Sitzung vom 11. Mai 1910 223 Der vierte Punkt beſagt, daß die Kurfürſten⸗ dammlinie in der Fortführung nur bis zur Uhland⸗ ſtraße keine Gewähr für die Entwicklung weiter nach dem Weſten biete. Meine Herren, auch dieſer Vorwurf trifft uns nicht. Denn an und für ſich iſt es ſtets unſere Sache, wie wir nachher die Linie weiterführen ſollen. Aber auf der anderen Seite iſt Wilmersdorf inſofern inkonſequent, als auch die von ihm vorgeſchlagene uns gütigſt angebotene Pendellinie über den Kurfürſtendamm ja durchaus dem Kriterium, welches es jetzt für eine ſolche Linie erhebt, in keiner Weiſe gerecht geworden wäre. Zu berückſichtigen und nicht unbeachtenswert iſt nur ein Punkt dabei, nämlich der von mir zuerſt angeführte: der Verluſt der direkten Oſtlinie. Man kann ohne weiteres ſagen: es beſtand zwiſchen den Verträgen, die die Hochbahngeſellſchaft ſeiner⸗ zeit mit Wilmersdorf geſchloſſen hat, und dem Vertrage, den ſie mit uns am 3. November ge⸗ ſchloſſen hat, eine gewiſſe Diskrepanz, und es be⸗ ſtand eine gewiſſe Schwierigkeit, dieſe beiden Ver⸗ träge zuſammenzubringen. Dies äußerte ſich auch gleich nach unſerem Beſchluß in einer Korreſpon⸗ denz, die zwiſchen Magiſtrat und Hochbahngeſell⸗ ſchaft geführt wurde, in welcher die Hochbahngeſell⸗ ſchaft betonte, daß die Grundlage für unſer Ab⸗ kommen, nämlich die Zuſtimmung der Gemeinde Wilmersdorf, vorläufig noch nicht gegeben wäre, und in der der Magiſtrat wieder ausführte, daß er ſeinerſeits den Vertrag, der geſchloſſen wäre, als vollkommen unabhängig von der Zuſtimmung eines Dritten geſchloſſen anſähe, und daß er deshalb ihn als definitiv betrachten würde. Trotzdem hat der Magiſtrat getan, was ich als richtig erachte: er hat geſagt: wir wollen euch zur Wegſchaffung dieſer Schwierigkeit vollkommen Zeit gewähren und euch dies nicht durch irgendwelches Dazwiſchen⸗ treten unmöglich machen. Dieſe Verhandlungen haben nun ſtattgefunden, und das Reſultat dieſer Verhandlungen iſt eben dieſe Vorlage, in welcher der Magiſtrat ſich die Ermächtigung erbittet, mit der Untergrundbahn einen definitiven Vertrag auf Grund eben dieſer Vorſchläge zu ſchließen. Man könnte fragen: warum kommt der Magiſtrat uns mit dieſer Sache nicht erſt dann, wenn er definitiv mit der Untergrundbahn in allen Verhandlungen fertig iſt, warum in einem Moment, wo noch die Verhandlungen ſchweben? Meine Herren, an und für ſich iſt es ſehr begreiflich, daß der Magiſtrat in einer ſo wichtigen Sache wiſſen möchte und auch wiſſen muß, welches das Minimum der Konzeſſionen iſt, welches er der Hochbahngeſell⸗ ſchaft eventuell einräumen darf. Anderſeits hat auch die Hochbahngeſellſchaft, die ihre Konzeſſionen nicht einreichen kann, bevor ſie nicht einen Ge⸗ meindebeſchluß in Händen hat, welcher ihr die Er⸗ laubnis zur Durchlegung der Strecke über unſer Straßengebiet gibt, das dringendſte Intereſſe daran, nunmehr möglichſt ſchleunigſt eine Kon⸗ zeſſion zu erwirken. Auf dieſe Weiſe hat der Ma⸗ giſtrat ſich entſchloſſen, zunächſt an Sie heran⸗ zutreten, ohne das definitive Ende der Verhand⸗ lungen mit der Hochbahngeſellſchaft abzuwarten. Und nun, meine Herren, zu dem Plan, von dem ich geſagt habe, daß er die Schwierigkeiten, die beſtanden, hinwegſchaffen ſoll. Es wird Ihnen allerdings — das muß ich bedauern — aus den bloßen, freilich ziemlich klar gehaltenen drucklichen Ausführungen doch nicht ganz leicht geworden ſein, zu verfolgen, wie die Linie nun geführt werden ſoll, namentlich wenn Sie das Bild der früheren Linienführung nicht ſo vor Augen gehabt haben und ſich nicht ſo haben einprägen können, wie es mir möglich war, der ich aus den Akten die ſämt⸗ lichen Pläne zur Verfügung gehabt habe. Ich habe mir deswegen zu meinem eigenen Gebrauch, um ſicher zu ſein, richtig zu verſtehen, eine eigene kleine Karte angefertigt, und ich kann annehmen, daß es dem Magiſtrat eine Leichtigkeit geweſen wäre, Ihnen ein ähnliches, nur etwas ſchöner ausgeführtes Exemplar zugehen zu laſſen. Da mir von ver⸗ ſchiedenen Seiten der Wunſch ausgeſprochen worden iſt, das in meinem Referat zum Ausdruck zu bringen, ſo tue ich das hiermit und erſuche den Magiſtrat, künftig ſolche ſchematiſchen Karten ſolchen Vor⸗ lagen beizugeben: ſie werden das Verſtändnis nur erleichtern und damit das Intereſſe an ſolchen Sachen fördern. (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn ich dieſe Karte vornehme, ſo iſt der Unterſchied zwiſchen dem urſprünglichen Projekt und dem Projekt vom 3. November der, daß wir es nur mit drei Bahnſteigen zu tun haben, gegenüber dem erſten Projekt mit zwei zweiſeitigen und zwei einſeitigen, d. h. nur mit einem Schienen⸗ gleis zu belegenden Bahnſteigen, die ein ziemlich ab⸗ getrenntes Leben von dem übrigen Verkehr führen. An dieſen beiden Bahnſteigen lag unſere Linie von und nach der Warſchauer Brücke und dem Kurfürſtendamm. Jetzt haben wir zwei gemein⸗ ſchaftliche Bahnſteige und nur einen, der lediglich für eine Linie beſtimmt iſt. Die Folge davon iſt die, daß ein Reiſender, der von der Warſchauer Brücke kommt und nach dem Kurfürſtendamm will, auf dem nordöſtlichen Bahnſteig ankommt und über dieſen weiter nach dem Kurfürſtendamm fährt. Will er aber nach dem Wilhelmplatz — und das wird für die nächſte Zeit ja immer die größte Anzahl der Reiſenden ſein —, ſo braucht er auf dem Bahnhof Wittenbergplatz — denn das iſt der entſcheidende Platz, und nur deſſen Verkehrsverhältniſſe brauchen wir zu berückſichtigen — nur den Zug zu verlaſſen, geht dann auf die andere Seite des Bahnſteigs, ſteigt in den Zug und iſt geborgen. Nur wer vom Kurfürſtendamm kommt und nicht nach der War⸗ ſchauer Brücke, ſondern nach dem Zentrum, nach dem Leipziger Platz oder weiter nach dem Spittel⸗ markt will, iſt allerdings genötigt, am Wittenberg⸗ platz den Zug zu verlaſſen und nicht mehr auf dem⸗ ſelben Bahnſteig umzuſteigen, ſondern auf einem anderen Bahnſteig, je nachdem, welchen Zug er wählen will, und zwar auf einer Paſſerelle, d. h. auf einer Art Bock, den man treppenartig von dem Bahnſteig aus erreicht, oder aber er kann auch bis zum Gleisdreieck fahren und dort die zu ſchaffende Umſteigegelegenheit benutzen. Es iſt ohne weiteres erſichtlich, daß dieſer neue Plan für die Stadt Charlottenburg weſentliche Verbeſſerungen bringt. Auch für Wilmersdorf bringt der neue Plan noch erheblichere Verbeſſerungen mit ſich. Die Wilmersdorfer können nunmehr nach jeder Richtung hin direkt fahren, ſowohl vom Oſten als auch nach dem Oſten, ſowohl nach dem Leipziger Platz als auch vom Leipziger Platz; immer erreichen ſie einen direkten Zug. Meine Herren, es wäre falſch, zu fragen: ja, warum erreichen denn die Herren in Wilmersdorf mehr als wir? Das wäre ganz ebenſo inkonſequent