Sitzung vom die noch ſprechen wollen, ſich ausgiebig geäußert haben, den Antrag abzulehnen. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten. Bravo! Bravo! bei den Liberalen.) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, der Herr Vorredner hat ſeine Rede mit einem ge⸗ wiſſen Pathos angefangen, indem er ausführte, es wäre doch von den Antragſtellern unrecht, zu verlangen, daß hier einſtimmig gefaßte Beſchlüſſe nun ſobald wieder umgeändert würden. Er ſchloß aber damit, daß, wenn die Steuerſchraube in ſeinem Sinne recht ſcharf angezogen würde, er ſehr gern mittun und er es in dieſem Falle dem Magiſtrat durchaus nicht verdenken würde, wenn er einer derartigen Abänderung der vorliegenden Steuerordnung zuſtimmen wollte. Sonſt aber dürfte der Magiſtrat in eine Abänderung wegen der Heiligkeit der gefaßten Beſchlüſſe nicht willigen. Dadurch hat ſich der Herr Vorredner ſelbſt widerlegt. 5 Meine Herren, wenn ich nicht ein ſo lamm⸗ frommes Gemüt hätte, ſo würde es mich mit einer gewiſſen der Schadenfreude nahen Genugtuung berühren müſſen, daß die Warnungen, die ich im März d. I. zugleich im Namen meiner Freunde gegen die überſtürzte Annahme der Wertzuwachs⸗ ſteuerordnung habe ergehen laſſen, einer Steuer⸗ ordnung mit ſo vielen Mängeln, die wir hervor⸗ gehoben haben, und unter anderem auch mit dieſem Mangel der Berechnung behaftet, — bei Ihnen ſobald Gehör gefunden haben und Sie jetzt auf meinen Standpunkt zurückkommen. Ich habe insbeſondere damals darauf hingewieſen, „daß die abnorme Eile bei der Beſchlußfaſſung nicht notwendig war. Ich habe ebenfalls ein Zahlen⸗ beiſpiel gegeben wie der Herr Kollege Jolenberg, nur habe ich der Stärke meiner Gruppe entſprechend etwas kleinere Zahlen genommen. Meiner An⸗ ſicht nach war dieſes Zahlenbeiſpiel aber wirk⸗ ſamer, denn es kam dabei heraus, daß bei der jetzt vorgeſchlagenen, meiner Anſicht nach richtigen Berechnung ein Wertzuwachs von 16% entſteht, alſo ein Zuwachs, der nach unſerer Steuerordnung noch immer in die zweite Klaſſe der Beſteuerung hineinfällt, daß hingegen bei der anderen Be⸗ rechnung ſich ein Wertzuwachs von über 100 %, ergibt; es iſt hiernach alſo noch eine viel größere Ungleichheit und Ungerechtigkeit entſtanden als bei dem Beiſpiel des Kollegen Jolenberg. Die Zahlen, die ich damals angeführt habe, waren: Erwerbspreis 7250 ℳ, Baukoſten 45 000 ℳd und Verkaufspreis 60 000 ℳ. Es kam ein Wertzu⸗ wachs von 7750 ℳ heraus, der nach der jetzigen Berechnung über 100 % Wertzuwachs bedeuten würde. Der Grund, dender Herr Kämmererangeführt hat, um ein ſolches Ergebnis zu verteidigen, trifft meines Erachtens ſchon deswegen nicht zu, weil ſich das Gebäude unmöglich vom Grund und Boden trennen läßt. Es iſt eine alte Regel des römiſchen Rechts, die von jedem andern Recht und auch vom Bürgerlichen Geſetzbuch angenommen worden iſt, daß das Gebäude plus Grund und Boden eine Geſamtheit bildet. Deswegen iſt es unrecht, wenn die vom Herrn Kollegen Borchardt verteidigte Methode angewandt wird, daß vom Verkaufspreis des Wert des Gebäudes abgezogen und der dadurch gewonnene Betrag dem Erwerbspreis der Terrains gegenübergeſtellt wird. Dadurch entſteht ein ſchiefes, den Tatſachen nicht entſprechendes Ver⸗ 22. Juni 1910 297 gleichsverhältnis. Auch inſofern, glaube ich, iſt die Argumentation des Kollegen Dr Borchardt un⸗ logiſch, als er, wenn er ſeiner Theorie folgen würde, beim Kauf eines bebauten Grundſtücks den Wert des ſtehenden Gebäudes von dem Preiſe abziehen müßte, denn er ſagt ja: nur der Grund und Boden bringt einen unverdienten Wertzuwachs. Er müßte alſo, wenn der Erwerber 300 000 ℳ für ein Grund⸗ ſtück gezahlt hat, ſagen: das, was darauf ſteht, iſt 200 000 ℳ wert der Preis des Grund und Bodens war alſo 100 000 ℳ. Wenn nun der Mann nach 10 Jahren für 350 000 ℳ verkauft, müßte er 200 000 ℳ. oder unter Berückſichtigung der Ab⸗ nutzung des Gebäudes ſogar nur 180 000 ℳ ab⸗ rechnen, ſo daß 170 000 ℳ dem Erwerbspreis von 100 000 ℳ gegenüberſtehen, alſo % Zuwachs. Das wäre die logiſche Konſequenz der Ausführungen des Herrn Kollegen Borchardt, während nach der von ihm gebilligten, geltenden Berechnung nur 300 000 mit 350 000 ℳ verglichen werden, was nur % Zuwachs ergibt. Ferner überſieht auch Herr Kollege Borchardt bei ſeinen Ausführungen gerade, daß derjenige der ein Grundſtück kauft und es dann bebaut, viel weniger einen unverdienten Wertzuwachs einſtreicht als derjenige, der das fertige Gebäude kauft; denn der erſtere ſteckt ja ſein Nachdenken und ſeine Arbeit unter einem Riſiko hinein, was der Käufer des fertigen Gebäudes nicht tut. Sodann, meine Herren, kommen Sie auch zu dem doch durch⸗ aus unbilligen Ergebnis, daß derjenige, der annimmt, daß für eine gewiſſe Gegend die Konjunktur günſtig ſein wird, und in der Abſicht, ſich ein gutes Zinshaus zu kaufen, ein fertiges Haus erwirbt, das gute Mietserträge liefert und ſich rentiert, beim Verkauf des Hauſes nach der geltenden Skala ver⸗ hältnismäßig viel geringer zur Steuer eingeſchätzt wird als der andere, der nebenan ein Terrain kauft, ſich all den Mühen des Bebauens ausſetzt und doch auch dazu eine gewiſſe Kunſtfertigkeit aufwenden muß. Der eine verſteuerte bei dem vorigen Beiſpiel 300 000 zu 350 000 ℳ., alſo nur , während der andere für einen Zuwachs von 50% bluten müßte. Ich ſehe darin keine Billigkeit und keine Logik. Ich kann nur ſagen, daß die Ausführungen des letzten Vorredners rein vom fiskaliſchen Standpunkt aus gelten können, daß auch von dieſem Standpunkt aus natürlich das Reichsſchatzamt ſeine Vorſchläge machte, daß aber diejenigen, die nicht von der Stellung des Finanzminiſters, ſondern vom Stand⸗ punkt der Billigkeit und Gerechtigkeit aus die Sach⸗ lage beurteilen, für den geſtellten Antrag ſtimmen müſſen. Meine Herren, nicht nur aus Rückſichten der Billigkeit, ſondern auch vom akademiſchen Stand⸗ punkt aus müſſen wir für den Antrag eintreten. Er iſt entgegen der Anſicht des Herrn Kollegen Borchardt vom akademiſchen Standpunkt aus durch⸗ aus richtig und zu rechtfertigen. Wie ich Ihnen eben dargelegt habe, bilden Terrain und Gebäude eine Geſamtheit, und daher iſt auch theoretiſch die Berechnung richtig, die der Antrag Brode will. Des⸗ halb hoffe ich, daß der Magiſtrat bei näherer Er⸗ wägung der Sachlage ſich dieſer Anſicht anſchließen und daß er ſich nicht durch den Einwurf ſchrecken laſſen wird, es ſei nicht angängig, in ſo kurzer Zeit eine angenommene Vorlage derjenigen Anderung zu unterziehen, die der Gerechtigteit entſpricht. (Bravo!)