188 man finden, daß der Staat die Niederſchlagung, die auch für uns maßgebend iſt, keineswegs als einen endgültigen Erlaß anſieht, ſondern ausdrück⸗ lich nur als eine vorläufige Abſtandnahme von der Einziehung der betreffenden Beträge, wobei die Behörden beſonders darauf hingewieſen werden, daß ſie die Pflicht haben, durch rechtzeitige Mah⸗ nungen und ſonſtige Rechtsmittel zu verhüten, daß eine Verjährung der geſchuldeten Steuer⸗ beträge eintrete. In dieſer Beziehung alſo haben wir ſchon dank der Bevormundung durch die Staats⸗ einkommenſteuerbehörde nicht das geringſte für die Finanzen unſerer Stadt zu befürchten. Neues Recht bringt uns und einen neuen Weg beſchreitet eigentlich nur der zweite Teil der Magiſtratsvorlage, indem dort eingeführt wird: die Stadt ſoll berechtigt und verpflichtet ſein, rechtskräftig zugeſprochene Beträge an Steuern Abgaben und Gebühren zurückzuerſtatten bezüglich zu erlaſſen, und zwar, wenn ich den allgemeinen Gedanken voranſchicken ſoll — in den Fällen, wo ihr dieſe Gebühren und Steuern materiell unbe⸗ rechtigter Weiſe zugefallen ſind oder wo ſie ohne materiellen Rechtstitel durch eine zweimalige Ein⸗ ziehung desſelben Betrages ſich bereichern würde. Die materiellen Grundſätze dieſes zweiten Aba⸗ ſchnitts haben zu Bedenken im Ausſchuſſe keine Gelegenheit gegeben. Ich darf auch feſtſtellen, daß ſie in Übereinſtimmung ſtehen mit den jetzt gel⸗ tenden allgemeinen Grundſätzen des Zivilrechts über Schuldhaftung, insbeſondere auch darin, daß eine Rückerſtattungspflicht der Gemeinde nicht ein⸗ treten ſoll, wenn ein Mitverſchulden des Steuer⸗ pflichtigen oder einer dritten Perſon — als ſolche kann ja wohl nur der Vertreter des Steuerpflich⸗ tigen oder ein Rechtsvorgänger oder Rechtsnach⸗ folger in Betracht kommen — feſtgeſtellt wurde, daß ſie dagegen eintritt, wofern die Veranlagung und Feſtſetzung der Steuer nur durch ein Verſehen der Beamten der Stadt herbeigeführt worden iſt. Alles das entſpricht, wie geſagt, den allgemei⸗ nen Rechtsgrundſätzen; es entſpricht auch der Billig⸗ keit. Auf der andern Seite läßt ſich nicht verkennen, daß ein Moment, welches der Herr Oberbürger⸗ meiſter bei der erſten Beratung dieſer Vorlage im Plenum vorgebracht hatte, durchaus zutrifft: daß die Anwendung dieſer wohlerwogenen Leitſätze auf den Einzelfall ein gewiſſes Moment der Un⸗ ſicherheit mit ſich bringt und daß es daher ſehr weſentlich darauf ankommen wird, die richtige In⸗ ſtanz zu finden, die dieſe Leitſätze anzuwenden be⸗ rufen iſt und aus dieſen Leitſätzen beſtimmte feſte Grundſätze heraus geſ ſäßen auch jeder Zeit feſthält, unabhängig, ich möchte ſagen, von wechſelnden Stimmungen und Abſtimmungen. Aus dieſen Erwägungen heraus erſchien es dem Ausſchuß in der Tat richtig, daß nicht eine größere Körperſchaft — ebenſo wenig der Magiſtrat in ſeiner Geſamtheit wie die Stadt⸗ verordnetenverſammlung als ſolche — die zu⸗ ſtändige Inſtanz zur Handhabung dieſer Leitſätze ſein kann, daß vielmehr ein kleines Kollegium die richtige, hierzu am beſten qualifizierte Behörde darſtellen würde. Der Gegenſatz aber, der ſchon einmal im Plenum zutage trat, hat ſich auch in die Ausſchußberatung hinein fortgeſponnen. Die Kon⸗ troverſe, ob dieſes kleine Kollegium ausſchließlich aus Vertretern des Magiſtrats oder aus Vertretern des Magiſtrats und der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung gebildet werden ſoll, iſt, wie Sie aus dem taltet, — an dieſen Grund⸗ Sitzung vom 13. April 1910 gedruckten Bericht erſehen, vom Ausſchuß dahin gelöſt worden, daß eine ſtändige Kommiſſion aus 5 Mitgliedern gebildet werden ſoll, beſtehend aus drei Mitgliedern des Magiſtrats und zwei Ver⸗ tretern der Stadtverordnetenverſammlung. Ab⸗ geſehen von den praktiſchen Vorzügen, die dieſe Geſtaltung darbietet, will ich doch auch bemerken, daß eine Zuſammenſetzung aus Vertretern der bei⸗ den ſtädtiſchen Körperſchaften die richtige, logiſch gebotene Konſequenz des Grundgedankens iſt, daß jeder Erlaß von rechtskräftig zugeſprochenen Steuerbeträgen ſich als ein Verzicht auf Ver⸗ mögensrechte der Stadt, auf Vermögensrechte der Gemeinde darſtellt und daß ſonach auch beide Inſtanzen, Magiſtrat und Stadtverordneten⸗ verſammlung, berufen ſind, zuſammenwirkend über eine ſolche Vermögensminderung zu entſcheiden. Das geſchieht durch die von dem Ausſchuß vorge⸗ ſchlagene Geſtaltung der neuen Steuerinſtanz, die eben deshalb aus Vertretern des Magiſtrats und der Stadtverordnetenverſammlung gebildet werden ſoll. Andererſeits erſchien es dem Ausſchuß nun⸗ mehr als zwecklos und überflüſſig, an einer For⸗ malität, die die Magiſtratsvorlage urſprünglich enthielt: der vorherigen gutachtlichen Anhörung des beſtehenden Steuerausſchuſſes noch weiter feſtzuhalten. Wie die Beſchlüſſe jetzt vorliegen, glaube ich ſie im Namen des Ausſchuſſes und nach meiner eigenen Überzeugung zur Annahme empfehlen zu können. Ich bin davon durchdrungen, daß auf einem immerhin wichtigen Gebiete der ſtädtiſchen Verwaltung die Vorlage in ihrer amendierten Faſſung eine vorſichtige, zugleich aber des weiteren Ausbaues durchaus fähige Reform darſtellt. Ich beantrage demgemäß die Annahme der Ausſchuß⸗ anträge. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt einſtimmig nach dem Antrage des Ausſchuſſes, wie folgt: 1. Für ſämtliche Gemeindeabgaben gelten fol⸗ gende Grundſätze betreffend die Wiederein⸗ ſetzung in den vorigen Stand und ſind in Zu⸗ kunft auch in Charlottenburg anzuwenden: „Die Wiedereinſetzung in den vorigen Stand kann beantragen, wer durch Natur⸗ ereigniſſe oder andere unabwendbare Zu⸗ fälle verhindert worden iſt, die Einſpruchs⸗ friſt einzuhalten. Als unabwendbarer Zufall iſt es anzuſehen, wenn der Antrag⸗ ſteller von einer Zuſtellung ohne ſein Ver⸗ ſchulden keine Kenntnis erlangt hat. Über den Antrag entſcheidet der Ge⸗ meindevorſtand. Der Einſpruch iſt unter Anführung der Tatſache, durch welche der Antrag auf Wiedereinſetzung begründet werden ſoll, ſowie der Beweismittel innerhalb zwei Wochen nach Ablauf des Tages, mit welchem das Hinderuis gehoben iſt, nach⸗ zuholen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der verſäumten Friſt an gerechnet, findet die Nachholung und der Antrag auf Wiedereinſetzung nicht mehr ſtatt.“ 11. Trotz einer rechtskräftigen Veranlagung kann eine Einziehung von Gebühren, Beiträgen und Steuern unterbleiben oder das auf Grund