294 Sitzung vom 22. Juni 1910 Kapital entſtanden iſt, will ja kein Befürworter! zu kennzeichnen, wie es Herr Kollege Jolenberg der Wertzuwachsſteuer beſteuern, und den be⸗ ſteuert auch keine Wertzuwachsſteuerordnung, vor allen Dingen auch nicht unſere Charlottenburger Wertzuwachsſteuerordnung. Die Befürworter der Wertzuwachsſteuer wollen den Wertzuwachs be⸗ ſteuern, der dem Grund und Boden zufließt, und zwar ohne jede Aufwendung von Arbeit, ohne jede Verwendung von Kapital auf dieſen Grund und Boden ſeitens der Beſitzer, ſondern lediglich durch die allgemeinen Verhältniſſe, durch die all⸗ gemeine Arbeitsaufwendung in der Gemeinde, oft durch Aufwendungen in der Gemeinde, die ſich unmittelbar direkt in Mark und Pfennigen aus⸗ drücken laſſen, die aber mit dem auf dem Grund und Boden ſtehenden Hauſe und mit dem im Grundbuch eingetragenen Beſitzer des Grund und Bodens auch nicht das allermindeſte zu ſchaffen haben. Nur wo ein ſolcher Wertzuwachs nachweis⸗ bar iſt, da ſoll die Wertzuwachsſteuer eingreifen. Wenn alſo in dem vom Herrn Stadtverordneten Jolenberg angeführten Beiſpiel ein beſteuerbarer Wertzuwachs von 25 000 entſtanden iſt, ſo iſt es ein in dieſer Weiſe charakteriſierter Wertzuwachs, der alſo mit dem Hausbau nicht das allermindeſte zu tun hat, der lediglich für den nackten Grund und Boden geſchaffen iſt, der in genau der gleichen Weiſe dieſem Boden zugefloſſen wäre, ob das Haus darauf gebaut worden wäre, oder nicht. Wäre das Haus nicht gebaut worden, ſondern wäre das Grundſtück als Bauſtelle zum Verkauf gekommen, ſo würde eben dieſe Bauſtelle mit 100 000 ℳ und nachher mit 125 000 ℳ bewertet worden ſein, weil der Grund und Boden jener Gegend um 25 000 ℳ für 100 000 geſtiegen iſt. Meine Herren, nun frage ich in aller Welt, welche Ratio, welche Logik, welche Vernunft liegt darin, in künſtlicher Weiſe den Bodenwert, auf den man eine Wert⸗ zuwachsſteuer erheben will, in die Höhe zu ſchrauben und zu ſagen: da iſt ein Gebäude aufgeführt, das hat 200 000 ℳ gekoſtet, wir rechnen uns alſo einen Bodenwert von 300 000 ℳ heraus! Einen Bodenwert! — Denn die Steuer ſoll auf den Bodenwert erhoben werden, auf den Wertzuwachs am Boden. Das iſt alſo ſelbſtverſtändlich ganz unlogiſch, ganz untheoretiſch, vollkommen unprak⸗ tiſch und falſch. Unpraktiſch inſofern, als ſteuer⸗ liche Einrichtungen theoretiſch richtig aufgebaut ſein ſollen. Unprattiſch freilich nicht für denjenigen, der auf dieſe Weiſe es erlangen will, nunmehr eine ſehr viel geringere oder auch gar keine Steuer zu zahlen. Wenn jemand einen ſolchen Wertzu⸗ wachs von 25 000 ℳ auf 100 000 ℳ Bodenwert effektuiert, dann verlangen wir, da er einen 25 pro⸗ zentigen Werzuwachs hat, von dieſen 25 000 eine erhebliche Steuer. Allerdings, wenn Sie ihm geſtatten wollen, zu ſagen: o, ich habe auch noch gebaut, ich habe noch in anderer Weiſe Ka⸗ pital verwendet — vielleicht geſtatten Sie ihm auch, zu ſagen, daß er Kapital in einem Geſchäft hat, das er ſonſtwo auf dem Grundſtück errichtet hat —, ſo daß ich im ganzen nicht bloß mit einem Kapital von 100 000, ſondern von 300 000 ℳ beteiligt bin —, dann wird er daraus den Schluß ziehen: ich habe ja bloß 8½ % Gewinn hier effektuiert, alſo brauche ich gar keine Steuer zu zahlen. Meine Herren, das iſt der ſpringende Punkt. Sie haben ja die Wertzuwachsſteuer für Charlottenburg in einer derartig — ich bin nicht gewohnt, Stadtverordnetenbeſchlüſſe als unſinnig getan hat (Stadtv. Jolenberg: Bitte ſehr, das habe ich nicht getan!) — alſo ich will ſagen: Sie haben die Wertzuwachs⸗ ſteuer in einer derartig unwirkſamen Weiſe geſtaltet, daß der Wertzuwachs von 25 000 ℳ eben nicht unter allen Umſtänden beſteuert wird. Sie haben geſagt: 25 000 ℳ ſind nicht unter allen Umſtänden 25 000 ℳ, es kommt darauf an, von welchem Ka⸗ pital ſie erworben ſind. Sie wollen alſo 25 000 Wertzuwachs nicht unter allen Umſtänden be⸗ ſteuern, Sie wollen ſagen: ja, wenn die 25 000 ℳ ein geringer Prozentſatz ſind, dann laſſen wir ſie ſteuerfrei. Wenn Sie die Summe nun von dem an⸗ geblichen Anſchaffungswert von 300 000 ℳ be⸗ rechnen, ſtatt von dem wirklichen Anſchaffungs⸗ wert von 100 000 ℳ, dann freilich haben Sie das erreicht, dann ſind nur 8¼ 0 Wertzuwachs vor⸗ handen, dann kann die Stadt ſehen, ob ſie die Wertzuwachsſteuer bekommt. Sie wollen ſie ihr jedenfalls nicht geben. Alſo, meine Herren, logiſch richtig iſt der Stand⸗ punkt, den die Stadtverordnetenverſammlung und der Magiſtrat eingenommen haben. Das geht unter anderem auch daraus hervor, daß eine Reihe anderer Magiſtrate, daß auch die Reichsregierung, das Reichsſchatzamt genau dieſen ſelben Stand⸗ punkt eingenommen haben. Der Magiſtrat der Stadt Berlin hat eine Wertzuwachsſteuer der Berliner Stadtverordnetenverſammlung vorgelegt, bei der in genau derſelben Weiſe der Wertzuwachs berechnet war, wie es in unſerer Vorlage ge⸗ ſchehen iſt. Das Reichsſchatzamt hat eine Reichs⸗ wertzuwachsſteuervorlage eingebracht, bei der in genau derſelben Weiſe der Wertzuwachs berechnet worden iſt, wie es in unſerer Steuerordnung der Fall iſt. Nach Herrn Jolenberg ſind ſich alle dieſe Magiſtrate und Reichsämter nicht klar darüber, was ſie eigentlich verlangen. Meine Herren, auch dieſe Magiſtrate und Reichsämter waren ſich über die Wirkung vollkommen klar. Herr Stadtverordneter Jolenberg beruft ſich nun darauf, daß die erleuchtete Kommiſſion des Reichstags der unſinnigen Beſtimmung der Re⸗ gierungsvorlage des Reichsſchatzamts ſofort die Giftzähne ausgebrochen hat und anſtatt der ver⸗ nünftigen Berechnung des Reichsſchatzamts und des Magiſtrats von Charlottenburg diejenige ein⸗ geführt hat, die der Herr Stadtverordnete Jolen⸗ berg für die vernünftige hält — die allerdings im Sinne derjenigen Herren vernünftig iſt, die die Steuer nicht gern zahlen wollen. Daraus erſehen Sie auch ſchon, wer dieſe Leute ſind, die die Steuer⸗ ordnung ſo umgeändert haben, daß eine ſo unver⸗ nünftige Berechnung hineingekommen iſt, wie ſie der Antrag Brode auch von unſerer bis jetzt noch halbwegs vernünftigen Steuerordnung verlangt. Es ſind nämlich diejenigen, die verhindern wollen, daß dieſe Steuer wirkliche Erträge bringt. In Berlin kann man allenfalls ſagen; der finanzielle Effekt wird kein ſehr erheblicher ſein, ob man es ſo oder ſo rechnet. Die Berliner Stadtverordneten⸗ verſammlung hat ſich wenigſtens in der Beziehung auf einen ſehr vernünftigen Standpunkt geſtellt, indem ſie geſagt hat: 25 000 ℳ ſind unter allen Umſtänden 25 000 ℳ, und wo ein Wertzuwachs von 25 000 ℳ entſtanden iſt, gleichgültig, ob er auf 10 000, auf 50 000, 100 000, 300 000 oder 1 Million Mark entſtanden iſt, immer iſt es ein Wert⸗