Sitzung vom 8. Juni 1910 zu vermeiden, den Preſſedienſt eingerichtet haben. Dieſes Beſtreben, über ſolche wichtigen Angelegen⸗ heiten, welche jeden Bürger bis zu einem gewiſſen (rade intereſſieren, möglichſt ſchnell und authen⸗ tiſche Nachrichten in die Preſſe zu bringen, iſt ja der Grund geweſen, weswegen wir den Preſſe⸗ dienſt geſchaffen und die Gelder dafür gern be⸗ willigt haben. Ich bin nicht genügend informiert, um hier ſagen zu können, daß der Preſſedienſt hier vielleicht nicht ſeine Schuldigkeit getan hat: aber ich möchte doch dem Magiſtrat anheimgeben, an Hand dieſes Vorkommniſſes zu prüfen, ob wirklich die Organiſation unſeres Preſſedienſtes bereits in jeder Weiſe als vollkommen angeſehen werden kann, ob es nicht doch möglich iſt, den Zeitungen ſo ſchnell und authentiſch Nachrichten über ſo wichtige Dinge zukommen zu laſſen, daß ſie gar nicht darauf angewieſen ſind, von irgendeiner Seite — gewiß bona fide — Nachrichten zu bringen, die ſich ſpäter als unzutreffend erweiſen. Ich will nur konſtatieren, daß in dieſem Falle der Preſſe⸗ dienſt nicht mit demjenigen Erfolge gearbeitet hat, den wir wünſchen müſſen, und der im allgemeinen Intereſſe im höchſten Grade erwünſcht iſt. Aber, meine Herren, auch nachdem die Vor⸗ lage in ihrer authentiſchen Geſtalt vorlag, iſt ſie von einer ganzen Reihe von Leuten, zu denen auch eine große Mehrzahl meiner Freunde gehört, nicht gerade mit Empfindungen aufgenommen worden, die man mit Enthuſiasmus bezeichnen könnte; ſondern ganz im Gegenteil, man hat ſich gefragt, und man hat ſich geſagt, daß wir in dem Tempo, unſere Schuldenlaſt zu vermehren, in dem Be⸗ ſtreben, weitere Anleihen aufzunehmen, doch etwas roecht ſchnell vorwärts gehen. Meine Herren, im Jahre 1885 fingen wir beſcheiden mit 6 Millionen an, und es folgten 4 idylliſche Jahre der Ruhe, bis man zu einer weiteren Anleihe in Höhe von 12 Millionen ſchritt. Nach weiteren 6 Jahren folgten 11 Millionen, nach weiteren 4 Jahren 23 Millionen meine Herren, Sie ſehen: die Summen werden immer größer, und die Zeiträume bleiben vorläufig in den alten Intervallen; dann folgten ſchon nach 3 Jahren 24 Millionen, im Jahre 1905, wieder nach 3 Jahren, folgen 26 Millionen, und im Jahre 1908 folgen 40 Millionen. Allerdings iſt dieſe idylliſche Ruhe von 5 Jahren noch einmal von der Anleihe von 1907 in Höhe von 19 Millionen unterbrochen, die ja aber, wie Ihnen bekannt, lediglich zum Erwerb der Waſſer⸗ werte gedient hat und deswegen aus dieſer Be⸗ trachtung ausſcheiden kann. Im Jahre 1908 ſtellen wir zum erſtenmal den Vierzigmillionentypus auf, und es ſcheint beinahe ſo, als wenn wir an dieſem Typus feſthalten wollten. Denn ſchon das Jahr 1910 bringt uns dieſe Vor⸗ lage, die wieder auf 40 Millionen bemeſſen wor⸗ den iſt. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß demgegenüber zu ſagen iſt: ja, die Stadt iſt ganz anders geworden, iſt enorm gewachſen, die Bedürfniſſe haben ſich geſteigert, auch die Einnahmen haben ſich geſteigert. Meine Herren, dieſe Betrachtung der Zahlen hat an und für ſich überhaupt immer etwas Rohes, ja, wenn ich ſagen darf, ſogar etwas Laienhaftes. Denn es kommt gar nicht darauf an, wie hoch die eigentlichen Summen ſind. Aber darüber wird doch wohl niemand im Zweifel ſein, daß, wenn das Wort richtig iſt, das vor einiger Zeit gefallen und viel beſprochen iſt, daß nämlich zur 265 Aufnahme von Geldern eine gewiſſe Genialität gehört, oder, wenn ich mich der gewählten Sprache, welche man im Hauſe der erlauchten, edlen und geehrten Herren anzuwenden beliebt, bedienen darf, daß zum Pumpen Genie gehört, dann darf ich ſagen, daß unſere Finanzverwaltung ſich eine gewiſſes Anrecht auf Genialität erworben hat. (Heiterkeit.) Aber wie geſagt, es iſt mit dieſen Zahlen und mit dieſer Betrachtung an und für ſich nicht getan. Ich ſelbſt würde als Kaufmann unter Umſtänden gar keinen Anſtand nehmen, dem Magiſtrat noch weſentlich größere Summen zu leihen; es kommt nur darauf an, zu welchem Zwecke ſie gewährt werden. Meine Herren, wenn eine Attiengeſell⸗ ſchaft oder ein induſtrielles Unternehmen, um bei unſerem Beiſpiel zu bleiben, ein Elettrizitätswert, eine Gasanſtalt oder irgend ein anderes induſtrielles Unternehmen recht gut arbeitet, wenn es ſo proſpe⸗ riert, daß es unmöglich mit ſeinen Betriebsmitteln die Anforderungen befriedigen kann, die an es geſtellt werden, dann ſchreitet es dazu, neue Gelder aufzunehmen, d. h. es gibt neue Altien aus, und dieſes Vorgehen wird gewöhnlich von denjenigen Leuten, welche bisher Beſitzer der Aktien waren, als ein Zeichen des guten Ergehens betrachtet und hat gewöhnlich ein Steigen der Kurſe im Gefolge. Deswegen würde ich dem Magiſtrat ſehr gern noch größere Summen bewilligen, wenn ſie ausſchließlich und allein für ſolche Zwecke bewilligt werden könnten, die nicht allein ihre Zinſen tragen und ihre Tilgung aufbringen, ſondern in den Stadt⸗ ſäckel noch etwas abführen. Meine Herren, ſo iſt es nun ſelbſtverſtändlich nicht immer möglich. Aber ich muß hier auf die letzten Abſätze der Vorlage kommen und die Sum⸗ men vergleichen, welche für unſere werbenden Anlagen ausgegeben werden ſollen, mit den Summen, welche für die, wie ich es mal nennen darf, unproduttiven Einrichtungen zu inveſtieren ſind. Das Verhältiis dieſer Zahlen zueinander war, wenn wir den Stand vom 1. April dieſes Jahres nehmen, recht günſtig: nur 31% waren in den alten Anleihen auf unproduktive Anlagen ver⸗ wendet, und alles übrige beſtand in den Anlagen für unſere Werke. Wenn wir die jetzige Anleihe anſehen, verſchiebt ſich dieſes Verhältnis ſehr zu⸗ ungunſten der allgemeinen Finanzlage: es ſind nämlich 60% für die unproduktiven und nur der Reſt von 40% für produktive Werke vorgeſehen. Nun ſtimme ich mit dem Herrn Kämmerer, der jedenfalls doch dieſe Aufſtellung gemacht hat, nicht ganz inſofern überein, als er meiner Meinung nach etwas zu ſchwarz gefärbt hat. Man muß nämlich die Summen für die Untergrundbahn entſchieden herausnehmen; denn das iſt doch, wenigſtens bei der Kurfürſtendammbahn von allen Seiten betont worden, daß wir dieſe Summen nicht etwa als verloren anſehen, ſondern, wenn ſie auch à fonds perdu gezahlt werden, ganz beſtimmt hoffen, daß ſie ſich ſelbſt durch die Vorteile, die ſie der Stadt, dem ganzen Verkehr bringen, rentieren werden. Nehme ich dieſe Summe heraus, halte ich ſie, wenn auch nicht gerade für eine werbende, ſo doch für eine ſich wieder erſetzende Summe, ſo bleibt doch das Verhältnis zuungunſten der pro⸗ duktiven Anlagen beſtehen, es verändert ſich von 31 auf 45%. Und wenn ich annehme, daß dieſe Anleihe in der vorliegenden Form bewilligt werden wird, und die ganzen Zahlen zuſammenrechne,