gemein⸗ nütziges Unternehmen iſt, das Geld zu einem ge⸗ ringeren Zinsfuß wegzugeben, als er ſonſt unter ſicheren Bedingungen auf dem Geldmarkte er⸗ reichen kann. Der Sparer übergibt ſein Geld der Sparkaſſe in der Abſicht und in dem Vertrauen, daß die Sparkaſſe ihm ſoviel Zinſen wie möglich von dem Gelde ſchaffen wird, daß ſie die Kon⸗ junktur des Geldmarktes für ihn ausnutzen wird, und daß ſie nicht, wenn ſie gleich ſichere Anlagen zu 4½, zu 52%, machen kann, einer Genoſſen⸗ ſchaft, welche hofft — man weiß ja nicht, wie das Reſultat ſein wird —, gemeinnützigen Zwecken zu dienen, das Geld zu 312% gibt. Aus allen dieſen Gründen würde ich eigentlich dafür ſein, die Vorlage rundweg abzulehnen. Ich werde aber für die Ausſchußberatung ſtimmen, da ich annehme, daß auch denjenigen Kollegen, die noch im Zweifel darüber ſein ſollten, wie ſie zu ſtimmen haben, im Ausſchuſſe ſoviel Material gegen die Vorlage vorgelegt werden wird, daß an eine Annahme nicht zu denken iſt. (Bravo!) Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine ver⸗ ehrten Herren! Die beiden Herren Vorredner haben geſagt, es ſei ihnen völlig unverſtändlich, wie der Magiſtrat dazu kommen konnte, der Stadt⸗ verordnetenverſammlung eine ſolche Vorlage zu machen wie dieſe. Das liegt augenſcheinlich daran, daß die beiden Herren noch nicht ſo lange in der Stadtverordnetenverſammlung ſind, um wiſſen zu können, daß die Frage der Wohnungspolitik in der Stadt Charlottenburg eine Frage iſt, die die Stadt⸗ verordnetenverſammlung ſeit langen Jahren auf das lebhafteſte bewegt hat, und Veranlaſſung ge⸗ geben hat, daß die Stadtverordnetenverſammlung mit dem Magiſtrat ſchon ſeit langem — ich glaube, der Anfang war vor 10 oder 11 Jahren — ſich bemüht hat, Wege zu finden, um das Wohnungs⸗ elend, das in den Großſtädten anerkanntermaßen beſteht, zu lindern. Wenn der Magiſtrat alſo, ſo möchte ich den beiden Herren Vorrednern ant⸗ worten, dieſe Vorlage eingebracht hat, ſo hat er damit eine Forderung erfüllt, die die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung ſeit Jahren geſtellt hat. Ich bedauere es und wahrſcheinlich auch mit mir viele Herren der Stadtverordnetenverſammlung, daß wir nicht früher zu einer ſolchen Vorlage gekommen ſind, wie wir ſie Ihnen heute unterbreiten. Es hat daran gelegen, daß die Materie eine ſehr ſchwierige iſt, und daß es wegen der Neuheit der Sache, wenigſtens bei uns in Charlottenburg, auch wegen unſerer Verbindung mit Großs⸗Berlin, geboten iſt, vorſichtig die Wege zu wandeln, die wir auf dieſem Gebiete einſchlagen wollen. Meine Herren, die Stadtverord⸗ netenverſammlung hat ſeit Jahren anerkannt, daß ein dringendes Be⸗ dürfnis vorliegt, in dem Wohnungs⸗ weſen Wandel zu ſchaffengegen die Miß ſt än d e, die jeder ſieht und von denen ich wieder nicht verſtehe, um einen Lieblings⸗ ausdruck des Herrn Haack zu gebrauchen, daß e r ſie nicht ſehen kann, obgleich er doch an einer April 1910 hervorragenden Stelle eines Vereins ſteht, der ſich mit Wohnungen berufsmäßig befaßt. Das verſtehe iſch wieder nicht, wie Herr Haack und die Herren um ihn mit geſchloſſenen Augen an dem Woh⸗ nungselend vorbeigehen können, das die Groß⸗ ſtädte im Laufe der Jahrhunderte erzeugt haben. (Sehr richtig! — Zuruf: Aber nicht hier!) Meine Herren, alſo ein Bedürfnis beſteht und iſt von der Stadtverordnetenverſammlung anerkannt. Das Bedürfnis iſt nun aber nicht nur ſo zu ver⸗ ſtehen, wie Herr Haack es verſtanden hat, daß nämlich keine genügende Zahl von Wohnungen für kleine Leute vorhanden ſei — das iſt nur ein Teil des Bedürfniſſes, der zuweilen auftritt, zuweilen nicht. Es iſt eine anerkannte Tatſache, daß ſich mit dem Geldmarkt auch der Wohnungsmarkt ver⸗ ändert und daß wir auf dieſem Gebiete in einer immerwährenden Wellenbewegung leben. Es gibt Jahre, in denen ſich das Geld dem Baumarkt zu⸗ wendet — dann braucht die Induſtrie kein Geld —, und es gibt Jahre, in denen die Induſtrie das Geld verlangt, und dann hat der Baumarkt kein Geld. Dieſe Wellenbewegung iſt Jahre hindurch nachzu⸗ weiſen. Es iſt eine bekannte Tatſache, daß es Jahre gibt, in denen ein Überfluß von Wohnungen vor⸗ handen iſt, und wieder Jahre, in denen ein fühl⸗ barer Mangel daran vorhanden iſt. Dieſe Wellen⸗ bewegung habe ich während meiner Amtszeit in dieſen beinahe 12 Jahren ſchon mehrfach zu beob⸗ achten Gelegenheit gehabt. Wenn wir gegenwärtig in einer für den Baumarkt günſtigen Zeit leben, ſo können wir bei der prinzipiellen Frage, die wir hier löſen wollen, das nicht als Argument gegen den Verſuch der Löſung dieſer Frage anführen: denn wir wiſſen ganz genau, daß es eine vorüber⸗ gehende Erſcheinung iſt, daß wir nach ein oder zwei Jahren das Gegenteil erleben werden. (Widerſpruch.) Die notwendige Reaktion auf eine ſtarke Bautätig⸗ keit iſt immer die, daß die Leute ſich allmählich vom Bauen zurückhalten und daß dann wieder die Wohnungen voll beſetzt werden und nachher wieder ein Mangel an Wohnungen eintritt, wie ich das auch ſchon erlebt habe, derart, daß die Leute vors Rathaus zogen und riefen: „Gebt uns Wohnungen, wir haben keine Wohnung, wir wiſſen nicht, wo wir unterkommen!“ Das, meine Herren, wird auch wiederkommen, (Rufe: Na, na!) und es muß unſere Sorge ſein, derartigen ſchwie⸗ rigen Fällen vorbeugend zu begegnen. Aber, wie geſagt, meine Herren, darin beruht ja nicht das einzige Bedürfnis für die Erſtellung von guten Wohnungen für die ärmeren Klaſſen. In viel höherem Maße liegt das Bedürnifs für Erſtellung guter Wohnungen in dem Umſtande, den ich vorhin mit dem Wort „Wohnungselend“ bezeichnete. Die großen Städte, nicht bloß bei uns in Deutſchland, ſondern in der ganzen Welt, haben nach meiner Anſicht jahrhundertelang geſündigt und mit geſchloſſenen Augen zugeſehen, wie ſchlecht gebaut und gewohnt wurde, ohne einzuſchreiten. (Sehr richtig!) Das ſehen Sie in London, das ſehen Sie in Paris, das ſehen Sie in Groß⸗Berlin. Infolge der neu⸗ zeitlichen Bauordnung iſt das Elend bei uns n Charlottenburg nicht ſo groß geworden, wie es in Paris und namentlich in London iſt. Aber große Übelſtände beſtehen auch bei uns, und es iſt unſere Pflicht, die wir in einer ſozialpolitiſchen Zeit leben