Sitzung vom 13. April 1910 183 kaſernen, in denen wir zu wohnen gezwungen ſind. unſeres Volkes es nicht rechtzeitig verſtanden hätten, Wollen Sie das aus der Welt ſchaffen, dann, meine Herren, müſſen Sie eben überhaupt das Miets⸗ kaſernentum bekämpfen, und ich glaube nicht, daß Herr Kollege Brode bereit iſt, die Hand dazu zu geben. (Stadtv. Brode: Natürlich!) Anerkennen will ich, daß Herr Kollege Haack ſich koloſſale Mühe gegeben hat, Gründe gegen die Vorlage zu ſammeln. Ich habe aus ſeinen Aus⸗ führungen entnommen, daß er ganz Charlottenburg abgelaufen iſt und eine Art Wohnungsnachweis etabliert hat. Ich habe während ſeiner Rede den feſten Entſchluß gefaßt, wenn ich wieder gezwungen ſein ſollte, auszuziehen, mich an ihn zu wenden und ihn zu bitten, mir eine gute und billige Wohnung zu beſorgen. Er ſcheint ja auf dieſem Gebiete ſehr informiert zu ſein. (Heiterkeit.) Aber wir andern, die wir gezwungen ſind, Woh⸗ nungen mieten zu müſſen, wir haben nicht das Glück, wir müſſen ſehr lange herumlaufen, ehe wir eine einigermaßen preiswerte und geſunde Woh⸗ nung finden. Meine Herren, ich will auf die zahlreichen Be⸗ denken, die meine Freunde gegen die Vorlage im einzelnen haben, nicht eingehen. Ich kann nur erklären, daß wir bereit ſind, in der Kommiſſion an die Prüfung der Vorlage heranzugehen, und daß es ganz von dem Ergebnis dieſer Prüfung abhängen wird, ob wir der Vorlage zuſtimmen oder nicht. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, wie die Herren Kollegen Brode und Haack möchte ich auch nur für meine Perſon ſprechen. Ich will mich ſehr kurz faſſen. Die Betrachtung der ganzen Vorlage kann man meines Erachtens nicht nur von dem ſpeziellen! Standpunkt aus vornehmen: wie verhält ſich dieſe Genoſſenſchaft in finanzieller Richtung, wie liegt die Gegend, wo das Haus ge⸗ baut werden ſoll uſw. —, ſondern man m u ß die Vorlage zunächſt von allgemei⸗ neren Geſichtspunkten aus be⸗ tracht en. Die Herren Gegner der Vorlage, die vorhin geſprochen haben, haben ja eine ganze Reihe von Einzelgründen angeführt, die gegen eine ſolche Unterſtützung dieſer Baugenoſſenſchaft durch den Magiſtrat, durch die Stadt ſprechen. Ich muß aber ſagen, dieſe Einzelpunkte, die ſie aufgeführt haben und die bis zum gewiſſen Grade ihre Berechtigung haben mögen, jedenfalls aber im Ausſchuſſe näher geprüft werden müſſen, waren doch eigentlich, wie mir ſchien, nicht das Grund⸗ motiv ihrer ablehnenden Stellung. Durch die ganzen Darlegungen klang doch hindurch die prin⸗ zipielle Gegnerſchaft gegen die Unterſtützung der Baugenoſſenſchaft. Demgegenüber hat ja der Herr Oberbürgermeiſter ſchon mit Recht eine große Reihe von grundſätzlichen Momenten betont, die für eine Unterſtützung der Baugenoſſenſchaften ſprechen. Wenn jetzt behauptet wird: wir leben in einer Zeit, wo viele Wohnungen frei ſind, wo die Mieten relativ niedrig ſind, ſo mag das teil⸗ weiſe richtig ſein. Aber, meine Herren, wodurch iſt das letztere erreicht worden? Glauben Sie denn, daß die Mieten den jetzigen Stand haben würden, wenn Staat, Reich, Kommunen, wenn überhaupt die Selbſthilfe der einzelnen Kreiſe gegen die früheren Verhältniſſe Front zu machen? (Zuruf: Ja!) Nein, meine Herren, ich glaube, Sie irren ſich darin. Wir würden ganz andere Verhältniſſe haben, wenn nicht dieſe Selbſthilfe, wenn nicht das Eintreten der größeren Körperſchaften ſtatt⸗ gefunden hätte. In dieſem Eintreten, in der Unterſtützung der Baugenoſſenſchaften uſw. iſt eine gewiſſe Korrektur für ein zu ſtarkes Steigen der Mieten gegeben. Natürlich nur bis zu einem gewiſſen Grade; denn Sie müſſen ſelber zugeben: der Teil der Häuſer, der ſeitens der Baugenoſſen⸗ ſchaften gebaut worden iſt, iſt doch nur verſchwindend gering gegenüber der geſamten Bautätigkeit. Wenn beſonders die Zahl der leerſtehenden Wohnungen von Ihnen hervorgehoben wird, die wir ja ſicherlich alle bedauern, ſo iſt doch dem⸗ gegenüber die Verweigerung einer ſolchen Unter⸗ ſtützung im allgemeinen nicht dasjenige, was helfen kann. Sie müßten dann eben konſequent ſein und müßten in Ihren Vereinigungen, deren Intereſſe Sie beſonders vertreten wollen, dahin wirken, daß überhaupt nicht weiter gebaut wird. Dann müßten Sie den Bauſpekulanten ſagen: hört nun einmal auf und ſucht euch andere Gegenden, hier haben wir genug Häuſer. Dann mögen Sie auch Ihren Einfluß auf die Banken ausüben, daß die Baugelder nicht gegeben werden. Vor allen Dingen mögen Sie diejenigen, die gerade auf Spekulation bauen, die, wenn ein Haus fertig iſt, es in andere Hände abſchieben, mit möglichſt großem Vorteil, unter Umſtänden auch mit nicht ſchönen Manipulationen — wir hören ja ſo oft: ich bin hereingefallen, habe das Haus übernehmen müſſen —, dazu veranlaſſen, daß nicht weiter gebaut wird. Dann werden nicht ſo viele Wohnungen gebaut werden und werden auch nicht ſo viele Wohnungen leer ſtehen. Im allgemeinen Intereſſe der Einwohnerſchaft liegt das allerdings nicht, aber im ſpeziellen Intereſſe der genannten Kreiſe. Das wäre ein Mittel, das wirken könnte. Das Mittel jedoch, die Baugenoſſenſchaften überhaupt nicht zu unterſtützen, wäre meines Erachtens nicht ein ſolches, das in dem Sinne, den Sie im Auge haben, wirken könnte. Meine Herren, die Not, die jetzt bei den Grund⸗ beſitzern beſteht — dieſer Punkt iſt noch nicht her⸗ vorgehoben worden, und das möchte ich beſonders betonen —, iſt doch auch dadurch hervorgerufen, daß Charlottenburg eine Stadt mit aufſtrebender Entwicklung iſt, daß wir vor allen Dingen in einer Zeit leben, wo ganz ungeheure Anforderungen in hygieniſcher und künſtleriſcher Beziehung geſtellt werden und wo infolgedeſſen die alten Viertel, die unſere Stadt noch immer in ſich birgt, natur⸗ gemäß in ihrem Mietsertrag weſentlich herabgehen müſſen, wo das Vermieten bei den alten Häuſern immer ſchwieriger wird. Wer geht denn heute noch in Häuſer hinein, die vor 30 Jahren gebaut worden ſind! Das will keiner; keiner will in ein Haus hineinziehen, das womöglich erſt vor 10 Jahren gebaut worden iſt. Jeder will ſich die neueſten Errungenſchaften in ſeiner Wohnung zunutze machen. Die Beſitzer der alten Häuſer aber ſind natürlich oft nicht kapitalkräftig genug, um ihre Häuſer in neue Häuſer umzubauen. Das iſt doch ein weſentliches Moment, das für viele Hausbeſitzer heute manchmal ſogar verhängnisvoll wird. Ich bin der Meinung, es müſſen heute von ſeiten der