182 Sitzung vom er mir zugeben, daß durch gemeinnützige Bau⸗ genoſſenſchaften hier ſehr viel Arbeit geleiſtet werden kann, die zur Entlaſtung des ſtädtiſchen Etats bei⸗ trägt. — Das ſind natürlich nur allgemeine Mo⸗ mente, die ich hervorhebe. Ich habe von der Ge⸗ noſſenſchaft, die uns augenblicklich beſchäftigt, nicht geſprochen. Herr Haack begeht weiter den großen Fehler, daß er nur die augenblicklichen Zuſtände heran⸗ zieht. Gewiß, augenblicklich kann man nicht ſagen, daß wir in Charlottenburg eine Wohnungsnot haben, abgeſehen von der latenten Wohnungsnot, die ja dauernd in allen großen Städten beſteht. Aber die Zeiten können ſich ſehr leicht ändern, und wenn man die Bewegung auf dem Wohnungs⸗ martt verfolgt, wird man finden, daß jedesmal, wenn wir eine wirtſchaftliche Kriſis haben, ein Uberfluß an Wohnungen vorhanden iſt, daß aber mit dem Augenblick, wo die Proſperität einſetzt, der Uberfluß an Wohnungen abnimmt, und daß am Ende der Proſperitätsperiode eine Wohnungs⸗ not vorhanden iſt. Das ſind Erſcheinungen, die ſich faſt regelmäßig mit mathematiſcher Gewißheit wiederholen, und man kann mit ziemlicher Be⸗ ſtimmtheit darauf rechnen, daß, wenn die jetzt ein⸗ ſetzende, beſſere wirtſchaftliche Konjunktur ihren Höhepunkt erreicht hat, dann in Charlottenburg auch wieder eine Wohnungsnot vorhanden iſt. Das kommt daher, daß zahlreiche Induſtriearbeiter in die Großſtädte ziehen, daß eine große Nachfrage nach Wohnungen vorhanden iſt und infolgedeſſen natürlich die Mietpreiſe ganz gewaltig in die Höhe gehen, denn die Wohnungsnot be darin, daß man überhaupt keine Wohnung finden kann, ſondern auch darin, daß ich keine Wohnung finden kann, die meinem Einkommen entſpricht. — Bei der Gelegenheit darf ich vielleicht Herrn Haack auf einen Irrtum aufmerkſam machen. Er ſagte, daß im allgemeinen der ſiebente Teil des Einkom⸗ mens für Wohnungsmiete gerechnet wird. Das trifft für mittlere Einkommen zu, aber nicht für die Eintommen der Arbeiterklaſſe. Die Arbeiter können damit rechnen, daß ſie durchſchnittlich mindeſtens den vierten Teil ihres Einkommens für Wohnungs⸗ miete ausgeben. (Zuruf: Den fünften Teil!) Je höher das Einkommen iſt, deſto geringer iſt der Prozentſatz, den wir für die Wohnungsmiete aus⸗ zugeben haben. Auch inſofern ſind alſo die Aus⸗ führungen des Herrn Haack nicht richtig. — Ich ſagte alſo, daß wir augenblicklich in Charlottenburg eine große Wohnungsnot nicht haben. Aber es iſt Aufgabe der Stadtgemeinde, auch für die Zu⸗ kunft zu ſorgen und vorzubeugen für die Zeit, wo etwa eine Wohnungsnot entſtehen könnte. Auf Einzelheiten, die Herr Haack noch ange⸗ führt hat, möchte ich hier nicht eingehen. Ich glaube, dazu wird in der Kommiſſion der Ort ſein. Man ſoll aber doch eine Vorlage wie die uns hier be⸗ ſchäftigende, die — das werden doch auch die Gegner zugeben — von einer gewiſſen ſozial⸗ politiſchen Bedeutung iſt, nicht durch ſolche Argu⸗ mente bekämpfen, wie ſie Herr Haack angeführt hat. Was hat die Steigerung der Maurerlöhne von 1871 bis jetzt mit dieſer Vorlage zu tun? Doch abſolut nichts. Was will es denn ſagen, wenn Herr Haack auf die Maurerlöhne ſeit 1871 hinweiſt. Ebenſo hätte er die Löhne der Maurer und der Bau⸗ handwerker aus dem Mittelalter anführen können. (Heiterkeit.) ſteht nicht nur 13. April 1910 Ich weiß wirklich nicht, was das mit der Vorlage, die uns beſchäftigt, zu tun hat. Ebenſo wenig hat es mit der Vorlage etwas zu tun, wenn Herr Haack — allerdings in vollkom⸗ mener Verkennung der Verhältniſſe — von einem bevorſtehenden Stre ik im Baugewerbe ſpricht. Wenn Herr Haack die Zeitungen lieſt und ſich um die Angelegenheit kümmert, ſo wird er doch zu⸗ geben, daß man bisher nur immer etwas von drohender Ausſperrung im Baugewerbe ge⸗ leſen hat. Vielleicht gehen diejenigen, die an der Erzeugung einer tünſtlichen Wohnungsnot in⸗ tereſſiert ſind, abſichtlich darauf aus, durch die Arbeiterausſperrung eine Wohnungsnot herbei⸗ zuführen und dann auf die böſen Arbeiter zu ſchimpfen. (Heiterkeit.) Das Manöver kennt man ja. Man weiß ja, welches falſche, niederträchtige Spiel von einer gewiſſen Seite — natürlich nicht hier im Hauſe — von ge⸗ wiſſen Unternehmerkreiſen getrieben wird. Die Arbeiter werden auf das Pflaſter geworfen, die Bauten werden nicht fertig gemacht, es entſteht eine Wohnungsnot, und dann heißt es: ja, daran ſind die Arbeiter ſchuld! — ſchuld inſofern, als ſie ſich nicht alles von den Unternehmern gefallen laſſen wollen. Ich halte es doch für nötig, in dem erſten Augenblick, wo hier der Anfang gemacht wird, ſolche Märchen zu verbreiten, dem ganz energiſch entgegenzutreten. Ferner hat Herr Haack nicht die Vorteile hervor⸗ gehoben, die die Mieter in Genoſſenſchaftshäuſern haben. Gewiß, die Mietspreiſe ſind nicht geringer als ſonſt, wenigſtens nicht viel geringer. Aber das allein iſt nicht ausſchlaggebend. Es kommen an⸗ dere Momente in Betracht, vor allem das Moment, daß die Leute, die in den Genoſſenſchaftshäuſern wohnen, ein gewiſſes Gefühl der Sicherheit haben, ſie brauchen nicht zu fürchten, bei jedem Kündigungs⸗ termin geſteigert und eventuell vom Wirt auf die Straße geworfen zu werden. Das ſpielt gerade bei den kleinſten Leuten eine ganz gewaltige Rolle. Die kleinen Leute müſſen ſich die Mietsſteigerung gefallen laſſen, weil ein Umzug gewöhnlich noch teurer iſt als der Preis, um den die Wohnungs⸗ miete ſteigt. Die anderen Vorteile, die die Mieter in Genoſſenſchaftshäuſern haben, finden Sie in der Vorlage ſelbſt angegeben. Ich brauche darauf nicht einzugehen. Dann hat Herr Brode gemeint, man ſolle überhaupt in einer Großſtadt keine Arbeiter⸗ und Beamtenwohnungen ſchaffen, denn die Beamten würden in ſolchen Häuſern leicht von ihren Vor⸗ geſetzten kontrolliert werden. Ach, meine Herren, ſo ſchlimm iſt es nicht. Gewiß, wir wollen ja auch keine Wohnungen für Beamte und Arbeiter haben, in denen dieſe Kategorien unſerer Mitglieder unter eine Kontrolle geſtellt werden, gleichviel unter welche Kontrolle. Aber fürchtet man denn wirklich, daß die hohen Beamten in dieſe Wohnungen ziehen? Glauben Sie wirklich, der Herr Oberbürgermeiſter wird in die Wohnung ziehen und dort vielleicht die Gasarbeiter beobachten? (Heiterkeit.) Sie können ſicher ſein, daß ein ſolcher Fall nicht eintritt. Es ſind gewöhnlich die gleichen Beamten⸗ kategorien, die dort wohnen. Gewiß, Neid und Miß⸗ gunſt ſpielen immer eine Rolle; beobachtet werden die Leute auch, aber das paſſiert nicht nur in Ge⸗ noſſenſchaftshäuſern, ſondern überall in den Miets⸗