198 Berichterſtatter Stadtv. Dr. Landsberger: fältigere Etwas ſchwieriger, meine Herren, aber eben⸗ falls Ihrer Zuſtimmung würdig, iſt die Vorlage betr. das Krankenhaus für Geburts⸗ hil fe. Wir haben gegenwärtig, wie Sie wiſſen, das alte Krankenhaus in der Kirchſtraße, das teils der Aufnahme der Schwangeren behufs Entbin⸗ dung und Wochenpflege, teils der Behandlung der Haut⸗ und Geſchlechtskrankheiten dient. Das Be⸗ dürfnis eines Neubaues der Entbindungsanſtalt ergibt ſich aus vielen Gründen. Erſtens ſchon quantitativ: das Krankenhaus vermag nicht mehr den Anforderungen zu genügen, es ſteht ſchon jetzt häufig ſehr bedenklichen Schwierigkeiten gegen⸗ über. Es handelt ſich da ja immer um Perſonen, deren Aufnahme dringlich iſt und keinen Auf⸗ ſchub duldet, und es iſt für den leitenden Arzt der Entbindungsanſtalt ſehr peinlich, wenn er ſich, um der Aufnahmepflicht zu genügen, häufig gezwungen ſieht, Entbundene früher zu ent⸗ laſſen, als es ihm aus hygieniſchen oder ärztlichen Gründen erwünſcht iſt. Er muß zu dieſem be⸗ dauerlichen Vorgehen ſchreiten, wenn eine Auf⸗ nahme nicht aufgeſchoben werden kann und unter allen Umſtänden Platz geſchafft werden muß. Die Unterbringung hat alſo oft ihre großen Schwie⸗ rigkeiten. Erſt recht iſt es bei ſolcher Sachlage un⸗ möglich, zwiſchen der Entfernung einer Wöchnerin aus ihrem Lager und der Neubelegung die ſehr er⸗ wünſchte Pauſe zu laſſen, — ein Umſtand, deſſen Bedenklichkeit auch jedem Laien ohne weiteres einleuchtet. Vergleichen Sie nur die Zahlen der gegenwärtigen Belegungsfähigkeit und die der wirklichen Belegung. Wir haben in der Entbindungs⸗ anſtalt in der Kirchſtraße 46 Betten zur Verfügung, abgeſehen von den Betten für die zugehörigen Säuglinge. Von dieſen 46 Betten ſind reſerviert, oder werden gern gebraucht für den Zweck des Wöchnerinnenheims, alſo für eine längere Einbehal⸗ tung der Wöchnerinnen bis zur vollen Erholung, 10 Betten. Danach bleiben 36 Betten für die eigentliche Entbindungsanſtalt zur Verfügung. Trotzdem wir alſo für dieſen Zweck eigentlich bloß 36 Betten haben, haben wir eine durchſchnittliche Belegungsziffer von 39, und im vorigen Jahre iſt die höchſte Belegungsziffer ſogar 54 geweſen. Sie erſehen daraus, wie ſchwer und wie verant⸗ wortlich es für den dirigierenden Arzt iſt, innerhalb ſeiner Abteilungen richtig zu disponieren und immer allen Wünſchen gerecht zu werden. Ferner hat ſich herausgeſtellt, daß auch auf dem Gebiete der Geburtshilfe die Anforderungen der Bevölkerung dauernd ſteigen, und zwar nicht nur mit dem Wachstum der Bevölkerung, ſondern abſolut ſteigen. Im Etatsjahre 1907 betrug die Zahl der Aufgenommenen 783, 1908 847, 1909 ſchon bis zum 1. März 920. Danach iſt es wohl keinem Zweifel unterworfen, daß wir dazu ſchreiten müſſen, eine neue Anſtalt für Entbindungszwecke herzuſtellen. Auf dem bisherigen Terrain iſt das nicht möglich, und der Vorſchlag des Magiſtrats iſt deswegen richtig, auf unſerm Grundſtück in der Sophie⸗Charlotten⸗ Straße dieſe Gebäude zu errichten. Es kommt da in die unmittelbare Nachbarſchaft des Bürger⸗ hauſes, ein Umſtand, der auch für die erforderlichen Aufwendungen ſeine Bedeutung hat, worauf ich noch ſpäter mit einigen Worten zurückkommen werde. Nach dem bisherigen Plane — auch hier ſind ja noch beſondere Koſtenanſchläge und ſorg⸗ Sitzung vom 3. Mai 1910 Pläne zu erwarten iſt zweck⸗ mäßigerweiſe nicht an die Herſtellung größerer Säle gedacht, ſondern an die Herſtellung von ein⸗ zelnen Zimmern mit kleineren Belegungsziffern. Die höchſte Belegungsziffer iſt 6. Es ſollen errichtet werden 2 Zimmer zu 6 Betten, 2 zu 5 Betten, 4 zu 4 Betten, 13 zu 2 Betten, 3 zu 1 Bett. Ich ſpreche nur von der normalen Abteilung, nicht von der ſogenannten ſeptiſchen Abteilung, d. h. der Abteilung für die fiebernden Wöchnerinnen, wo übrigens ganz ähnliche Verhältniſſe gedacht ſind: eine relativ noch größere Zahl von kleinen Zimmern mit geringer Belegungsziffer. — Die vorgeſchlagenen 13 Zimmer zu 2 Betten und 3 zu 1 Bett können den Gedanken nahe legen, daß auch bei dieſem Krankenhauſe die Vorſtellung der Ein⸗ richtung von ſogenannter „zweiter“ und „erſter“ Klaſſe mit eine Rolle ſpielt, eine Einrichtung, die, wie Sie wiſſen, auch für das allgemeine Kranken⸗ haus Weſtend uns ſeit längerer Zeit beſchäftigt und die ich perſönlich — ich unterlaſſe das nie hervorzuheben, wenn ich auf dieſen Gegenſtand zu ſprechen komme — für nicht empfehlenswert halte. Immerhin erachte ich die Unterbringung von Kranken in Zimmern mit kleineren Belegungs⸗ ziffern für das Beſte. Man kann dann der Indi⸗ vidualität der einzelnen Kranken viel eher gerecht werden, kann ſie entſprechend zuſammenlegen und dasjenige, was der Kranke im Krankenhaus am allerſchlimmſten empfindet, das Zuſammenſein mit vielen in einem Saale, dadurch auf das notwen⸗ digſte Maß einſchränken. Ich erwähnte vorhin die Nachbarſchaft des Bürgerhauſes als für den vorliegenden Plan mit beſtimmend. Dadurch ſind nämlich die Heiz⸗ und Maſchinenanlagen größer geworden, als es für die eigentliche Anſtalt nötig wäre. Ich ſage: für die eigentliche Anſtalt. Sie wiſſen aus der Vorlage, daß von einem erſten Bauabſchnitt die Rede iſt und die Möglichkeit eines zweiten Bauabſchnitts ſchon bei den Maßverhältniſſen vorgeſehen iſt. Ich muß allerdings bemerken: dieſen zweiten Bauabſchnitt werden nicht bloß wir alle, die wir hier im Saale anweſend ſind, wahrſcheinlich nicht mehr erleben, ſondern er dürfte noch auf eine weit größere Reihe von Jahren, als ſie uns zugemeſſen iſt, hinauszuſchieben ſein. Denn wenn ich die gegen⸗ wärtige Zahl von 36 Betten zugrunde lege, die allerdings nicht mehr zureichend iſt, ſo würden bei den 100 Betten, für die wir nun Platz ſchaffen wollen — wir ſchaffen zwar auch noch weitere 13 Betten, die aber nur als Wöchnerinnenheim gedacht ſind —, bei den 100 Betten, die aus⸗ ſchließlich für die Entbindungsanſtalt gedacht ſind, bei voller Belegung und einem durchſchnittlichen Aufenthalt der einzelnen Wöchnerin von 17 Tagen, 2 100 Aufnahmen im Jahre in der Entbindungs⸗ anſtalt erfolgen können. (Der 17tägige Durchſchnitt ergibt ſich durch Zurechnung der nach der Ent⸗ bindung erkrankten Wöchnerinnen; die nor⸗ male Wöchnerin bleibt ſelten mehr als 10 Tage im Entbindungshaus.) Die Zahl von 2 100 Auf⸗ nahmen bedeutet aber, wenn wir die Charlotten⸗ burger Einwohnerſchaft auf 300 000 bemeſſen und dabei nach ſtatiſtiſchen Unterlagen eine Anwartſchaft auf ungefähr 6000 Geburten haben, daß ein Drittel ſämtlicher hier erfolgenden Ge⸗ burten ſh in unſerer Entbindungsanſtalt würde abſpielen können. Daraus erſehen Sie, daß für ſehr, ſehr lange Zeit das Bedürfnis gedeckt ſein wird,