Sitzung vom 3. Mai 1910 197 erkrankt oder ſchon Rekonvaleszenten ſind und können, wenn die Not oder veränderte Dispo⸗ ihrer Entlaſſung entgegenſehen, oder die der ärzt⸗ lichen Behandlung nur zeitweiſe, etwa ein⸗ oder zweimal in der Woche, bedürfen — Nachbehand⸗ lung ſowohl von chirurgiſchen Kranken wie von inneren Kranken —, daß man gut tut, ſolche Kranken aus den großen eigentlichen Kranken⸗ häuſern für Schwererkranke zu entfernen und ſie in ſogenannte Geneſungsheime, am beſten an die Peripherie der Städte, zu bringen, einmal um die Krankenhäuſer zu entlaſten und zweitens um dieſen Rekonvaleszenten und Leichtkranken die Wohltaten größerer Bewegung im Freien zugänglich zu machen. Bei unſeren beſonderen Weltſtadt⸗ verhältniſſen würde die Angliederung eines Re⸗ konvaleszentenhauſes an unſer allgemeines Kranken⸗ haus große Schwierigkeiten haben und faktiſch da⸗ rauf hinauskommen, daß wir ein Rekonvaleszenten⸗ haus fern von Charlottenburg errichten, ein Plan, der ja allerdings auch ſchon bei der Anleihe, wie Sie ſich erinnern werden, einmal in Ausſicht ge⸗ nommen war, aber doch noch ſehr ſorgfältiger, vielſeitiger Prüfung bedarf. Da iſt es ein glücklicher Gedanke des Dirigenten unſeres Krankenhauſes, des Herrn Profeſſor Dr Beſſel⸗Hagen, geweſen, ſtatt der Errichtung neuer vollwertiger Pavillons auf dem gegenwärtigen Terrain des Kranken⸗ hauſes Weſtend zwei Pavillons für Leichtkranke, für Frauen und Männer, mit je 60 Betten vorzu⸗ ſchlagen, Pavillons, die indeſſen im Notfalle ſogar eine Belegung mit je 75 Betten geſtatten, ſo daß alſo in den beiden Pavillons in Summa Platz für 150 Kranke geſchaffen würde. Es handelt ſich dabei um Kranke, die zwar noch der Krankenhaus⸗ behandlung und Aufſicht bedürfen, die noch nicht aus dem Bereiche des Krankenhauſes entlaſſen werden können, aber doch einer weniger häufigen und intenſiven ärztlichen Beobachtung und Be⸗ einfluſſung bedürfen. Dieſe Pavillons werden viel billiger erbaut werden können als die bis⸗ herigen Normalpavillons; ſie bedürfen einer großen Reihe von Einrichtungen nich t, die ſonſt heutzutage bei Krankenhäuſern erforderlich ſind: Desinfektions⸗ apparate, Verbandzimmer, Unterſuchungszimmer uſw.; ſie bedürfen auch nicht — wenigſtens nicht in dem vollen Umfange — der Einrichtungen für Arztewohnungen, für Schweſtern⸗ und Wärter⸗ wohnungen, ſie können in einem einfacheren Krankenhausſtile errichtet werden, quaſi als Wohn⸗ häuſer, nur mit einer größeren Zufuhr von Licht und Luft verſehen und mit größerer Bewegungs⸗ möglichkeit für die Kranken ausgeſtattet, was man durch größere Tagesräume erzielen kann. Die Herſtellung dieſer Häuſer wird dadurch weſentlich billiger ſein können, aber auch der Betrie b wird ſich erheblich verbilligen, ſo daß, wie Sie aus der Vorlage erſehen haben, ſelbſt wenn man die bisherigen 590 Kranken noch hinzurechnet, ſich pro Kopf und Tag ſtatt des bisherigen Bedarfs von 4,53 ℳ nur ein ſolcher von 4,19 ℳ ergeben wird, was bei der Belegziffer des Krankenhauſes eine relativ große Erſparnis bedeutet. Im übrigen werden ſelbſtverſtändlich trotz der billigeren Her⸗ ſtellung dieſe Pavillons allen Anforderun⸗ gen der modernen Krankenhauspflege und Hy⸗ giene in vollem Maße entſprechen; es wird nicht das Geringſte an ihnen anders gebaut werden, als nach den Beſtimmungen geboten iſt, und ſie werden deshalb auch jederzeit bequem für die Belegung mit Schwerkranke n aptiert werden ſitionen es erfordern ſollten. Die ärztliche Behandlung der dort einzu⸗ logierenden Kranken würde von der Haupt⸗ verwaltung aus geſchehen können. Es handelt ſich ja um lauter ambulante Kranke, ſei es um Kranke der chirurgiſchen Abteilung, die nur dann und wann einen Verbandwechſel nötig haben oder die einer mechaniſchen, orthopädiſchen, elektriſchen Nach⸗ behandlung zu unterziehen ſind, oder um andere Leichtkranke, die nur zuweilen zu beſehen ſind. Genug, es wird die volle Belegung dieſer Pavillons erfolgen können, ohne daß eine Vermehrung des ärztlichen Perſonals in Ausſicht zu nehmen iſt. Vorkehrungen müſſen wir, wie geſagt, treffen, denn ſchon jetzt entſpricht das Krankenhaus nicht mehr den Anforderungen, die unſere Bevölkerung an es ſtellt. Das liegt nicht bloß an der ſtetigen Zunahme unſerer Bevölkerung, ſondern daran, daß die Krankenhausfurcht mehr und mehr ab⸗ nimmt und eine größere Hoſpitaliſierung der er⸗ krankten Bevölkerung ſtattfindet, etwas, was man im Intereſſe der allgemeinen Geſundheitspflege nur mit Freude begrüßen kann. Es war einmal vor Jahren angeregt worden, auf dem jetzigen Terrain unſeres Krankenhauſes auch das Kranken⸗ haus für Geburtshilfe unterzubringen. Man iſt aber damals davon zurückgekommen — ich erwähne das ausdrücklich, weil es auf die ſpätere Vorlage die uns heute noch zu beſchäftigen hat, ein Licht wirft —, weil man doch vom Standpunkt einer vorausſehendenKrankenhauspolitik die Erweiterungs⸗ fähigkeit für andere Kranke auf dem Krankenhaus Weſtend aufrecht erhalten mußte. Mit den beiden heute vorliegenden Projekten wird vorausſichtlich für ſehr lange Zeit unſer Krankenhausbedarf gedeckt ſein. Ich empfehle Ihnen die wirklich gleich ge⸗ winnende Vorlage, die eine ſorgfältige Vorberatung in der Krankenhausdeputation und ſicherlich auch in der Deputation für Hochbau gefunden hat, und die kaum irgendeine Angriffsfläche bietet, ohne weiteres zur Annahme, natürlich vorbehaltlich, wie ja ſchon in dem Magiſtratsantrage geſagt iſt, eines endgültigen Bauentwurfs und beſonderen Koſtenanſchlags. Die Erweiterung der Dampf⸗ keſſelanlage, die auf dem Grundſtück bei Gelegenheit dieſer Pavillonbauten vorzuſehen iſt, ergibt ſich aus wirtſchaftlich⸗organiſatoriſchen Gründen ganz von ſelbſt. Ich empfehle alſo die Annahme der Magiſtratsvorlage. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Verſamm⸗ lung beſchließt entſprechend dem Vorſchlage des Berichterſtatters nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Dem Bau von 2 Häuſern für Leichtkranke auf dem Krankenhausgrundſtück in Weſtend nach dem Vorentwurf vom 22. November 1909 und der Erweiterung der auf dieſem Grundſtück vorhandenen Dampfkeſſelanlage wird vorbehaltlich der Vorlage eines end⸗ gültigen Bauentwurfs und des Koſtenan⸗ ſchlags zugeſtimmt.) Vorſteher Kaufmann: Punkt 11 der Tages⸗ ordnung: i Borlage betr. Ban eines Krantenhauſes für Geburtshilfe. — Druckſache 102.