Sitzung vom 3. Mai 1910 nehmen behufs Abänderung des Gemeinde⸗ Materials erſucht worden iſt“. wahlrechts bezüglich der öffentlichen Antrage geworden iſt, wiſſen wir nicht. ſtimmung, des Dreiklaſſenwahlſyſtems ſowie des Privilegs der Hausbeſitzer in ſeiner jetzigen Ausdehnung. Meine Herren, Sie werden mir, gleichviel auf welchem politiſchen Boden Sie ſonſt ſtehen, ohne weiteres zugeben, daß unſer Antrag viel klarer war als der Antrag Otto, den die Stadtverordneten⸗ verſammlung zum Beſchluß erhoben hat. Durch dieſen Beſchluß iſt der Magiſtrat in eine etwas un⸗ angenehme Situation gekommen; denn er mußte ſich nun natürlich erſt ſeinen Kopf zerbrechen, was eigentlich der Beſchluß der Stadtverordneten⸗ verſammlung bedeutet. Der Antrag Otto iſt verſchwommen, in ihm iſt nur die Rede von einer Abänderung des Gemeindewahlrechts erſtens be⸗ züglich der öffentlichen Abſtimmung. Man kann alſo annehmen, daß auch die Mehrheit der Stadt⸗ verordnetenverſammlung ſich auf den Standpunkt geſtellt hat, daß die öffentliche Abſtimmung be⸗ ſeitigt werden müſſe. Ferner wendet ſich der Be⸗ ſchluß der Stadtverordnetenverſammlung gegen das Dreiklaſſenwahlſyſtem. Er ſagt aber nicht, was an deſſen Stelle geſetzt werden ſoll. (Stadtv. Dr Frentzel: Vier Klaſſen! — Heiterkeit.) — Herr Kollege Frentzel ruft mir zu: Vierklaſſen⸗ wahlſyſtem. Soviel ich weiß, hat damals ſchon Herr Kollege Frentzel zur Fraktion des Herrn Kollegen Otto gehört. Ich bin ja nicht darüber genau informiert, was in Ihren Fraktionsſitzungen vorgeht; aber es wäre mir intereſſant, zu erfahren, ob Sie ſich tatſächlich für ein Vierklaſſenwahlſyſtem ausgeſprochen haben. (Zuruf bei den Liberalen: Das glauben Sie doch ſelber nicht!) — Ich ſelbſt glaube es nicht. Wenn aber Herr Kollege Frentzel es mir zuruft — ich habe doch kein Recht, an den Worten eines Kollegen zu zweifeln. 2 (Heiterkeit.) Ich darf wohl annehmen, daß die Mehrheit ſeiner Fraktion nicht auf dieſem Standpunkt ſteht und er ſelbſt das auch nur ſcherzhaft gemeint hat. (Stadtv. Dr Frentzel: Sicher!) Weiter verlangt der Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung die Aufhebung des Pri⸗ vilegs der Hausbeſitzer „in ſeiner jetzigen Aus⸗ dehnung“. Das iſt auch eine ſehr dehnbare Be⸗ ſtimmung. Meine Freunde haben ſich ganz klar auf den Standpunkt geſtellt, daß das Hausbeſitzer⸗ privileg überhaupt beſeitigt werden ſoll. Herr Kollege Otto dagegen wollte das Hausbeſitzer⸗ privileg, wie aus unſeren Debatten vom Jahre 1904 hervorgeht, in gewiſſem Umfang noch auf⸗ rechterhalten wiſſen. Wenn ich nicht ſehr irre, wollte er es wenigſtens für die kleinen und mitt⸗ leren Gemeinden aufrechterhalten wiſſen. Aber für Charlottenburg, glaube ich, ſtehen auch Sie (zum Stadtv. Otto) auf dem Standpunkt, daß das Hausbeſitzerprivileg veraltet iſt. Nun hat uns der Magiſtrat ungefähr zwei Jahre ſpäter eine Mitteilung zugehen laſſen; das war Ende des Jahres 1906. Auf die Anfrage, wieweit es mit den Erhebungen in Sachen betr. Abänderung des Gemeindewahlrechts ſtände, er⸗ hielten wir im Dezember 1906 die Antwort, daß „die Auszählungen aus den Wählerliſten beendet ſind und daß außerdem die Zentralſtelle des Deutſchen Städtetags um Beſchaffung weiteren 205 Was weiter aus 1 A Ich weiß nicht, ob der Magiſtrat noch immer zählt; ich weiß auch nicht, ob er noch immer die Zentral⸗ ſtelle des Deutſchen Städtetags um Beſchaffung weiteren Materials erſucht. Aber ich halte ſchon das, was der Magiſtrat in Ausführung des Be⸗ ſchluſſes der Stadtverordnetenverſammlung da⸗ mals getan hat, für überflüſſig; es iſt eine höchſt unnötige Arbeit. Ich weiß nicht, wozu der Magiſtrat Auszählungen aus den Wählerliſten vornimmt. Das, was damit bewieſen werden ſoll, iſt längſt bewieſen. Es iſt bewieſen, daß das Dreiklaſſen⸗ wahlſyſtem zu den Stadtverordnetenverſammlungen ein Ergebnis zeitigt, durch das die Anſchauungen des größten Teiles der Bevölkerung nicht zum Ausdruck kommen; es werden dadurch ſtädtiſche Körperſchaften hervorgerufen, die in keiner Weiſe der Zuſammenſetzung der Bevölkerung entſprechen. Meine Herren, ich brauche Sie bloß an das Er⸗ gebnis der letzten Wahlen hier in Charlottenburg zu erinnern. Wir hatten in der dritten Abteilung ungefähr 9500 ſozialdemokratiſche Wähler, während wir nur 9000 Wähler hatten, die den bürgerlichen Parteien angehörten. Sehen Sie ſich, bitte, einmal die Zuſammenſetzung der in der dritten Wählerabteilung gewählten Stadtverordneten an! Von den 24 Stadtverordneten gehören nur 10 der ſozialdemokratiſchen Partei, dagegen 14 den bürgerlichen Parteien an, während doch, wenn die Stadtverordnetenverſammlung nur einigermaßen die Stimmung der Bevölkerung wiederſpiegeln würde, die Zuſammenſetzung zum mindeſten dic gleiche ſein ſollte, ja die ſozialdemokratiſche Fraktion müßte ſogar ſtärker ſein als die liberale. (Heiterkeit.) Ich laſſe die erſte und zweite Wählerabteilung vollkommen außer Betracht. Da finden ja keine Wahlen ſtatt, das ſind Ernennungen. Wie die Wahlen da zuſtande kommen, das iſt eine Frage, die ich hier nicht erörtern will. Ich möchte nur das eine hinzufügen, daß in der erſten und zweiten Wählerabteilung im vorigen Jahre zuſammen nur ungefähr 2500 Wähler geſtimmt haben. Dieſe 2500 Wähler haben das Recht, die doppelte An⸗ zahl von Stadtverordneten zu ſtellen als der ganze übrige Teil der Bevölkerung. Wenn Sie ſagen: man darf nicht nur diejenigen in Betracht ziehen, die zur Wahl erſcheinen, ſondern man muß auch diejenigen berückſichtigen, die in der Wählerliſte eingezeichnet ſind, alſo das Wahlrecht beſitzen —, dann tritt die Ungerechtigkeit doppelt groß zu Tage. Wir hatrten in der erſten Wähler⸗ abteilun g7 3 0 W ähler,in derdritt en Wahlabteilung dagege n 41 304. Dieſe 41 304 Wähler hatten nur dasſelbe Recht wie die 730 Wähler der erſte n Abteilun g,oderjedereinzelne Wäh⸗ ler der erſten Abteilung hatte ein 57mal ſo großes Wahlrecht wiejeder Wähler der dritten Abteilung. n der zweiten Abteilung hatten wir 6054 Wähler. Sie ſehen hieraus, daß ſelbſt das Recht jedes Wählers der zweiten Abteilung immerhin noch 7 mal ſo groß war wie das Recht jedes Wählers der dritten Abteilung. Hieraus geht für jeden, der einigermaßen unbefangen denkt, ohne weiteres hervor, daß es die h öch ſte Zeit i ſt, e in ſo er bärmliches Wahlſyſtem endlich über Bord zu werfen.