Sitzung vom 11. Mai 1910 Der Antrag lautet: Die Unterzeichneten beantragen, den Ma⸗ giſtrat zu erſuchen, der Stadtverordneten⸗ verſammlung noch in dieſem Etatsjahr eine Vorlage zu machen, die eine Regulierung der Straße Nr. 45 vorſieht, unter der Vor⸗ ausſetzung, daß ein Regulierungsvertrag mit den Anliegern und der Firma Siemens & Halske zuſtande kommt. Antragſteller Stadtv. Wilk: Meine Herren, gelegentlich der Etatsberatung haben wir beim Kapitel Straßenbau beantragt, die Straße 45 in dieſem Etatsjahre zu regulieren. Dieſer Antrag wurde damals abgelehnt, weil ſich in der Dis⸗ kuſſion ergab, daß lediglich ein Formfehler ſeiner Annahme entgegenſtehe. Wir ſind nunmehr den Wünſchen, die in der Debatte ſich gezeigt haben, nachgekommen, und haben unſeren Antrag dahin geändert, daß wir jetzt ſagen: wir beantragen die Regulierung der Straße 45 unter der Voraus⸗ ſetzung, daß ein Regulierungsvertrag mit den An⸗ liegern und der Firma Siemens « Halske zuſtande kommt. Meine Herren, es wird ſich nunmehr gegen den Antrag nicht viel mehr ſagen laſſen, große Bedenken können ihm nicht weiter entgegen⸗ ſtehen, und ich möchte daher bitten, ihm Ihre Zu⸗ ſtimmung zu geben. Auf die Verkehrsverhältniſſe und ſonſtigen Verhältniſſe am Nonnendamm will ich heute nicht noch einmal eingehen; ſie ſind Ihnen zum größten Teil ja allen bekannt, und Sie werden mit mir übereinſtimmen, daß ſie endlich gebeſſert werden müſſen. Stadtv. Otto: Ich habe im Namen meiner Freunde zu erklären, daß wir dem Antrage der Herren Hirſch und Gen. zuſtimmen. Ich habe mich auch überzeugt, daß die Verkehrsverhältniſſe dort die Regulierung der Straße 45 dringend wünſchenswert erſcheinen laſſen, und ich bitte unter der Vorausſetzung der Annahme des ſozial⸗ demokratiſchen Antrages den Magiſtrat, die An⸗ gelegenheit, ſoweit es in ſeiner Macht ſteht, zu beſchleunigen. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung ſtimmt dem Antrage der Stadtv. Hirſch und Gen. zu.) Vorſteher Kaufmann: Der Antrag ſcheint einſtimmig angenommen zu ſein. Zur Geſchäftsordnung hat das Wort der Herr Kollege Borchardt. Stadtv. Dr. Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren, ich möchte beantragen, den nächſten Punkt der Tagesordnung, den erſten Punkt der Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung, in öffentlicher Sitzung zu verhandeln. Materiell iſt dieſer Antrag dadurch begründet, daß wir in gewiſſem Sinne über eine Antwort des Magiſtrats auf einen Beſchluß der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung verhandeln, der in öffentlicher Sitzung gefaßt iſt, weil die Petition, die ſeinerzeit dem Magiſtrat als Material überwieſen wurde, naturgemäß in öffentlicher Sitzung verhandelt wurde. Es würde daher materiell wohl gerechtfertigt ſein, auch über die Antwort des Magiſtrats in öffentlicher Sitzung zu verhandeln. Formell iſt der Antrag dadurch 237 gerechtfertigt, daß der 5 10 unſerer Geſchäftsordnun uns nur vorſchreibt: In geheimer Sitzung ſind ſtets zu er⸗ ledigen die Verhandlungen über. 1. alle perſönlichen Angelegenheiten der Be⸗ amten und Lehrer, namentlich uſw. Nun handelt es ſich hier zwar um eine perſönliche Angelegenheit, aber nicht um eine perſönliche An⸗ gelegenheit eines Beamten oder eines Lehrers, ſondern um eine perſönliche Angelegenheit eines Arbeiters. Es ſteht alſo auch die Geſchäftsordnung der aus materiellen Gründen beſſeren öffentlichen Verhandlung nicht im Wege. Vorſteher Kaufmann: Meine Herren, ich möchte hierzu bemerken: ich habe dieſen Antrag in die Tagesordnung der geheimen Sitzung auf⸗ genommen, weil ich die perſönlichen Familien⸗ verhältniſſe nicht in öffentlicher Sitzung verhandeln laſſen wollte. Da nun ein Antrag nach dieſer Richtung geſtellt iſt, möchte ich bitten, vielleicht aus dieſen praktiſchen Gründen heraus die Verweiſung in die geheime Sitzung gutzuheißen. Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsord⸗ nung): Meine Herren, die Geſchäftsordnung iſt ja in dem Punkt nicht vollſtändig; ſie redet von per⸗ ſönlichen Angelegenheiten der Beamten und umfaßt damit nicht ohne weiteres die Arbeiter. Aber ich meine, wenn ſie fortfährt: namentlich alle Anträge auf Bewilligung von Gehaltszulagen, Gratifikationen und Unterſtützungen — allerdings wieder nur „für die Gemeinde⸗ beamten und Lehrer“ — ſollen in geheimer Sitzung verhandelt werden, dann folgt für mich daraus, daß der Sinn der Geſchäftsordnung ſagen wollte: „derartige Sachen“ ſollen lieber in ge⸗ heimer Sitzung verhandelt werden. Nun, meine Herren, ſind wir bisher nicht ſo ver⸗ fahren. Wir haben, wenn wir vom Petitions⸗ ausſchuß aus Petitionen perſönlicher Natur behandelt haben, ſie regelmäßig hier in öffentlicher Sitzung verhandelt. Wir haben ſie ſogar vielleicht in öffentlicher Sitzung verhandelt, wenn der § 10 dem Wortlaut nach hätte Anwendung finden können: ich kann Ihnen das nicht beweiſen; aber wahr⸗ ſcheinlich werden ſolche Fälle auch vorgekommen ſein. Wr haben Petitionen, die an die Stadt⸗ verordnetenverſammlung gegangen ſind, immer auch in öffentlicher Sitzung verhandelt. Mir iſt wenigſtens kein Fall aus den letzten Jahren bekannt, wo anders verfahren iſt. Aber wenn ſo verfahren iſt, ſo iſt das kein Beweis, das richtig verfahren iſt. Auch ich würde dafür ſein, auch im Intereſſe dieſes Mannes, für den ich nachher ſprechen will, die An⸗ gelegenheit ruhig, wie der Herr Vorſteher vor⸗ geſchlagen hat, in geheimer Sitzung zu verhandeln. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte Sie auch auf den § 30e unſerer Geſchäftsordnung aufmerkſam machen, der ſagt: Die Gewährung von einmaligen oder laufenden Unterſtützungen an Gemeinde⸗ beamte, Lehrperſonen oder ſonſtige ſtädtiſche Bedienſtete oder deren Hinterbliebene. Meine Herren, ich habe den Punkt für die geheime Sitzung angeſetzt, nicht weil es ſich um eine Ge⸗ währung handelt, ſondern um eine Abſtandnahme des Magiſtrats von einer Gewährung; aber das iſt