Sitzung vom 13. April 1910 187 möglich gemacht worden iſt, im Ausſchuß mitzu⸗ Die weſentlichſte und wichtigſte Anderung betrifft arbeiten. Ich möchte noch dazu bemerken, daß ich nicht prinzipieller Gegner der Vorlage bin. Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Wir kommen nun zu Punkt 13 der Tagesordnung: Bericht des Ausſchuſſes über die Borlage betr. Niederſchlagung von Gemeindeabgaben. — Druck⸗ ſachen 66 und 97. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Flatau: Meine Herren, die Ausſchußberatungen, über die ich zu berichten habe, betreffen eine Materie, — die Niederſchlagung rechtskräftig veranlagter Ge⸗ meindeabgaben —, die einer ſachgemäßen und zugleich den beſtehenden Geſetzesbeſtimmungen genau entſprechenden Ausgeſtaltung ziemliche Schwierigkeiten bereitet. Mit dem Beſteuerungs⸗ recht der Gemeinden iſt, wie mit jeder Hand⸗ habung der Steuerhoheit, ſelbſtverſtändlich die Möglichkeit verknüpft, daß im Einzelfalle das Buchſtabenrecht mit der Billigkeit in Widerſtreit gerät. Die öffentliche Meinung iſt ja von Alters⸗ her ein wenig geneigt, gerade dem Steuerfiskus ob ſeine Leitung nun in den Händen des Staates oder einer Kommune liegt, diejenige Anwendung der Geſetze zuzuſchreiben, für die man das bekannte Wort geprägt hat: fiat justitia, pereat mundus: Recht muß ſein, mag darüber — wenn auch nicht gleich die ganze Welt, ſo doch unter Umſtänden der einzelne Steuerzahler zugrunde gehen! Auf der andern Seite darf man nicht überſehen, daß eine jede über den Rahmen des Geſetzes hinausgehende Freilaſſung von Steuern zugleich eine Mehr⸗ belaſtung der Geſamtheit aller Steuerpflichtigen darſtellt, überdies nur zu leicht den Schein her⸗ vorrufen kann, als ob es ſich um eine einſeitige Begünſtigung handle⸗ Die Magiſtratsvorlage iſt mit einer durch dieſe allgemeinen Erwägungen wohl gerechtfertigten Vorſicht an die Aufgabe gegangen, gegen gewiſſe beſonders ſchroffe Härten unſeres Steuerveranla⸗ gungsverfahren und Steuerprozeſſes Abhilfe zu ſchaffen. Inſoweit hierbei Wege gegangen werden konnten, die ſchon von unſerm höchſten Verwal⸗ tungsgericht vorgezeichnet oder durch ältere An⸗ weiſungen des Finanzminiſters gegeben waren, bewegt ſich die Vorlage auf gebahnten Pfaden. Zum anderen Teile, inſoweit es an geeigneten Vorbildern bei anderen Kommunen und anderen Inſtanzen fehlte, hat ſich der Magiſtrat in ſeiner Vorlage, der Ausſchuß bei ſeinen Beſchlüſſen ein wenig als Pfadfinder verſuchen müſſen, und ich möchte den Ausſpruch wagen, daß die Vorlage, wie ſie Ihnen in der Abänderung durch die Be⸗ ſchlüſſe des Ausſchuſſes jetzt vorliegt, tatſächlich einen Weg geht, der ſich ebenſo weit von Buch⸗ ſtabengerechtigkeit wie von Willkür fernhält. Dabei darf ich betonen, daß die Magiſtrats⸗ vorlage in ihren drei Teilen Beſtimmungen zu⸗ ſammengefaßt hat, die, inhaltlich von einander verſchieden, das eine Gemeinſame haben, daß gegenüber einer rechtskräftig feſtgelegten ſteuer⸗ lichen Belaſtung ein Weg eröffnet werden ſoll, dieſe Belaſtung aus materiellen Gründen aufzu⸗ heben. Der Ausſchuß hat bezüglich des dritten Teiles der Magiſtratsvorlage Anderungen über⸗ haupt nicht für nötig erachtet. Bei dem erſten Teile hat er einige kurze Streichungen vorgenommen. den zweiten Teil, bei dem ein im weſentlichen neuer geſetzgeberiſcher Verſuch unternommen worden iſt. Der erſte Teil der Magiſtratsvorlage führt das Rechtsmittel der Wiedereinſetzung in den vorigen Stand ein: zugunſten derjenigen Steuerpflichtigen, die durch unverſchuldete Zufälle an der Wahrung von Rechtsmittelfriſten verhindert worden ſind. In dieſer Beziehung ſchafft die Magiſtratsvorlage keine Anderung des beſtehenden Rechtszuſtandes; das Oberverwaltungsgericht hat bereits im Wege einer ausdehnenden und wohlwollenden Inter⸗ pretation der vorhandenen Geſetze auf dieſem Gebiete allgemein das Rechtsmittel der Wieder⸗ einſetzung in den vorigen Stand eingeführt. Die Magiſtratsvorlage beſchränkt ſich darauf, in ihrem erſten Abſchnitt die Grundſätze des Oberverwal⸗ tungsgerichts nochmals zu formulieren. Das iſt um ſo weniger bedenklich, als, wenn wir uns im Einzelfalle gegen dieſe Grundſätze nicht zuſtimmend verhalten wollten, ſie uns doch im Wege des In⸗ ſtanzenzuges auferlegt werden würden. Es iſt ein Vorteil, daß die Vorlage jetzt einen klaren und feſten Rechtsboden ſchafft. Aus dieſem Grunde hat der Ausſchuß auch vorgeſchlagen, die beſondere Be⸗ zugnahme auf die gegenwärtige Rechtſprechung des Oberverwaltungsgerichts aus dem erſten Ab⸗ ſchnitt der Vorlage herauszubringen, weil die betreffenden Worte unter Umſtänden einmal in Zukunft eine Quelle von juriſtiſchen Zweifeln werden könnten, falls nämlich, was ja nicht aus⸗ geſchloſſen iſt, einmal die Rechtſprechung des Ober⸗ verwaltungsgerichts in dieſem oder jenem Punkte einen Wandel erfahren ſollte. Der letzte, im Ausſchuß ganz unverändert ge⸗ laſſene Abſchnitt der Magiſtratsvorlage betrifft die Niederſchlagung von Gemeindeeinkommen⸗ ſteuerbeträgen in dem Falle, daß die Einziehung eine Gefährdung der wirtſchaftlichen Exiſtenz des Steuerpflichtigen herbeiführen würde oder die Beitreibung ſelbſt ausſichtslos erſcheint. In dieſer Beziehung ſchließt ſich die Vorlage wieder an die Beſtimmungen an, die für die ſtaatliche Beitrei⸗ bung der Einkommenſteuer bereits in Betracht kommen. Es iſt Ihnen bekannt, daß auf dem ganzen Gebiete der engſte Zuſammenhang zwiſchen Staatseinkommenſteuer und Gemeindeeinkommen⸗ ſteuer vorhanden iſt, woraus hier nur die Kon⸗ ſequenz gezogen wird. Ich betone dabei, daß nach unſerer Vorlage die Niederſchlagung ſolcher Ge⸗ meindeeinkommenſteuerbeträge außer an die be⸗ reits von mir wiedergegebenen zwei Vorausſetzungen ausdrücklich daran geknüpft iſt, daß vorher eine Niederſchlagung auch der Staatseinkommenſteuer erfolgte. Ich muß ſagen, daß gerade dieſer Punkt irgendwelche Beſorgniſſe, die man etwa gegen eine zu weit⸗ oder zu weichherzige Auslegung der Beſtimmungen hegen könnte, gründlich beſeitigt. Meine Herren, der preußiſche Staatsfiskus hat von jeher ſeinen Ruhm darein geſetzt, der „Mann mit den zugeknöpften Taſchen“ zu ſein, und wenn je⸗ mand auf den Gedanken kommen ſollte, daß in dieſen Grundſätzen künftig einmal Wandel ein⸗ treten könnte, ſo genügt es, einen Blick in die Aus⸗ führungsanweiſung des preußiſchen Finanzmi⸗ niſters zu dem in Betracht kommenden Para⸗ graphen zu werfen — ich glaube, es iſt § 65 des Einkommenſteuergeſetzes über die Niederſchlagung von Staatseinkommenſteuerbeträgen. Da wird