290 Sitzung vom 22. Juni 1910 ihr ſonſt beizulegen ſein würde. Weiter führte der habe ich dafür aufgewendet, 300 000 ℳ. habe ich Referent damals aus, daß wir wahrſcheinlich in der Notwendigkeit ſein würden, in verhältnismäßig kurzer Zeit eine erneute Beratung der Wertzuwachs⸗ ſteuerordnung vorzunehmen, um das, was ſich als verbeſſerungsfähig herausſtellen ſollte, zu ändern. Nach meiner Anſicht und der Anſicht meiner Freunde iſt dieſer Zeitpunkt bereits jetzt gekommen. Daher haben wir den Antrag geſtellt, den Magiſtrat zu er⸗ ſuchen, uns ſchleunigſt eine Vorlage zu machen, welche die Anderung desjenigen Paragraphen, der in erſter Linie verbeſſerungsfähig iſt, nämlich des § 5, bezweckt. Ich ſage, daß wir bereits jetzt den Zeitpunkt für gekommen erachten, eine Anderung unſerer Wertzuwachsſteuerordnung vorzunehmen; denn das Reſultat der Verhandlungen der Reichstagskom⸗ miſſion für den Entwurf der Reichswertzuwachs⸗ ſteuer iſt uns bekannt. Die Beſchlußfaſſung über das Geſetz iſt nicht ſo ſchnell erfolgt, wie wir damals annahmen. Der Reichstag hat ſich vertagt, und es iſt kaum anzunehmen, daß die Beratungen im Plenum vor Anfang nächſten Jahres erfolgen werden. Es liegt uns aber der Bericht der Reichs⸗ tagskommiſſion in zweiter Leſung vor, aus dem wir uns ein Bild machen können, wie die Reichs⸗ wertzuwachsſteuer, wenn ſie überhaupt zum Geſetz erhoben werden ſollte, ausfallen wird. Da möchte ich einen weſentlichen Punkt herausgreifen, der mich zur Einbringung meines Antrages veranlaßt hat. Die Kommiſſion für die Vorberatung der Reichs⸗ wertzuwachsſteuer hat ſich nämlich auf einen ganz anderen Standpunkt geſtellt, als wir ihn in unſerer Wertzuwachsſteuerordnung aufgenommen haben. Laut § 10 der Reichswertzuwachsſteuerordnung ſoll der Wertzuwachs derart feſtgeſtellt werden —-— Vorſteher ⸗Stellv. Dr. Hubatſch (unter⸗ brechend): Ich muß den Herrn Redner unterbrechen. Nach § 43 der Geſchäftsordnung iſt das Ableſen ſchriftlich abgefaßter Reden unzuläſſig. Ich muß Sie alſo bitten, nicht wortgetreu vorzuleſen. Antragſteller Stadtv. Brode: Ich leſe nicht alles ab; ich habe nur einzelne Stellen aus dem früheren Referat und aus dem Bericht der Reichs⸗ tagskommiſſion verleſen. Laut § 10 der Reichswertzuwachsſteuerordnung ſoll der Wertzuwachs derart ermittelt werden, daß die Aufwendungen dem Selbſtkoſtenpreiſe zuzu⸗ rechnen ſind, während wir laut § 5 unſerer Wert⸗ zuwachsſteuerordnung die Aufwendungen vom Ver⸗ äußerungspreiſe abziehen. Sie werden den Unter⸗ ſchied leicht verſtehen, wenn ich Ihnen ein Beiſpiel anführe. Wenn z. B. jemand ein Grundſtück für 50 000 ℳ erſteht und darauf ein Gebäude im Werte von 200 000 ℳ aufführt, dann dieſes Grundſtück für 300 000 ℳ verkauft, dann würde nach unſerer Wertzuwachsſteuerordnung der Nutzen wie folgt herausgerechnet werden: 300 000 ℳhe minus 200 000 ℳ Aufwendungen bleiben 100 000 , gezahlt hat er für das Grundſtück 50 000 ℳ, folglich hat er einen Wertzuwachs von 50 000 ℳ, d. h. 100% erzielt. Auf einen ganz anderen Standpuntkt ſtellt ſich die Reichstagskommiſſion, und dieſen Stand⸗ punkt haben, ſoweit mir bekannt iſt, ſämtliche Handelskammern und alle Korporationen einge⸗ nommen. Man rechnet nämlich — ſo kalkuliert man im geſchäftlichen Leben überhaupt —: 50 000 ℳ habe ich für das Terrain gezahlt, 200 000ℳ erhalten, infolgedeſſen habe ich 50 000 ℳ bei 250 000 ℳ. Aufwendung, d. h. 20% verdient. Aus dieſer außerordentlich großen Differenz geht hervor, wie rigoros gerade die Charlottenburger Wertzuwachsſteuerordnung in dieſem Punkte ge⸗ faßt iſt. Keine einzige Gemeinde von den ſämtlichen Groß⸗Berliner Gemeinden hat ſich auf dieſen Standpunkt geſtellt. Nun könnte man ja ſagen: es iſt zwecklos, heute eine Anderung der Wertzuwachsſteuerordnung zu beantragen oder zu beſchließen, weil doch die Reichswertzuwachsſteuerordnung mit rückwirken⸗ der Kraft eingeführt werden wird. Meine Herren, das iſt nur eine Annahme, das wiſſen wir nicht. Jeder, der heute in Charlottenburg ein Grundſtück kauft, muß mit den gegebenen Ver⸗ hältniſſen rechnen, das heißt, er muß mit un⸗ ſerer Wertzuwachsſteuer rechnen, die in dieſer Beziehung weit rigoroſer iſt als die der Nachbar⸗ gemeinden. Die Folge davon iſt, daß wir, ohne wahrſcheinlich einen Vorteil zu haben, wenn das Geſetz mit rückwirkender Kraft eingeführt wird, den Grundſtücksmarkt in Charlottenburg erſchweren, wie das ſchon häufiger an dieſer Stelle betont worden iſt, und daß ſich die Intereſſenten lieber nach den Nachbargemeinden wenden und dort Grundſtücke kaufen reſp. bebauen. Daraus erwächſt für die Stadtgemeinde der Nachteil, daß ſie nicht nur keine Wertzuwachsſteuer, ſondern auch keine Umſatzſteuer einnimmt. Wir würden uns alſo bei der Aufrechterhaltung unſerer jetzigen Wertzuwachs⸗ ſteuerordnung auf der einen Seite durch den Rück⸗ gang der Umſatzſteuer ſchädigen, ohne daß wir auffder anderen Seite einen Vorteil davon haben. Ich bitte daher den Magiſtrat, uns ſchleunigſt eine Vorlage zu machen, die die Anderung dieſes § 5 im Sinne des § 10 der Reichswertzuwachsſteuer⸗ ordnung vorſieht. Stadtv. Jolenberg: Meine Herren, der An⸗ trag Brode iſt mir zu Händen gekommen, als ich mich außerhalb Charlottenburgs während meines Kur⸗ aufenthalts in Karlsbad befand. Ich muß ſagen, daß ich den Antrag mit ganz beſonderer Freude und Genugtuung geleſen habe. Namentlich iſt mir dabei auch der Zeiten Wandel aufgefallen. Wie war es denn vor 3 Monaten, als wir die Wertzuwachsſteuer⸗ ordnung hier berieten? Mein Freund Frentzel ſang das Lob dieſer Vorlage in hohen Tönen. Er hob ganz beſonders die Milde hervor, die unſere Steuerordnung zeigte. Ich erwiderte darauf, daß ich doch einige Härten in dieſer Ordnung ſähe, die andere Gemeinden in Groß⸗Berlin nicht haben, und ich führte Ihnen an einem Beiſpiele vor, daß es richtiger wäre, die Aufwendungen für ein Grund⸗ ſtück dem Einkaufspreiſe zuzurechnen, ſtatt vom Verkaufspreiſe abzurechnen. Ich habe Ihnen ein ähnliches Beiſpiel vorgeführt, wie eben Herr Kollege Brode. Ich habe geſagt: 100 000 ℳ koſtet das Terrain, für 200 000 ℳ wird darauf gebaut, macht Einkauf 300 000 ℳ, es wird verkauft mit 325 000 ℳů Verdienſt 25 000 ℳ. Nach unſerer Wertzuwachs⸗ ſteuerordnung heißt das ein Verdienſt von 25%, muß alſo entſprechend verſteuert werden. Nach anderen Wertzuwachsſteuerordnungen und nach der Rechnung, die allgemein üblich iſt, machen aber 25 000 ℳ auf 300 000 ℳ nur 8/% aus. Darauf hat mein guter Freund Jaſtrow „Unſinn!“ gerufen. (Heiterkeit.)