Sitzung vom 3. Mai 1910 irgend etwas zu erreichen, iſt für mich nur dadurch gegeben, daß die einzelnen Kommunen entweder jede für ſich oder auch alle zu gleicher Zeit bei dem Landtage petitionieren. Man ſagt nun: ja, in der heutigen Zuſammen⸗ ſetzung iſt von dem Landtage nichts zu erreichen. Dieſe Zuſammenſetzung wird aber noch einige Jahre andauern, denn darüber wird ſich doch niemand irgend welchen Hoffnungen hingeben, daß etwa ſchon in wenigen Jahren eine freiheitliche Zu⸗ ſammenſetzung des Landtags vorhanden ſein wird. Glauben Sie denn wirklich, daß wir, wenn heute die Mehrheit des Landtags aus lauter Freiſinnigen à 1a Kollege Otto beſtände, eine Reform des kommunalen Wahlrechts in freiheitlicher Richtung erlangen könnten? Ich zweifle daran doch ſehr. Außerdem kann es uns vorläufig ganz gleichgültig bleiben, ob wir momentan etwas erreichen. Wir brauchen nicht ſo lange zu warten, bis der Erfolg vor der Türe ſteht, ſondern wir müſſen ſchon jetzt den Anſtoß geben und immer wieder bohren. Wenn Herr Kollege Otto auch ſagt: das ſind Volksver⸗ ſammlungsredewendungen, die auf ihn keinen Ein⸗ druck machen —, mich rührt das nicht. Damit, daß man beſtimmte Forderungen aufſtellt und dieſen Forderungen auch Nachdruck verleiht, kommt man manchmal viel weiter als mit der feinen Diplomatie, die Herr Kollege Otto an den Tag legt, hinter der in Wirklichkeit nichts ſteckt. Eins iſt mir aber durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Otto evident geworden, der Ver⸗ dacht, den ich ſchon im Jahre 1904 bei Stellung ſeines Antrags gehabt habe, hat ſich mir zur Gewiß⸗ heit beſtätigt. Ich habe mir damals gleich geſagt: der Antrag Otto will nach außen hin den Anſchein erwecken, als ob etwas geſchehe, er will aber in Wirklichkeit verhindern, daß von der Stadt Char⸗ lottenburg irgend welche Maßnahmen zur Be⸗ ſeitigung des kommunalen Wahlrechts ergriffen werden. Das hat Herr Kollege Otto heute indirekt zugegeben: „die Sache iſt ſehr ſchwer, man muß da mit Ernſt vorgehen, er wird auch der weiteren Entwicklung ruhig entgegenſehen“. Meine Herren, damit kommt man eben nicht zum Ziele. Wenn wir darauf warten wollen, können wir uns vielleicht über 10 Jahre noch einmal darüber unterhalten. Dann wird Herr Kollege Otto dieſelbe Rede halten, und wird auch der Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß nichts geſchehen iſt. Wenn wir wirklich praktiſche Erfolge erreichen wollen, dann dürfen wir uns nicht ſolcher Ruhe hingeben, wie das von dem Magiſtrat geſchehen iſt, der Jahre hindurch nichts getan hat, ſondern dann müſſen wir auch dafür ſorgen, daß dem Willen, den wir an den Tag legen, die Taten folgen. Das geſchieht aber nicht dadurch, daß man jahrelang nichts tut. Herr Kollege Otto hat wiederholt erklärt, daß er mit der Antwort des Magiſtrats ſehr zufrieden iſt. Da muß ich Herrn Kollegen Otto erwidern, daß er die Antwort des Magiſtrats nicht verſtanden und ſich überhaupt um die ganze Angelegenheit nicht be⸗ kümmert hat. Die Antwort des Magiſtrats geht dahin, daß ſo gut wie nichts geſchehen iſt. Wir haben ſeit dem Jahre 1906 von dem Magiſtrat keinen Beſcheid auf den Beſchluß der Stadt⸗ verordnetenverſammlung bekommen. Ich erinnere Sie daran, daß wir auf alle Beſchlüſſe, die wir faſſen, und mögen es die allerkleinlichſten Beſchlüſſe ſein, in jedem Jahre von dem Magiſtrat eine Ant⸗ wort bekommen; es wird da der ſogenannte Frage⸗ 213 bogen dem Magiſtrat eingereicht, der der Stadt⸗ verordnetenverſammlung nachher bekannt gegeben wird. Dieſe Frage iſt aber vergeſſen, überſehen worden. Sie iſt ja auch von ſo untergeordneter Bedeutung, daß Herr Kollege Otto und ſeine Freunde nicht einmal Anlaß nahmen, den Magiſtrat zu fragen, wie es denn um die Erledigung der An⸗ gelegenheit ſteht. Meine Herren, wenn Sie wirklich ein Intereſſe an der Beſeitigung des kommunalen Wahlrechts, wie es heute beſteht, hätten, dann wäre es Ihre Pflicht geweſen, ſchon vor Jahren bei dem Magiſtrat anzufragen, warum er noch nichts zur Ausführung des Beſchluſſes der Stadtverord⸗ netenverſammlung getan hat. Das haben Sie nicht gemacht. Wir haben zunächſt ruhig abgewartet, wir wollten einmal ſehen, ob nicht von Ihrer Seite eine ſolche Anfrage geſtellt würde. Erſt nachdem das nicht geſchehen war, ſind wir mit unſerer An⸗ frage an den Magiſtrat herangetreten. Meine Herren, ich kann mich nur dahin zu⸗ ſammenfaſſen, daß ich von der Antwort des Magi⸗ ſtrats nicht befriedigt bin, und daß ich weiter aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Otto die Überzeugung gewonnen habe, daß ihm an der Be⸗ ſeitigung des heutigen Dreiklaſſenwahlſyſtems zu den Gemeindewahlen gar nichts gelegen iſt. Wir unſerſeits werden aus der Debatte die eine Lehre ziehen, daß wir nicht wieder jahrelang auf die Be⸗ antwortung einer Anfrage durch den Magiſtrat warten, ſondern alles daran ſetzen werden, dafür zu ſorgen, daß auf wichtige Beſchlüſſe der Stadt⸗ verordnetenverſammlung möglichſt bald eine Ant⸗ wort erteilt wird. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, wenn es wirklich ſo wäre, daß Herr Stadtv. Otto alles gut heißt, was ich ſage, ſo könnte ich ſehr ſtolz darauf ſein. Aber in Wirklichkeit iſt es nicht ſo, denn wir haben ſchon oft miteinander die Klingen gekreuzt und ſind verſchiedener Anſicht geweſen. Ich kann auch nicht einmal ſagen: leider —, denn ich freue mich eines fröhlichen Kampfes, der auf guten ſachlichen Grundlagen und auf ſelbſtändigen Anſchauungen beruht. Ich habe auch heute nichts davon gemerkt, daß Herr Otto mich gelobt hätte. Er hat ſich ſachlich über die Dinge, über meine Ant⸗ wort geäußert und hat geſagt, daß er mit den ſachlichen Ausführungen, die ich gemacht habe, zu⸗ frieden ſei. (Stadtv. Hirſch: Das iſt doch ein Lob!) Nun ſagt Herr Hirſch: das hat ja Schöneberg beantragt! Nein, meine Herren, das iſt nicht richtig. Schöneberg hat, wie ich geſagt habe, zwar die An⸗ regung dazu gegeben, daß die Angelegenheit im Vorſtande des Städtetages beſprochen worden iſt. Die Tagesordnung zum Brandenburgiſchen Städte⸗ tage ſetzt aber nicht Schöneberg feſt, ſondern die ſetzt der Vorſtand des Städtetages feſt. Es ge⸗ langen an den Vorſtand des Brandenburgiſchen Städtetages ſehr viel Anträge, die nicht auf die Tagesordnung geſetzt, ſondern abgelehnt werden. (Stadtv. Hirſch: Geſtellt iſt der Antrag aber von Schöneberg!) — Das habe ich ausdrücklich geſagt: auf Anregung von Schöneberg. Das Verdienſt aber hat doch jedenfalls der Vorſtand des Brandenburgiſchen Städtetages, daß er die Sache zur Erörterung auf die Tagesordnung des Städtetages geſetzt hat. Das iſt doch auch ein Verdienſt im Sinne des Beſchluſſes unſerer Stadtverordnetenverſammlung. Wenn