212 Sitzung vom werden wir nicht in der höflichen Weiſe antworten, (Lachen und Zurufe bei den Liberalen) wie ich das gewohnt bin. (Zuruf: Machen Sie ja ſchon längſt!) Nun glaube ich, daß noch niemals jemand ſich ſeine Sache ſo leicht gemacht hat wie Herr Kollege Otto. Er geht auf den materiellen Inhalt nicht ein. Warum nicht? Ich habe bereits angedeutet, daß das Manöver ſehr durchſichtig iſt. „Es ſoll uns für ſpätere Zeit aufgeſpart werden“. Ich weiß nicht, vielleicht bereitet Herr Kollege Otto einen Antrag vor, der ſich mit dieſer Sache beſchäftigt. Sollte das nicht der Fall ſein, ſo können wir ihm zu Hilfe kommen und gern einen neuen Antrag einbringen, (Stadtv. Otto: Bitte!) damit Herr Kollege Otto erklären kann, was er denn eigentlich jetzt für Anſchauungen über das kommu⸗ nale Wahlrecht hat. Herr Kollege Otto befindet ſich inſofern auch in einem tatſächlichen Irrtum, als er behauptet, daß ich ſelbſt den Boden unſeres früheren Antrags verlaſſen habe, weil ich heute für das kommunale Wahlrecht für Frauen eingetreten bin. Meine Herren, unſer früherer Antrag ſpricht von einer Erſetzung des Dreiklaſſenwahlſyſtems durch das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, und es iſt ganz ſeloſtverſtändlich, daß wir das all⸗ gemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht auch für Frauen fordern, auch ſchon bisher ge⸗ fordert haben. — — (Glocke des Vorſtehers.) Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Ich bitte Sie, bei der Sache zu bleiben, bei der Anfrage! Stadtv. Hirſch: Ich muß mich doch gegen den Vorwurf des Herrn Kollegen Otto verteidigen, daß ich meine Interpellation nicht geleſen habe und nicht mehr wiſſe, was ich im Jahre 1904 beantragt habe. Wenn Herrn Kollegen Otto das erlaubt worden iſt, ſo bitte ich den Vorſteher, mir das auch zu erlauben. Im übrigen bin ich damit wirklich gleich fertig. Ich wollte alſo Herrn Kollegen Otto nur ſagen, daß unſer Antrag aus dem Jahre 1904 ſtammt. Es iſt ganz ſelbſtverſtändlich, daß wir ſchon damals auf demſelben Boden ſtanden. Wir gehören nicht zu einer Partei, die heute ſo iſt, morgen ſo. Wenn wir etwas fordern, ſo vertreten wir es auch. (Zuruf bei den Liberalen: Sie ſprachen vom Reichs⸗ tagswahlrecht!) — Ich habe heute vom Reichstagswahlrecht ge⸗ ſprochen? — Keine Silbe! (Stadtv. Otto: So?) — Nun, dann kann ich Ihnen das Kompliment von dem klaren Kopf wirklich nicht zurückgeben. Ich habe geſagt, daß wir genau ſo das Reichstagswahl⸗ recht für die Gemeinden wie für den Staat fordern und daß wir auch ſelbſtverſtändlich das kommunale Wahlrecht für die Frauen fordern; ich habe weiter darauf hingewieſen, wie ſegensreich die Tätigtkeit der Frauen gerade auf kommunalen Gebieten iſt. 140 liegt es nicht, wenn Sie das nicht verſtanden aben. Meine Herren, was hat der Herr Oberbürger⸗ meiſter uns nun für eine Antwort gegeben? Herr Kollege Otto iſt von der Antwort ſehr befriedigt, wie immer. Herr Kollege Otto hat mir ja den Vor⸗ wurf gemacht, daß ich, bevor ich die Antwort des Herrn Oberbürgermeiſters gehört hätte, ſchon mich 3. Mai 1910 unzufrieden darüber ausgedrückt hätte. Tatſächlich trifft das nicht zu. Aber das eine wußte ich von vornherein: der Herr Oberbürgermeiſter kann ſagen, was er will, von Herrn Kollegen Otto be⸗ kommt er ein Lob. (Heiterkeit.) Was der Herr Oberbürgermeiſter geſagt hat — ich muß offen geſtehen, das hat mich in keiner Weiſe befriedigt. Der Herr Oberbürgermeiſter erzählt, es ſeien ſtatiſtiſche Erhebungen veranſtaltet worden. Welcher Art die geweſen ſind, haben wir nicht er⸗ fahren. Dann hat ſich der Herr Oberbürgermeiſter mit Vertretern anderer Kommunen in Verbindung geſetzt; einige waren gegen jede Reform, einige waren dafür, ſie wußten bloß nicht, wie. Dann iſt auch mit dem Vorſtand des Brandenburgiſchen Städtetags geſprochen worden. Nun kommt Herr Kollege Otto und ſagt: ſeht, was wir für einen tüchtigen Oberbürgermeiſter haben, der hat ſogar durchgeſetzt, daß dieſe Frage auf dem Branden⸗ burgiſchen Städtetag erörtert wird. (Stadtv. Otto: Kein Wort!) — Sie haben den Herrn Oberbürgermeiſter dafür belobt! (Stadtv. Otto: Nein, nein!) — Dann nehmen Sie alſo das Lob wieder zurück. (Große Heiterkeit.) — Bitte, leſen Sie Ihre Ausführungen ſelbſt durch: Sie haben ſich lobend darüber ausgeſprochen, daß die Frage auf dem Brandenburgiſchen Städtetag erörtert werden wird, (Stadtv. Otto: Sehr richtig!) und haben den Anſchein erweckt, als ob das auf das Verdienſt des Oberbürgermeiſters zurückzuführen iſt. (Stadtv. Otto: Der Schein trügt!) — Der Schein trügt nicht nur, ſondern es entſpricht gar nicht den Tatſachen. Wenn wir nämlich auf den Magiſtrat und den Oberbürgermeiſter gewartet hätten, ſo würde auf dem Brandenburgiſchen Städtetage die Frage nicht erörtert werden. Daß dieſer Punkt auf die Tagesordnung des Branden⸗ burgiſchen Städtetages geſetzt worden iſt, das iſt dem Vorgehen unſerer Nachbarſtadt Schöneberg zu danken. Schöneberg hat das bereits im vorigen Jahre beantragt. Der Antrag iſt damals nicht be⸗ handelt worden; es iſt aber auf dem Branden⸗ burgiſchen Städtetage erklärt worden, daß der Punkt beſtimmt auf die Tagesordnung des nächſten Städtetages kommen werde. Wir haben von Charlottenburg aus wirklich dazu gar nichts getan. Meine Herren, ich muß aber auch offen ſagen: ob die Sache auf dem Brandenburgiſchen Städtetage verhandelt wird oder nicht, das iſt für eine Reform des kommunalen Wahlrechts ſehr gleichgültig. Man kann ſogar zu der Anſchauung kommen, daß der Brandenburgiſche Städtetag, wenn er ſich damit befaßt, vielleicht eine Reſolution annimmt, daß das Dreiklaſſenwahlſyſtem noch verſchärft werden ſoll. Herr Kollege Otto wird ja auch die Zuſammen⸗ ſetzung des Brandenburgiſchen Städtetages kennen und wird wiſſen, was für „fortſchrittliche“ An⸗ ſchauungen da zutage getreten ſind. Ich erinnere bloß an die Verhandlungen des Brandenburgiſchen Städtetages, ich glaube, vom vorigen Jahre, über das Lehrerbeſoldungsgeſetz. Wenn Herr Kollege Otto ſich dieſer Verhandlungen erinnert, dann wird wohl ſein Zutrauen zu dem Brandenburgiſchen Städtetag ſchwinden. Alſo, meine Herren, ich kann hier offen erklären, daß ich mir von einem ſolchen Vorgehen nichts verſpreche. Die Möglichkeit,