Sitzung vom 8. Juni 1910 legt man den Hausbeſitzern und auch den Mietern derartige Laſten von neuem auf, die noch ſchwerer wirken werden als alle bisherigen, und die nach meiner Meinung unerſchwinglich ſind. Die Vor⸗ lage wird alſo im Ausſchuſſe gründlich darauf ge⸗ prüft werden müſſen, ob ſolche Mängel, wie ich ſie angedeutet habe, vorhanden ſind. In der Vorlage iſt in erſter Reihe auf Eſſen hingewieſen worden; auch von Herrn Kollegen Vogel iſt das geſchehen. Ich glaube, es gibt keinen unpaſſenderen Vergleich als den zwiſchen Eſſen und Charlottenburg. Eſſen iſt eine Stadt von ca. 300 000 Einwohnern und unterſcheidet ſich von Charlottenburg dadurch, daß Eſſen 250 % Gemeindeſteuern erhebt, Charlottenburg nur 100%. (Heiterkeit und Zurufe.) — Ia, trotzdem die Wohnungsaufſicht! — Nun iſt aber Eſſen eine Stadt, die ſich ſo ſchnell wie teine zweite im Deutſchen Reiche entwickelt hat, die in kurzer Zeit von 100 000 auf etwa 300 000 Einwohner geſiegen iſt, und in der infolgedeſſen in kurzer Zeit eine große Anzahl neuer Häuſer gebaut worden ſind, die ſo eingerichtet werden konnten, wie es das hugieniſche Bedürfnis ver⸗ langt. Außerdem gibt es in Eſſen eine Anzahl Multimillionäre, die mit Leichtigkeit ihren Willen durchſetzen und den in ihrem eigenen Intereſſe liegenden Verpflichtungen nachkommen können, für ihre Arbeiterſchaft die paſſenden Wohnräum⸗ lichkeiten zu ſchaffen. Für eine derartige Stadt iſt das eine Kleinigteit. Dabei hat kaum die Stadt⸗ verwaltung etwas mitzuſprechen; ein Herr Krupp braucht bloß zu wollen, und dann geſchieht das, was in einer ſolchen zu 90 % aus Arbeitern beſtehenden Stadt geſchehen kann. In Char⸗ lottenburg liegt die Sache anders. Charlotten⸗ burg iſt meiner Meinung nach gerade die aller⸗ letzte Stadt, wo ein Wohnungsamt einzurichten wäre. Um von der Umgebung von Berlin zu ſprechen, ſo wäre vielleicht Rixdorf die erſte Stadt, die das betreiben müßte. In Charlottenburg gibt es ja überhaupt nur einige Straßen, wo ein Wohnungsamt in Frage kömmen könnte. Welche Straßen kämen denn bei uns in Betracht? Viel⸗ leicht die Wallſtraße, Krumme Straße und noch einige andere. Alſo, meine Herren, ich ſtehe auf dem Stand⸗ punkt, daß es durchaus nicht notwendig iſt, einen ſo großen Apparat in Bewegung zu ſetzen, wie es hier verlangt wird. Die im hygieniſchen Inter⸗ eſſe der Stadt erforderlichen Maßnahmen kann man auch ohnedies treffen. Die hauptſächlichſten Anſprüche der Vorlage würde ich für meine Perſon zurückweiſen. Stadtv. Holz: Meine Herren, ich bin er⸗ ſtaunt, daß mein geehrter Fraktionskollege ſich in derartigen Ausführungen hier ergangen hat. (Sehr richtig!) Ich kann es mir nur dadurch erklären, daß er trotz der Feinheit ſeiner Ausführungen doch nicht ſo in den Geiſt der Vorlage, insbeſondere der Denk⸗ ſchrift eingedrungen iſt, um eine richtige Bewertung der Vorlage zum Ausdruck zu bringen. Ich war gerade im Begriffe, mit wenigen Worten namens meiner ſämtlichen Freunde darauf hinzuweiſen, daß wir mit großer Begeiſterung die Vorlage auf⸗ genommen haben. Ich kann mit dem Herrn Kol⸗ iegen Hirſch vollkommen übereinſtimmen, wenn 275 ich ſage: es iſt gewiſſermaßen ein Ruhmeskranz auf dem ſozialpolitiſchen Wege des Magiſtrats. (Stadtv. Hirſch: Das habe ich nicht geſagt!) Andererſeits möchte ich als Mitarbeiter bei den Vorberatungen darauf hinweiſen, daß die Vorlage ein außerordentlich ſchwer zu beherrſchendes Ma⸗ terial umfaßt und daß das, was ſich in ihr kondenſiert findet, nach Lage der Sache, insbeſondere nach der rechtlichen Seite das zurzeit Erreichbare iſt. Der Schwerpunkt der ganzen Vorlage iſt weniger auf polizeilichem Gebiete als darin zu ſuchen, daß hier endlich einmal auch — in dieſer Beziehung ſtimme ich mit Herrn Kollegen Hirſch überein — ein Organ geſchaffen werden ſoll, das die tat⸗ ſächliche Feſtſtellung ermöglicht, wie die Wohnungs⸗ verhältniſſe in Charlottenburg ſind. Dieſe Mög⸗ lichteit rechtfertigt ſchon allein die Wohnungs⸗ aufſicht! Damit werden wir dahin kommen können, die Mieter durch erzieheriſche Maßnahme zu beein⸗ fluſſen und eine Beſſerung der Verhältniſſe in geſundheitlicher Beziehung herbeizuführen. Dar⸗ aus wird ſich dann ſchon von ſelbſt eine Anderung des großſtädtiſchen Wohnungsweſens ergeben. Ich will jetzt auf die Sache nicht näher ein⸗ gehen. Die gelehrten Vorträge des Herrn Kol⸗ legen Vogel können uns nicht beſtimmen, anders vorzugehen, als die Vorlage es will, und was wir von dem Herrn Vorredner gehört haben, wird kaum die von ihm gewollte Wirkung haben. Im übrigen kann Herr Kollege Jacobi das Material abwarten, das uns der Magiſtrat zu den einzelnen Punkten im Ausſchuſſe vorlegen wird. Er wird ſich überzeugen, daß die Hausbeſitzer nicht daran denken werden, der Vorlage Widerſtand zu leiſten. Nur eins möchte ich noch hervorheben. Meine Herren, wenn hier die Frauenfrage mit beſonderer Energie in den Vordergrund gerückt worden iſt, ſo möchte ich darauf hinweiſen, daß ſchon in den Vorarbeiten dieſe Frage auf das allergenaueſte ventiliert worden iſt. Gewiß, wir ſind uns wohl alle darüber einig, die Frauen ſollen in irgendeiner Weiſe am Wohnungsamt und Woh⸗ nungsweſen beteiligt werden. Aber darüber kann doch kein Zweifel ſein, daß die Frauen nach § 59 der Städteordnung in die Wohnungsdeputation nicht hineinkönnen. Wir haben uns bereits gelegent⸗ lich der Schuldeputationsverhandlung mit derſelben Frage beſchäftigt, haben ſie eingehend juriſtiſch erörtert und ſind zu demſelben Ergebnis gekommen. Der § 59 ſagt ausdrücklich: Bürger kann nur jeder Preuße werden — und das Oberverwaltungs⸗ gericht hat eingehend nachgeweiſen, daß man eine Frau — leider, möchte ich ſagen — noch nicht als Preuße anſprechen kann. Das Geſetz beſteht, wir müſſen es beachten. Zu einer Umgehung des Ge⸗ ſetzes kann ich mich nicht hergeben. Herr Kollege Hirſch mag dafür Sorge tragen, daß das Geſetz abgeſchafft wird; dann werden wir dafür ſein, daß Frauen in die Deputation gewählt werden. Im übrigen möchte ich dem Herrn Kollegen Jacobi die Bitte ans Herz legen, wenn er in den Ausſchuß gewählt werden ſollte, oder jedenfalls für die nächſte Sitzung, ſich die Akten genau an⸗ zuſehen, damit er nicht — ich ſage das, ohne ihm perſönlich zu nahe zu treten — dasjenige diskre⸗ ditiere, was uns allen am Herzen liegt. Das Woh⸗ nungsamt iſt mit ſolcher Liebe vom Magiſtrat an uns herangebracht worden, iſt mit ſolcher Liebe von uns allen aufgenommen worden, daß, wenn man dagegen ankämpfen und die darin enthaltenen