Sitzung vom 3. Mai 1910 Anſtoß in dieſer Frage nicht von den Vertretungen der kleinen Städte erwarten, ſondern wir haben ausgeführt, daß der Anſtoß nur ausgehen kann und ausgehen muß lediglich von den Großſtädten. Deswegen war es vom Magiſtrat nicht richtig, daß er dieſe Angelegenheit in einem ſo bedachtſamen Tempo auf die Bahn geſchoben hat, die von der Mehrheit und von Herrn Kollegen Otto mit Beifall aufgenommen worden iſt, vor der Vertretung der kleinen Städte verhandelt zu werden. Wir hatten vielmehr von dem Magiſtrat erwartet — und die Verhandlungen von 1904 laſſen darüber gar keinen Zweifel —, daß der Magiſtrat ſich mit denjenigen Kommunen in Verbindung ſetzen würde, in denen das Unrecht und die wirtſchaftlichen Nachteile, die ſich aus dem gegenwärtigen Syſtem ergeben, ebenſo empfunden werden wie bei der großen Maſſe der Bevölkerung von Charlottenburg, — daß er ſich alſo mit den induſtriellen Großſtädten, ſpeziell auch mit den Großſtädten in unſerer Nachbarſchaft in Verbindung ſetzen würde. In dieſer Richtung iſt leider nichts geſchehen, und daß in dieſer Richtung nichts geſchehen iſt und vielleicht auch weiter nichts geſchehen wird, darin haben mich die Ausführungen des Herrn Kollegen Otto und des Magiſtrats noch beſtärkt. Das kann ich nur bedauern. Wir werden bei verſchiedenen Anläſſen Ge⸗ legenheit nehmen, die Frage von neuem zur Er⸗ örterung zu bringen, wir werden von neuem ver⸗ ſuchen, die Frage in den Vordergrund des Inter⸗ eſſes zu rücken, und wenn dieſes Intereſſe nicht durch unſere Ausführungen hier bei Ihnen erweckt wird, ſo werden wir verſuchen, auf diejenigen Wählermaſſen, die heute noch hinter Ihnen ſtehen, dahin zu wirken, daß auch Sie das notwendige Intereſſe für dieſe Frage gewinnen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Vorſteher Kaufmann: Die Rednerliſte iſt erſchöpft. Damit iſt die Beſprechung der Anfrage erledigt. Stadtv. Dr. Frentzel (perſönliche Bemerkung): Meine Herren, ich halte es für gefährlich, auch nur im Scherze dem Herrn Kollegen Hirſch und ſeinen Freunden den kleinen Finger zu reichen; ſie nehmen dann nicht nur den, ſondern, wie mir der heutige Abend bewieſen hat, die ganze Hand und, wenn ſie können, auch gleich den ganzen Menſchen. (Zuruf bei den Sozialdemotraten: Wenn er nett iſt!) Lediglich um einer gewiſſen Legendenbildung vor⸗ zubeugen, um zu verhüten, daß etwa bei Gelegen⸗ 215 heit der nächſten Wahlbewegung oder auch ſonſt, wenn Sie es für paſſend und richtig halten, in einem Flugblatt ſteht, es hätte ein Mitglied der liberalen Fraktion, das dieſer Fraktion ſchon ſehr lange an⸗ gehört, das auch bereits von ſeinen Freunden des öfteren beauftragt geweſen wäre, den Willen der Fraktion hier zur Kenntnis zu bringen, wie ſicher feſtſtände, in der Fraktionsverſammlung ſeine Mei⸗ nung zugunſten eines Vierklaſſenwahlrechts — vielleicht vermehrt es ſich auch noch: zugunſten eines Fünf⸗, Sechsklaſſenwahlrechts — abgegeben, möchte ich feſtſtellen, daß ich damals, als dieſe Beratung in der Fraktion ſtattfand, überhaupt nicht in Charlottenburg anweſend war, ſondern mich in der Schweiz befand, infolgedeſſen an der Sitzung nicht telnehmen konnte. Im übrigen möchte ich konſtatieren, daß mir noch kein Menſch, vernünftiger oder unvernünftiger, vorgekommen iſt, der im Ernſte jemals von einem Vier⸗, Fünf⸗, Sechs⸗ klaſſenwahlrecht geſprochen hat. Sie werden aus dieſer meiner Kritik wohl erſehen, daß ich im Ernſte niemals auch nur einen derartigen Gedanken ge⸗ habt habe, daß dieſe meine Außerung ſelbſtver⸗ ſtändlich nur eine ſcherzhafte oder vielmehr eine ironiſche geweſen iſt. Stadtv. Hirſch (perſönliche Bemerkung)⸗ Meine Herren, ich lege Wert darauf, feſtzuſtellen, daß ich in demſelben Augenblicke, wo Herr Kollege Frentzel ſeine Bemerkung über das Vierklaſſen⸗ wahlſyſtem gemacht hat, ſelbſt hinzugefügt habe, daß ich dieſe Bemerkung nur ſcherzhaft auffaſſe. Infolgedeſſen war es vollkommen unangebracht, daß Herr Kollege Frentzel es hier ſo darſtellt, als ob ſeitens meiner Freunde m Flugblättern mit derartigen Argumenten operiert wücde. Das überlaſſen wir Ihnen und Ihren Freunden! (Zuruf bei den Liberalen: Na, na!) — Lügenhafte Flugblätter verbreiten wir nicht. Vorſteher Kaufmann: (Gegen den Vorſchlag des Wahlausſchuſſes zu Nr. 25 der Tagesordnung hat Herr Kollege Hirſch Einſpruch erhoben. Es wird darüber in der geheimen Sitzung verhandelt werden. Im übrigen iſt gegen die zur Auslegung gekommenen Vorſchläge des Wahlausſchuſſes keine Einwendung erhoben worden; ſie ſind damit an⸗ genommen. Ich ſchließe die öffentliche Sitzung. (Schluß der Sitzung 9 Uhr 27 Minuten.) Monolype aß und Druck Adolf Gertz G. m. b. H., Charlottenburg.