206 Dieſe Zahlen ſind doch auch dem bekannt. Deswegen ſagte ich vorhin: es iſt eine überflüſſige Arbeit, daß der Magiſtrat Auszählungen aus den Wählerliſten vornimmt. Die Auszählungen waren bereits im Jahre 1906 beendet. Die weitere Arbeit des Magiſtrats beſtand darin, daß er die Zentralſtelle des Deutſchen Städtetags um Beſchaffung weiteren Materials erſucht hat. Auch dieſe Arbeit ſcheint mir nicht nötig geweſen zu ſein. Was für Material ſoll dem Magiſtrat die Zentralſtelle des Deutſchen Städte⸗ tags liefern? Die Tatſache ſelbſt ſteht offenkundig feſt, es läßt ſich nicht beſtreiten, daß das Der en⸗⸗ klaſſen wahlſyſtem eine Entrech⸗ tung des größten Teilesder Wähler⸗ ſchaft bedeutet. Um das zu beweiſen, war es, glaube ich, nicht nötig, daß der Magiſtrat ſich erſt an den Deutſchen Städtetag um Überſendung von Material wendet. Ob er überhaupt weiteres Material bekommen hat oder nicht, weiß ich nicht; aus den Akten geht das jedenfalls nicht hervor. Meine Herren, den Standpunkt, den wir bei Einreichung unſeres Antrages im Jahre 1904 eingenommen haben, nehmen wir ſelbſtverſtändlich auch heute noch ein. Wir fordern das Wahlrecht für alle Angehörigen der Gemeinde ohne Unterſchied des Ge⸗ ſchlech t s. Ich glaube, auch unter Ihnen wird es eine ganze Reihe von Herren geben, die mit uns der Meinung ſind, daß das kommunale Wahlrecht den Frauen genau ſo gut gewährt werden ſoll wie den Män⸗ ner n. Wir haben ja hier in Charlottenburg bereits eine ganze Anzahl von Frauen, die in der kommunalen Verwaltung tätig ſind, wenn auch nicht in der Stadtverordnetenverſammlung — das Geſetz verbietet das ja —, ſo doch in anderen Amtern; wir haben Frauen, die in der Armen⸗ pflege, in der Waiſenpflege tätig ſind. Es wird niemand geben, der etwa der Anſchauung Aus⸗ druck verleihen wollte, als ob die Tätigkeit dieſer Frauen minderwertig wäre. Wir haben alſo allen Grund, gerade für die kommunalen Wahlen auch das Wahlrecht für die Frauen zu fordern — ſelbſtverſtändlich nicht bloß das aktive, ſondern auch das paſſive Wahlrecht. Wir fordern ferner den Erſatz der öffentlichen Stimmabgabe durch die geheime. Das iſt eine Forderung, über die ich wohl hier kein Wort zu verlieren brauche; denn ich glaube, es gibt niemand hier im Saale, der etwa auf dem Boden ſteht, daß die öffentliche Stimmabgabe für Wahlen über⸗ haupt angebracht wäre. Sollten in der Debatte andere Meinungen zum Ausdruck kommen, dann bin ich ſehr gern bereit, auf dieſe Frage noch weiter einzugehen. Wie unſinnig das Dreiklaſſenwahlſyſtem iſt, habe ich Ihnen bereits an den Zahlen aus Char⸗ lottenburg nachgewieſen. Es bleibt mir nur noch übrig, ein Wort über das Hausbeſitzerprivileg zu ſagen, und auch da kann ich mich ſehr kurz faſſen. Ich kann wohl auch da annehmen, daß mit Aus⸗ nahme ſehr, ſehr weniger Herren — vielleicht mit Ausnahme des Herrn Kollegen Otto, der ſich ja vor vier Jahren für die wenn auch nicht völlige Beſeitigung des Hausbeſitzerprivilegs ausgeſprochen, aber inzwiſchen wohl ſeine Anſchauung wieder ge⸗ ändert hat — daß mit Ausnahme des Herrn Kollegen Otto es keinen Menſchen gibt, der heute noch das Hausbeſitzerprivileg für berechtigt hält. (Heiterkeit.) Sitzung vom 3. Mai 1910 Magiſtrat“ Wenn irgend etwas bewieſen hat, wie ungerecht⸗ fertigt und gemeingefährlich das Hausbeſitzer⸗ privileg iſt, dann, meine Herren, haben wir das ja hier im Saale erfahren: wir haben erſt vor wenig Wochen Debatten gehabt, bei denen es ſich ſo recht gezeigt hat, wie die Hausbeſitzer lediglich ihre Sonderintereſſen in der Stadtverordneten⸗ verſammlung wahrzunehmen ſuchen zum Schaden der Geſamtheit. — — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (den Redner unter⸗ brechend): Herr Kollege Hirſch, ich glaube, Sie gehen hier in Ihren Angriffen zu weit. Daß die Stadtverordneten lediglich ihr Mandat benutzen, um ihre eigenen Intereſſen zu wahren, den Aus⸗ druck dürfen Sie nicht gebrauchen. Ich erwarte von Ihnen eine Erklärung, wie Sie denſelben einzu⸗ ſchränken gedenken. Stadtv. Hirſch: Zunächſt habe ich gar nicht geſagt, daß die „Stadtverordneten“ das tun. (Zurufe: Doch! — „In dieſem Saale!“) — Ich habe von den „Hausbeſitzern“ geſprochen. — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann: Sie meinen die Haus⸗ beſitzer außerhalb dieſer Verſammlung? Stadtv. Hirſch: Zunächſt habe ich nicht von den Stadtverordneten im allgemeinen, ſondern von Hausbeſitzern geſprochen. Ich habe geſagt, daß die Hausbeſitzer als Klaſſe ihre Intereſſen zu wahren ſuchen, die Intereſſen ihrer Klaſſe. (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann: Zum Beiſpiel: die Hausbeſitzer in ihren Vereinen — haben Sie das gemeint? Stadtv. Hirſch: Ich habe geſagt, daß auch die Hausbeſitzer in Charlottenburg, auch die Haus⸗ beſitzer in dieſem Saale die Intereſſen ihrer Klaſſe d. h. der Hausbeſitzerklaſſe, zu wahren ſuchen. (Zuruf: „Zum Schaden der Geſamtheit!“) — Zum Schaden der Geſamtheit — ganz recht, das iſt durchaus meine Meinung. Vorſteher Kaufmann: Ich kann dieſe Be⸗ hauptung nicht zugeben und bitte Sie nochmals, dieſe Belaſtung Ihrer Kollegen, die in dieſem Saale ihr Stadtverordnetenmandat ausüben im Sinne der Allgemeinheit, dahin zu rektifizieren, daß Sie ihnen den Vorwurf der Vertretung eigener In⸗ tereſſen nicht machen. Stadtv. Hirſch: Ich bedaure, ich kann das, was ich geſagt habe, nicht zurücknehmen. Es iſt doch ganz klar. Es handelt ſich natürlich nicht darum, daß ſie ihre perſönlichen Intereſſen ver⸗ treten, ſondern die Intereſſen ihrer Klaſſe, und daß dadurch die Allgemeinheit geſchädigt wird. Dieſen Ausdruck kann ich nicht zurücknehmen. Vorſteher Kaufmann: Dann werde ich mir weiteres nach Einſichtnahme des Stenogramms vorbehalten. Frageſteller Stadtv. Hirſch (fortfahrend): Ich ſtehe alſo auf dem Standpunkt, daß das Haus⸗