274 nungen. Im Jahre 1867 kam dann die Cholera nach Eſſen; ſie fand dort einen günſtigen Boden vor, auf dem ſie gedeihen konnte, und ſie hat viele hin⸗ gerafft. Die Leute, die Tag und Nacht in der Fabrit, in den Eiſenwerken ſchuften mußten, lebten ja in geradezu miſerablen Verhältniſſen. Dabei ſtieg die Rentabilität der Betriebe, ſtiegen die induſtriellen Papiere von Woche zu Woche. Damals wurde ich Sozialdemokrat, und ich habe damals in Eſſen die er ſt e ſozialdemokratiſche Ver⸗ ſammlung einberufen, die den Anſtoß zu dieſen Beſtrebungen in Eſſen gegeben hat. Es iſt nicht vergeblich geweſen. Viele Kämpfe waren nötig; aber ſie waren nicht ohne Erfolg. Jetzt find z. B. in Eſſen eine. Anzahl ſozialdemokrotiſcher Stadt⸗ verordneter gewählt. Im Reichstag haben die Eſſener Sozialdemokraten allerdings noch keinen Vertreter, dazu war ihre Macht bisher zu klein. Wir haben in den Verſammlungen immer wieder auf dieſe jammervollen Zuſtände der Wohnungen aufmerkſam gemacht. Außer der Cholera haben noch andere Krankheiten dort ſruchtbaren Boden geſunden. Ich erinnere an die Wurmkrankheit, die ſich in großem Maße ausgebreitet hat, auch Ruhr und Nervenfieber haben dort ſtark geherrſcht, gerade wegen dieſer ſchlechten hygieniſchen Zu⸗ ſtände. Ich habe damals mit dem Bürgermeiſter Lindemann geſprochen und ihn interpelliert, ob es nicht möglich wäre, von Stadt wegen etwas zu tun, Wohnungen für die Arbeiter zu ecrichten oder die Regierung dazu aufzufordern. Er gab mir nicht untecht und ſagte, er ſei gar nicht dagegen, aber die Sache müſſe noch überlegt werden, das gehe nicht ſo ſchnell. Ich bin auch nach Düſſeldorf gefahren, um mit dem Regierungspräſidenten zu ſprechen, habe ihn aber nicht getroffen, er war verreiſt, und ich bin dann nicht wieder hingekommen. Wie geſagt, dic Agitation der Arbeiter, meiner Parteigenoſſen, hat es bewirkt, daß allmählich ein Bedürfnis nach beſſeren Wohnungen ſich fühl⸗ bar machte und ſich die Notwendigkeit zur Schaffung beſſerer Wohnungen ergab. Der Bürgermeiſter Lindemann wurde dann nach Düſſeldorf verſetzt, wo er ſich um den Oberbürgermeiſterpoſten be⸗ worben hatte; aber ſeine Nachfolger haben die Auf⸗ gabe auch erkannt und weitergeführt. Es iſt durch⸗ aus notwendig, nicht allein zur Hebung der hygieniſchen, ſondern auch der ethiſchen, der mora⸗ liſchen Verhältniſſe der Bevölkerung, ein Wohnungs⸗ amt zu ſchaffen und die nötige Kontrolle über die Wohnungen auszuüben. Die. Anſprüche an die Wohnungen ſind jetzt ganz andere geworden, als ſie damals, 1866, in Eſſen waren. Solche Fälle kommen nicht mehr vor. Das iſt die Folge unſerer Agitation. Es wird Ihnen ja bekannt ſein, daß auch von anderer Seite in Eſſen Wohnungen errichtet ſind. Von der Kruppſchen Fabrit finden Sie ja auch Pläne auf der Städtebauausſtellung. Schon früher ſind von Krupp dort Arbeiterwohnungen gebaut worden. Gern ſind die Arbeiter dort nicht hingezogen. Das ſind ähnliche Verhältniſſe wohl wie mit den Arbeiterwohnungen von Siemens und Halske, in die die Arbeiter auch nicht gern hineinziehen mögen. Wir wurden ja vom Herrn Oberbürgermeiſter beſonders darauf aufmerkſam gemacht, daß in der Städtebauausſtellung Pläne für kleine Wohnungen ausgeſtellt ſind. Ich möchte glauben, daß an Stelle der Wohnungen, die jetzt kaſſiert werden müſſen, beſonders der Bau von dings derartige Sitzung vom 3. Mai 1910 kleinen Wohnungen in Frage kommt, nicht von großen Kaſernen, in die der Eintritt von Luft und Licht vielfach behindert iſt. Alle dieſe Dinge werden ja noch im Ausſchuſſe beſprochen werden müſſen Hoffentlich werden die Beratungen recht gefördert werden, damit noch vor den Ferien die Einrichtung wirklich ins Leben treten kann. (Bravo!) Stadtv. Jacobi: Meine Herren, ich bin auch Mitglied der Geſundheitspflegekommiſſion und habe den Sitzungen beigewohnt, wo über dieſen Gegenſtand verhandelt worden iſt. Ich bedaure aber, mich dennoch nicht für das Wohnungsamt begeiſtern zu können, obgleich ich vieles, was in der Vorlage enthalten iſt, billige und dafür auch eintreten werde. Ich bin der Meinung, daß die Vorlage einen ſehr großen Fehler hat, der darin beſteht, daß die ſoziale Seite gar keine Berück⸗ ſichtigung gefunden hat. Zu Anfang der Vorlage iſt zwar geſagt, daß auch die ſoziale Seite Be⸗ rückſichtigung findet; ich habe aber, trotzdem ich ſie gründlich durchgeleſen habe, davon nichts finden können. Ich halte dieſe Vorlage in ihrem ganzen Umfange geradezu für eine Unmöglichkeit und bin feſt davon überzeugt, daß der Ausſchuß zu demſelben Reſultat kommen wird. (Unruhe.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch (unterbrechend) Meine Herren, ich bitte, die Privatgeſpräche doch wenigſtens in die Peripherie des Saales zu ver⸗ legen. Stadtv. Jacobi: (fortfahrend): Ich betone: die Vorlage in dem Umfange, wie ſie uns vorliegt. Ich ſtehe auf dem Standpuntkt, daß man nur das Erreich⸗ bare erſtreben ſoll, nicht dasjenige, was nicht zu erreichen iſt, und glaube, daß man einen ſo großen Apparat nicht in Bewegung zu ſetzen braucht, um das zu ſchaffen, was notwendig iſt. Ich will nicht einzelne Sätze der Vorlage herausgreifen, weil ſie außer dem Zuſammenhange vielleicht anders ausgelegt werden können. Aber eins muß ich doch hervorheben. In der Vorlage iſt von der wirtſchaftlichen Uunmöglichkeit die Rede, und es heißt, daß in dieſem Falle — aber nur in dieſem Falle — die Polizei eingreifen ſoll. Alſo wenn eine wirtſchaft⸗ liche Unmöglichkeit vorliegt, dann ſoll die Polizei eingreifen. Ich verſtehe nicht, was man ſich darunter gedacht hat. Die Polizei kann doch eine wirt⸗ ſchaftliche Unmöglichteit nicht möglich machen. (Zuruf.) — Die Polizei kann alles, das iſt richtig. Das heißt doch mit anderen Worten: den Hausbeſitzer, der ſich nicht in der wirtſchaftlichen Lage befindet, die Anforderungen, die an ihn geſtellt werden, zu erfüllen, einfach abwürgen! Meine Herren, entſchuldigen Sie dieſen Ausdruck; anders kann ich es aber nicht auslegen; denn eine wirtſchaftliche Unmöglichkeit kann durch die Polizei nicht be⸗ ſeitigt werden, das iſt unmöglich. Nun werden aller⸗ Anforderungen geſtellt, die ſelbſt Hausbeſitzer eine große Laſt ſein werden. Auf der einen Seite verlangt man eine Anleihe von 40 Millionen und die Zahlung der Zinſen von den Bürgern und in erſter Reihe von den Hausbeſitzern. 4 (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Herr Hirſch, Sie wundern ſich darüber? Das iſt doch eine Tatſache. — Auf der andern Seite dem begüterten