Sitzung vom 11. Mai 1910 Anregungen für ihre weitere Tätigkeit in Charlotten⸗ burg finden ſollen, noch einige höhere Beamte, die auch an leitender Stelle ſtehen, ſich die Aus⸗ ſtellung anſehen können, ſo erwarte ich ohne weiteres auch Vorteile für die Entwicklung von Charlottenburg davon. Es kommt der Gartenbau, es kommen die elektriſchen Kraftanlagen in Be⸗ tracht — gerade in Brüſſel, wo die Maſchinen⸗ ausſtellung einen großen Teil der Ausſtellung über⸗ haupt ausmacht und von hervorragender Be⸗ deutung ſein ſoll —; es kommt ferner das Unter⸗ richtsweſen in Frage. Alles Dinge, die eine große Rolle ſpielen, ſind in Brüſſel zu anſchaulicher Dar⸗ ſtellung gelangt. Ich möchte darauf nicht ein⸗ gehen. So ſehr ich auch bedaure, daß man überhaupt die Magiſtratsvorlage eingeſchränkt hat, ſo ſehr ich auch bedaure, daß man keine weitere Kreiſe in dieſe Delegationen hineinzieht, mit derſelben Heftigkeit wende ich mich jetzt aber auch gegen jeden weiteren Antrag, der den Ausſchußantrag noch weiter herab⸗ drücken ſoll. Die Sparſamkeit auf dieſem Gebiete ſcheint mir ganz verkehrt zu ſein. Das iſt eine Pfennigrechnerei, die unſeren Etat ganz gewiß nicht in das Gleichgewicht bringt. (Sehr richtig!) Und auch die Herren, die hinter Herrn Kollegen Bergmann ſtehen, ſind nicht unter allen Umſtänden davor bewahrt, daß ſie in Charlottenburg für alle Ewigkeit nur 100 % Gemeindeumlagen zu zahlen haben, wenn ſie in dieſem Falle 2000 ℳ ſparen wollen. Stadtv. Zander: Namens meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir den Ausſchußantrag ab⸗ lehnen und für den Antrag Bergmann ſtimmen werden. Stadtv. Dr. Crüger: Meine Herren, ich be⸗ finde mich in der eigenartigen Situation, hier er⸗ klären zu müſſen, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch mir viel ſympathiſcher waren als die Ausführungen meines Fraktions⸗ kollegen Bergmann. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich muß offen geſtehen, daß in dieſem Falle der weite Blick doch wohl auf der linken Seite zu ſuchen iſt. (Stadtv. Zietſch: Das iſt ſehr oft ſo!) Ich kann nicht gern dieſes Zugeſtändnis hier ab⸗ geben. Aber, meine Herren, wenn die Ablehnung der Magiſtratsvorlage hier begründet wird, wie es von Herrn Kollegen Bergmann geſchehen iſt, dann fordert das doch offenbar die Oppoſition der Freunde der Vorlage heraus. Ich will gar nicht den großen Wert auf die deutſche Ausſtellung legen, ſondern ich lege viel mehr Wert darauf, daß unſere Magiſtratsmitglieder und höheren Be⸗ amten einen Blick in die ausländiſche Ausſtellung bekommen. Nun kann ja vielleicht geſagt werden, eine Weltausſtellung iſt keine Spezialausſtellung. Aber eine Weltausſtellung zeichnet ſich dadurch aus, daß ſie aus einer großen Menge von Spezialaus⸗ ſtellungen beſteht. Ich habe auch nicht das geringſte Verſtändnis dafür, wie man ſich auf den Standpunkt ſtellen kann: zu einer Spezialausſtellung delegiere ich, aber zu einer Weltausſtellung nicht. Warum? Weil die Weltausſtellung größer iſt als eine Spezial⸗ ausſtellung? 4 1 227 Meine Herren, wenn ich mir die Frage vor⸗ lege, ob es im Intereſſe der Kommune erwünſcht iſt, daß Magiſtratsmitglieder und höhere Beamte dieſe Ausſtellung beſuchen, dann muß doch jeder die Frage bejahen; wünſchenswert iſt es zweifellos. Nun bleibt aber die Frage: wollen wir den Herren die Möglichkeit bieten, die Ausſtellung zu be⸗ ſichtigen? und da wäre mir allerdings das An⸗ genehmſte die Magiſtratsvorlage geweſen. Meine Herren, ich bin auch ein unbedingter Freund der Sparſamkeit; aber doch nicht Sparſamkeit am falſchen Orte! Denn das iſt die allergrößte Ver⸗ ſchwendung! Wenn ſich Magiſtratsmitgliedern und höheren Beamten Gelegenheit bietet, einmal hinaus⸗ zukommen — dann ſollten wir das bekämpfen, weil wir eine Erſparnis von 2000 bis 3000 ℳ machen? Es wird nun ja von dem einen oder anderen geſagt werden: es iſt eine Vergnügungsreiſe. Da muß ich auch offen ſein: das erwarte ich und ver⸗ lange ich nicht von den Herren, daß ſie täglich 12 Stunden in der Ausſtellung zubringen und ſich die übrige Zeit ausſchlafen, um für den folgenden Tag friſch zu ſein. Ich habe ſo die Empfindung, als ob der Vergnügungspark der Ausſtellung mit das Hindernis gegen die Bewilligung dieſer Mittel iſt. Ich würde am liebſten für die Magiſtrats⸗ vorlage ſtimmen, und die Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch könnten mich dazu ermuntern, den Antrag zu ſtellen, die Magiſtratsvorlage wieder herzuſtellen. Aber das mindeſte wäre, daß wir den Ausſchußantrag annehmen, unter keinen Umſtänden dürften wir uns auf den Standpunkt ſtellen, nichts zu bewilligen. Ich ſtelle alſo den Antrag, die Magiſtratsvorlage anzunehmen. Vorſteher Kaufmann: Es iſt ein Antrag auf Schluß der Debatte eingegangen, der genügend unterſtützt iſt. Ich bitte diejenigen, die den Schluß⸗ antrag annehmen wollen, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die Mehrheit. (Rufe: Gegenprobe!) Meine Herren, hier iſt erklärt worden: es iſt die Mehrheit. Dann erfolgt eine Gegenprobe nicht. (Erneute Zurufe.) — Herr Kollege Stein ſagt, er habe es nicht erklärt. Ich laſſe alſo nochmals abſtimmen und bitte jetzt beide Herren Beiſitzer, nachzuzählen. Nach meiner Überzeugung war es die Mehrheit. Ich bitte diejenigen, die dafür ſind, die Hand zu erheben. (Geſchieht.) Das iſt die Mehrheit. Die Debatte iſt geſchloſſen. (Berichterſtatter Stadtv. Otto verzichtet auf das Schlußwort.) Stadtv. Holz (perſönliche Bemerkung): Ich bedaure, daß ich durch den Schluß der Debatte verhindert worden bin, zur Sache einige Aus⸗ führungen zu machen, zu denen ich veranlaßt worden wäre durch die Erklärung des Herrn Kollegen Zietſch, der ſich gewöhnlich bei derartigen Anträgen des Magiſtrats gewiſſermaßen als frei⸗ williger Regierungskommiſſar zeigt. Ich bin der Meinung, daß Herr Kollege Zietſch unrecht tut, wenn er behauptet, daß ich grundſätzlich Gegner derartiger Dienſtreiſen bin. Ich wollte nur darauf hinweiſen, daß ich gelegentlich einer ausführlichen Debatte über dieſen Punkt, wo er auch Gegner