234 Sitzung vom 11. Mai 1910 zahl 60 betragen ſoll. Danach unterliegt es keinem ſtatut erlaſſen werden ſoll. Eventualiter werden wir Zweifel, daß eben bis zu 120 000 Einwohnern 4 dem Antrage des Kollegen Stadthagen zuſtimmen, Zahl der Stadtverordneten feſtgeſetzt iſt, nicht aber bis zu 169 999. Wenn jemand dieſen Zweifel er⸗ hebt, ob die Städteordnung, wenn ſie ſagt: bis zur Einwohnerzahl von 120 000 beträgt die Stadt⸗ verordnetenzahl 60, nicht meinen kann, daß 120 000 in dieſem Falle 169 999 bedeutet, nun dann muß er eben ſchon ein Juriſt ſein. (Heiterkeit.) Alle anderen Leute werden meinen, daß, wenn eben 120 000 überſchritten ſind, die Zahl 60 nicht mehr zutrifft. So viel zu dieſen Bemerkungen des Herrn Berichterſtatters. In der Sache ſelbſt ſtehen meine Freunde nach wie vor auf dem Standpunkt, daß wir ein Orts⸗ ſtatut, welches die Zahl der Stadtverordneten bis auf eine Höchſtgrenze feſtſetzt, durchaus nicht brauchen. Wir brauchen dabei gar nicht die Frage zu erwägen, ob nicht an ſich eine Maximierung der Zahl einmal geboten erſcheint. Vorläufig ſind wir in abſehbarer Zeit noch von der Grenze durchaus entfernt, wo uns eine Maximierung geboten er⸗ ſcheinen könnte. Der Herr Berichterſtatter hat darauf verwieſen, daß im Ausſchuß Anträge von Angehörigen aller Gruppen in dieſem Saale geſtellt worden ſind, welche ein Ortsſtatut vorſahen, und hat daraus geſchloſſen, daß alſo alle Gruppen mit dem Erlaß eines Ortsſtatuts an ſich prinzipiell einverſtanden ſind. Ich glaube, dieſer Schluß des Herrn Bericht⸗ erſtatters iſt ungerechtfertigt. Für meine Freunde kann ich erklären, daß wir zurzeit und auf Jahre hinaus irgendeine Notwendigkeit für den Erlaß eines Ortsſtatuts nicht einſehen können, und wenn einer meiner Freunde im Ausſchuß einen be⸗ ſtimmten Antrag auf Erlaß eines Ortsſtatuts geſtellt hat, ſo iſt das ſelbſtverſtändlich nur ein Eventualantrag, um ein möglichſt großes Orts⸗ ſtatut zu gewinnen, wenn überhaupt ein Ortsſtatut erlaſſen werden ſoll. Die Gründe, die gegen den Erlaß eines Orts⸗ ſtatuts ſprechen, hat der Herr Berichterſtatter ſelbſt hervorgehoben; einmal die geringe Zahl der Stadt⸗ verordneten, die ſchon jetzt, wie auch Herr Kollege Stadthagen anerkannte, nicht mehr ausreichend iſt, die Geſchäfte immer ordnungsgemäß zu erledigen, wenigſtens nicht zu erledigen ohne Überlaſtung der einzelnen Mitglieder der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung; und der zweite Grund iſt, daß in ab⸗ ſehbarer Zeit irgendwelche Übelſtände ſich gar nicht ergeben können. Die Frage iſt ja auch nicht dadurch ins Rollen gebracht, daß etwa die Frage auf⸗ geworfen wurde: iſt in Charlottenburg die Zahl der Stadtverordneten bereits ſo groß, daß in irgend⸗ einer Weiſe ſich Übelſtände ergeben? ſondern da⸗ durch, daß ſich Übelſtände aus der zu geringen Zahl der Stadtverordneten ergaben, und zwar iſt die Zahl geringer, als ſie nach den geſetzlichen Be⸗ ſtimmungen ſein ſoll. Selbſt wenn man nun verneint, daß entgegen den geſetzlichen Beſtimmungen die Zahl der Stadt⸗ verordneten zu niedrig iſt, fehlt alle und jede Ver⸗ anlaſſung, dieſe niedrige Zahl gegenwärtig zu be⸗ grenzen auf eine an ſich auch noch verhältnismäßig geringe Zahl. Meine Freunde werden daher gegen die Vorlage des Magiſtrats ſowohl wie gegen die Ausſchußanträge ſtimmen, daß überhaupt ein Orts⸗ weil dadurch wenigſtens in etwas der beſtehende Übelſtand gemildert wird, auch gemildert wird gegenüber dem Antrage des Ausſchuſſes. Der Herr Berichterſtatter hat weiter noch hervor⸗ gehoben, daß für die Beſchlußfaſſung politiſche Momente in keiner Weiſe in Frage kommen. Ich will ſelbſtverſtändlich glauben und auch gern zu⸗ geben, daß natürlich keinem der Herren irgendwie ein politiſches Moment bei dieſer Abſtimmung zum Bewußtſein gekommen iſt. Aber, meine Herren, nichtsdeſtoweniger iſt es eine unausbleibliche Folge einer ſolchen Maximierung durch ein Ortsſtatut, und zwar einer ſo geringen Maximierung, wie ſie hier vorgeſehen iſt, daß ſehr große Maſſen von Ein⸗ wohnern Charlottenburgs, und zwar von zu⸗ künftigen Einwohnern Charlottenburgs in ihrem Bürgerrecht, in ihrem Wahlrecht benachteiligt werden. Dieſe Höchſtgrenze wird in nicht allzu ferner Zeit erreicht werden, und wenn ſie erreicht iſt, und die Stadt dann in Bezirke eingeteilt iſt — und ich will annehmen, daß ſie bei dem Eintritt dieſer Höchſtgrenze in einer den Anforderungen der Billigkeit entſprechenden Weiſe in Bezirke eingeteilt iſt oder wird —, wenn dann die Stadt einmal in ſolche Bezirke eingeteilt iſt, dann lehren uns die Erfahrungen anderer Städte, daß eine ſolche Ein⸗ teilung, wenn erſt einmal die Zahl der Stadtver⸗ ordneten ſtarr feſtſteht, nun auch als etwas Starres, Unabänderliches, geradezu als etwas Heiliges, Sakroſanktes betrachtet wird, während die Be⸗ völkerung dahin ſtrebt, ſich in Außenteilen anzu⸗ ſiedeln, die in ihrer Bevölkerungszahl über die eigentlichen inneren Stadtbezirke bedeutend hin⸗ auswachſen, deren Bevölkerungszahl nicht mehr zu⸗ nimmt. Es tritt dann alſo eine Benachteiligung derjenigen neu Zuziehenden, die in den weiter außen gelegenen neuen anſiedelungsfähigen Stadt⸗ bezirken wohnen, als eine unausbleibliche Folge ein, und daß das unter den zurzeit gegebenen Verhältniſſen auch eine politiſche Benachteiligung mit ſich bringt, darüber ſind ſich meine Freunde klar, und darüber wird ſich auch jeder klar ſein, der die Dinge ruhig und objektiv anſieht. Stadtv. Meyer: Meine Herren, ich verzichte darauf, mit Herrn Kollegen Borchardt in eine Diskuſſion darüber einzutreten, ob ein oder welcher Unterſchied zwiſchen dem geſunden Menſchen⸗ verſtand und dem juriſtiſchen Verſtande beſteht. Ich begnüge mich, feſtzuſtellen, daß in meinen Augen ein ſolcher Unterſchied nicht vorhanden iſt, daß vielmehr beides identiſche Begriffe ſind, die im Gegenſatze ſtehen zu dem Begriffe der Spitz⸗ findigkeit. Spitzfindigkeit aber iſt es, wenn man den tatſächlichen Verhältniſſen entgegen deduzieren will, daß über die Auslegung des § 12 der Städte⸗ ordnung ein Streit nicht beſteht. Denn wer lediglich die Tatſachen, die einmal ſind, ins Auge faßt, muß anerkennen, daß hierüber Streit herrſcht, und daraus ergibt ſich die Notwendigkeit, dieſen Streit durch ein Ortsſtatut auszuſchalten. Nun gebe ich Herrn Kollegen Stadthagen ohne weiteres zu, daß die Feſtſetzung einer Zahl in einem ſolchen Ortsſtatut in das Gebiet der Quantitätsfragen gehört, hinſichtlich deren man dieſes oder jenes für richtig halten kann. Aber, meine Herren, ich glaube doch, daß wir richtig tun, uns in bezug auf die Zahl eine gewiſſe Beſchränkung