Sitzung vom 25. Mai 1910 einigen Jahren in allerdings etwas ſchärferer Form von Herrn Kollegen Borchardt ſchon einmal gehört haben. Meine Freunde können das nur aufs tiefſte bedauern. Ich glaube, wir ſind nicht dazu da, um bei einer Perſönlichkeit, die dem Thron ſo nahe geſtanden hat wie die Königin Luiſe, die den Thron in der ſchwerſten Zeit unſeres Vaterlandes ſelbſt inne gehabt hat, — um bei dieſer Königin, der Mutter unſeres unvergeßlichen Kaiſers Wilhelm I., geſchichtliche Unterſuchungen anzuſtellen. Meine Herren Kollegen, wir können uns nur freuen, daß ſich um eine Königin von Preußen ein derartiger Nimbus gewoben hat, und wir können nur mit Freude daran zurückdenken, daß das Königreich Preußen in jener Zeit eine derartige Königin ge⸗ habt hat. (Sehr richtig! bei der Vereinigten alten Fraktion und bei den Liberalen.) Ich glaube, wir haben alle Veranlaſſung, derartige nationale Gedenktage hochzuhalten und uns die Freude an ſolchen geſchichtlichen Perſönlichkeiten nicht verkümmern zu laſſen. Ich bitte Sie daher, möglichſt einſtimmig der Vorlage des Magiſtrats zuzuſtimmen. Stadtv. Otto: Meine Herren, ich möchte im Namen meiner Freunde dieſelbe Bitte an Sie richten. Das „einſtimmig“ iſt natürlich nicht ſo zu verſtehen, daß wir die Hoffnung haben, daß die Freunde des Herrn Kollegen Dr Borchardt der Vor⸗ lage zuſtimmen. (Stadv. Wilk: Seien Sie unbeſorgt!) — Ich würde mir deswegen keine Sorge machen; der Zuruf, ich möchte unbeſorgt ſein, war alſo wohl nicht nötig. Herr Kollege Dr Borchardt hat verſucht, auf grund des geſchichtlichen Standpunktes den Nach⸗ weis zu führen, daß der Kultus der Königin Luiſe unberechtigt wäre. Wenn Herr Kollege Dr Bor⸗ chardt dieſe Frage anſchneidet, ſo muß ich voraus⸗ ſetzen, daß ihm bekannt iſt, daß es ein ſehr eingehen⸗ des hiſtoriſches Buch über die Königin Luiſe gibt, verfaßt von einem unſerer Mitbürger, dem Herrn Archivdirektor Dr Bailleu, in deſſen ſtrengſte wiſſen⸗ ſchaftliche Tendenz von keiner Seite geſetzt werden. Dieſes Buch ergibt zur ißheit, daß freilich auch der Königin Luiſe gewiſſe Schwächen angehaftet haben, die einmal Menſchenlos ſind; aber ſelbſt wenn wir dieſe Schwächen erwähnen, ſo bleibt ſo viel von dieſer Perſönlichkeit übrig, daß das preußiſche Volk nur ſein geſundes Empfinden be⸗ weiſt, wenn es dieſe Perſönlichkeit über alles verehrt. (Bravo! bei den Liberalen und der Vereinigten alten Fraktion.) Und in dieſer Verehrung müſſen die ſtädtiſchen Be⸗ hörden Charlottenburgs ſich mit dem preußiſchen Volke umſomehr eins fühlen, als Charlottenburg den Vorzug hat, die letzte Ruheſtätte dieſer edlen Frau und hehren Dulderin in ſeinen Mauern zu wiſſen. Der Umſtand kann uns freilich keinen Augenblick — ich ſpreche jetzt im Namen meiner engeren Freunde — veranlaſſen, etwa in irgend⸗ welchen Byzantinismus zu verfallen. Wir ſind davon weit entfernt 6 (Stadtv. Wilk: Na, na!) — Herr Kollege Wilk, es iſt vielleicht beſſer, Sie unterlaſſen Ihr zweifelndes „Na, na!“, wir könnten uns ſonſt noch etwas ſchärfer auseinanderſetzen —, und wir haben auch in der Schuldeputation, wo 245 dieſe Frage vorberaten iſt, dieſen Geſichtspunkt ausſchlaggebend ſein laſſen. Herr Kollege Dr Borchardt hat über die Bücher, die verteilt werden ſollen, hier ſchon ein Urteil ge⸗ fällt, ohne ſie zu kennen. Freilich muß ich zugeben, daß er und ſeine Freunde nicht in der Lage waren, an den Vorarbeiten in dieſer Angelegenheit teil⸗ zunehmen, da ſie von der Schuldeputation ausge⸗ ſchloſſen ſind; ich darf Ihnen aber die Verſicherung geben, daß die Auswahl der Bücher — es kommen im weſentlichen zwei Bücher in Betracht — den von mir entwickelten Geſichtspunkten Rechnung trägt, daß es ſich alſo nicht um Bücher handelt, die in all⸗ gemeiner Form nichts weiter als Begeiſterung — nach Herrn Kollegen Borchardt falſche Begeiſterung — wecken ſollen, ſondern — ich denke dabei vor allem an das eine Buch — um Bücher, die auf Grund geſchichtlicher Tatſachen ein Bild der Königin Luiſe zeichnen. Es wird alſo durch dieſes eine Buch vor allem, das das teurere iſt, das wert⸗ vollere, der geſchichtliche Sinn unſerer Volksſchüler nicht verqiftet, ſondern er wird bereichert und ge⸗ läutert werden. (Bravo! vei den Liberalen und der Vereinigten alten Fraktion.) Aus dieſem Grunde werden meine Freunde der Magiſtratsvorlage gern zuſtimmen, weil ſie meinen, auf dieſe Weiſe einer Dankespflicht zu genügen, die das preußiſche Volf im allgemeinen, die die Charlottenburger Bevölkerung im beſonderen zu erfüllen hat. (Bravo! bei den Liberalen und der Vereinigten alten Fraktion.) Stadtv. Dr. Borchardt: Meine Herren, die Ausführungen zunächſt des Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen beweiſen eigentlich nur die Berechtigung des Standpunktes meiner Freunde. Herr Kollege Stadthagen ſprach davon, daß ein Nimbus um die Perſon der Königin Luiſe verbreitet werden ſoll — ein Nimbus, der nicht der geſchichtlichen Wahrheit entſpricht —, und, meine Herren, ſo einverſtanden der Herr Kollege Stadthagen damit iſt, einen Nimbus um die Perſonen, die dem Herrſcherhauſe angehören, zu verbreiten, ſo wenig können meine Freunde es für der Volksgeſundheit zuträglich halten, einen unwahren Nimbus zu verbreiten. Wenn die zur Verteilung kommenden Bücher denjenigen Charakter tragen werden, den Herr Kollege Otto hier zum Ausdruck gebracht hat, ſo werden meine Freunde das gern begrüßen, Aber Sie werden uns ſchon verzeihen, daß wir doch einige leiſe — nein, nicht nur leiſe, ſondern ſehr ſtarte Zweifel darein ſetzen. Das Urteil darüber, was ge⸗ ſchichtlich objektive Darſtellung und was byzan⸗ tiniſch verherrlichende Darſtellung iſt, dürfte eben doch bei den Freunden des Herrn Kollegen Otto und bei meinen Freunden einigermaßen aus⸗ einandergehen. Herr Kollege Otto irrt aber, wenn er meint, daß ich hier einen Nachweis zu führen verſucht habe über die hiſtoriſche Perſönlichkeit der Königin Luiſe. Dazu, um einen hiſtoriſchen Rachweis zu führen, ſchien mir die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung nicht der richtige Ort, ſchien mir auch nicht der richtige Reſonanzboden hier vor⸗ handen zu ſein. (Hört, hört! und Na, na! bei den Liberalen.) Das würde wirklich vergebliche Mühe ſein. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)