180 Sitzung vom 13. April 1910 Gang in die Gegend der Gasanſtalt, nicht viel] Terrain gekauft, um tauſend Arbeiterwohnungen, daraum gekümmert, wie kleine Leute wohnen. Ich aber weiß es, ich bin in den Wohnungen des Ber⸗ liner Bau⸗ und Sparvereins geweſen und habe eine helle Freude gehabt, wie der Bau⸗ und Sparverein im Gegenſatz zu dem gewöhnlichen Schema unſerer Mietskaſernen baut, ſo daß die Familien ein ge⸗ ſundes, körperlich und ſittlich geſundes Daſein in ihren Wohnungen führen. Jede dieſer Wohnungen wird ſo gebaut, daß ſie zu durchlüften iſt, daß man alſo, wenn man die Fenſter in der Hinter⸗ und der Vorderſtube öffnet, Zug durchlaſſen kann. Jede Wohnung wird ſo gebaut, daß ſie einen beſonderen Abort hat. Jede Wohnung hat ihre beſondere Küche. In keiner Wohnung dürfen Schlafſteller und After⸗ mieter aufgenommen werden. Keine Wohnung darf gekündigt werden, was von ſehr großer Be⸗ deutung iſt. Wenn heute der Baumarkt ſchwächer iſt — das will ich einſchalten —, und die Wohnungen ſind vermietet, und er wird morgen gut, ſo ſchlägt ſofort der Hausbeſitzer mit dem Preiſe auf, erhöht die Miete, und wenn der Arbeiter nicht zahlen kann, dann heißt es: Nun, bitte, hinaus! Dann muß der Arbeiter herauswandern und ſuchen, wo er eine andere Wohnung findet. In den Zeiten gerade, in denen die Hauſſe beginnt auf dem Baumarkt, findet er nur ſchwer oder überhaupt nicht eine Wohnung, die er mit ſeinem Gehalt oder Lohn angemeſſen bezahlen kann. Es iſt alſo auch von außerordentlich großer Bedeutung, daß die Bau⸗ genoſſenſchaften eine Kündigung ausſchließen. Die Bedeutung dieſer Frage wird um ſo größer, je größer die Zahl der Kinder iſt, die ein Arbeiter oder kleiner Beamter hat. Auch das iſt eine Tat⸗ ſache, daß Leute mit 5, 6 Kindern äußerſt ſchwer eine Wohnung bekommen. Kein Hauswirt nimmt ſie gern in ſein Haus auf, weil ihm naturgemäß die Kinder das Haus mehr ruinieren als die Er⸗ wachſenen. Gerade die Familien, die mit großer Nachkommenſchaft geſegnet ſind, finden es ſchwer, bei uns in der Großſtadt gute, angemeſſene Woh⸗ nungen zu erhalten, ſie müſſen entweder eine teure Miete bezahlen, die in keinem richtigen Verhält⸗ niſſe zu ihren Einnahmen ſteht, oder ſich mit elenden Räumlichkeiten behelfen. Das wollen wir ver⸗ hüten, und das verhüten auch die Bau⸗ und Spar⸗ vereine. Die Mietspreisſteigerung iſt bei ihnen ausgeſchloſſen, und die Kündigung iſt ausgeſchloſſen. In dieſen Wohnungen des Berliner Bau⸗ und Spar⸗ vereins findet man ein Behagen in den Familien, das ſich ſofort auch äußerlich ausdrückt. Die Frau weiß: hier bleibſt du wohnen; ſie richtet infolge⸗ deſſen ihr Heim ganz anders ein als eine Frau, die jeden Monat erwarten kann, daß ihr gekündigt wird, ſie macht es behaglich und traulich. Der Familienſinn im guten Sinne wird geweckt. Der Mann bleibt zu Hauſe und geht nicht, wie aus der unbehaglichen Wohnung, in die Kneipe, ſondern ſitzt gern zu Hauſe mit ſeiner Familie. Das ſind nicht erfundene Dinge, das iſt mir von den Frauen an Ort und Stelle freudig erklärt worden, wie eine Wandlung eingetreten iſt in dem ganzen Familien⸗ ſinn, dadurch, daß. ſie eine gute, behagliche Woh⸗ nung erhalten haben. Der Bau⸗ und Sparverein, meine Herren, hat ſolche guten Dinge geſchaffen, er iſt hier vorbildlich geweſen. Herr Haack irrt ſich vollſtändig, wenn er meint, der Bau⸗ und Spar⸗ verein habe ſchlechte Geſchäfte gemacht. Im Gegen⸗ teil, der Bau⸗ und Sparverein hat ſich unendlich weit ausgedehnt, er hat hier in Charlottenburg ein die ſo hergeſtellt ſind, wie ich ſagte, zu erſtellen; von dieſen ſind, glaube ich, 600 bis 700 ſchon fertig, die übrigen werden noch gebaut werden. Alſo, Herr Haack iſt falſch berichtet, wenn er annimmt, daß die Berliner Baugenoſſenſchaften, welche die Sache verſtehen, ſich in ſchwieriger Poſition be⸗ finden. (Stadtv. Haack: Einige, nicht alle!) Meine Herren, ſchon meine bisherigen Aus⸗ führungen werden Ihnen einigermaßen zum Be⸗ wußtſein gebracht haben, daß ich in der Lage bin, es zu verteidigen, daß ich dieſe Vorlage unter⸗ ſchrieben habe. Ich ſchäme mich deſſen nicht und übernehme gern dafür die Verantwortung. Ich hoffe, daß die näheren Ausführungen, die wir in der Ausſchußberatung machen werden, auch die Gegner überzeugen werden, daß wir den richtigen Weg gegangen ſind und daß man mir keine Vor⸗ würfe machen kann, daß ich dieſe Magiſtratsvorlage unterſchrieben habe. Auf die einzelnen Sachen, die Herr Haack vorgebracht hat, kann ich heute un⸗ möglich eingehen, das würde Ihre Zeit zu ſehr in Anſpruch nehmen. Wir im Magiſtrat ſind aber gern bereit, mit Ihnen alle die Einwendungen, die er gemacht hat, im Ausſchuß durchzugehen und ihm unſerſeits nachzuweiſen, inwieweit er ſich ge⸗ irrt hat und inwieweit wir recht haben. Ich bitte Sie, meine Herren, mit Vertrauen und nicht mit einem ſolchen Mißtrauen, wie die beiden Herren es vorhin der Vorlage entgegengebracht haben, in die Ausſchußberatung einzutreten, von der ich an⸗ erkenne, daß ſie dringend notwendig iſt. Denn die Herren haben manche Dinge hervorgehoben, die einer näheren Erläuterung, als ſie in der Vorlage gemacht werden konnte, bedürfen, und wir werden Ihnen dieſe Erklärungen gern geben. (Bravo!) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Es iſt mir mitgeteilt worden, daß, als der Herr Oberbürger⸗ meiſter von der Unterſtützung ſprach, die die Stadt dem Ledigenheim angedeihen läßt, Herr Kollege Haack ſich den Zwiſchenruf erlaubt habe: „Ver⸗ brecherneſt“. Ich habe dieſen Zwiſchenruf nicht gehört. Wenn ich ihn aber gehört hätte — unter der Vorausſetzung, daß er wirklich geſchehen iſt —, ſo würde ich Sie haben zur Ordnung rufen müſſen. (Stadtv. Haack: Ich bitte ums Wort!) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, das, glaube ich, haben auch die Herren Kollegen Haack und Brode vom Herrn Oberbürgermeiſter nicht verlangt, daß er ſich ſchämen und ſein Haupt in Sack und Aſche hüllen ſolle, weil er die Vorlage unterſchrieben hat. Die Herren haben nur zunächſt prinzipielle Be⸗ denken gegen die Vorlage erhoben und dann eine Reihe von ganz beſtimmten Einwendungen vor⸗ gebracht, die meines Erachtens in der Kommiſſion nachzuprüfen ſind. Wenn etwas erfreulich an der Vorlage iſt, ſo iſt es die Tatſache, daß nun endlich einmal wieder die Wohnungsfrage, die ſo lange Jahre hier in Charlottenburg geſchlafen hat, auf⸗ gerollt worden iſt, daß wir nunmehr endlich einmal wieder die Möglichkeit haben, uns mit dieſer für die Allgemeinheit ſo wichtigen Frage eingehender zu beſchäftigen. Der Herr Oberbürgermeiſter hat ja recht, daß das, was die Vorlage uns bietet, nichts Neues iſt. Es iſt im Grunde genommen nur die Erfüllung eines ſchon vor langen Jahren ge⸗ gebenen Verſprechens. Ich laſſe hier die Frage