298 Stadtv. Dr. Frentzel: Meine Herren, ich habe zu den Unterſchreibern dieſes Antrages gehört, der uns augenblicklich beſchäftigt, und ich muß dem Herrn Kollegen Borchardt gegenüber feſtſtellen, daß ich ganz genau gewußt habe, was ich tue, daß ich auch ganz genau gewußt habe, was ich bei der Einbringung der Vorlage tat, als ich Ihnen dieſe empfahl. Herr Kollege Borchardt hat angeführt, daß Herr Kollege Meyer anſcheinend nicht gewußt hätte, was er getan hat, als er den Antrag unter⸗ ſchrieb. Ich muß daher annehmen, daß er mich in die gleiche Kategorie ſtellt. Ich glaube, das, was ich für mich ausgeführt habe, wird auch für Herrn Kollegen Meyer gelten dürfen. Im übrigen, meine Herren, haben diejenigen, die dieſen Antrag unter⸗ ſchrieben haben, durchaus nicht das gewollt, wo⸗ gegen Herr Kollege Borchardt hier in ſehr ausführ⸗ licher Weiſe polemiſiert hat; ſie haben durchaus mcht erwartet und gewünſcht, daß der Magiſtrat nun ſofort, weil ſie ihren Sinn geändert haben, eben⸗ falls eine Sinnesänderung eintreten laſſen ſoll, ſondern ſie haben nur gewünſcht, daß über die Frage von neuem Beratungen ſtattfinden, und haben ihre Anſicht ausgeſprochen. Sie haben auch in keiner Weiſe damit gegen die Übereilung, die an⸗ gebliche Schnellarbeit, die hier geleiſtet worden iſt, proteſtieren wollen. Ich befinde mich da in direktem Gegenſatz ſowohl zu meinem Fraktionsfreunde Jolenberg als auch zu dem letzten Herrn Vorredner, der ebenfalls von Übereilung und von Schnell⸗ arbeit, die unnötig geweſen wäre, geſprochen hat. Wenn Sie ſich die Situation vergegenwärtigen, ſo darf ich noch einmal darauf zurückkommen, daß ich Ihnen ſeinerzeit ausführte: es handelt ſich in dem gegebenen Augenblick viel weniger darum, wie die Wertzuwachsſteuer ausſieht, als daß wir bis zu einem beſtimmten Termin eine Wertzuwachs⸗ ſteuer haben, wenn anders wir darauf rechnen wollen, jemals an der Reichswertzuwachsſteuer in der einen oder anderen Form beteiligt zu werden. Ich hatte damals vermutungsweiſe den 1. April als den Stichtag geſagt. Darin habe ich mich geirrt. Es iſt nicht der 1., ſondern der 11. April geweſen. Nach dem 11. April iſt keine Wertzuwachsſteuer⸗ ordnung mehr genehmigt worden. Wären wir den Wünſchen derjenigen Herren gefolgt, welche die Schnellarbeit in eine langſame Arbeit verwandeln wollten, derjenigen Herren, die weiter endloſe Aus⸗ ſchußſitzungen als das Richtige bezeichneten, dann allerdings hätten wir unſere Wertzuwachsſteuer nicht mehr genehmigt bekommen, und wir wären in vollkommener Unſicherheit darüber, was denn nun ſpäter Charlottenburg entweder als Anteil an einer Reichswertzuwachsſteuer oder was es haben würde auf Grund einer autochthonen, nur für Char⸗ lottenburg geltenden Wertzuwachsſteuer. Ich halte dadurch den Beweis vollkommen für erbracht, daß dieſe angebliche Schnellarbelt, dieſe Überhaſtung, dieſe Übereilung durchaus notwendig war und daß ſie gar keine Übereilung darſtellte, ſondern lediglich die gebotene Eile und Schnellarbeit, die zu leiſten war. Meine Herren, ich habe damals bereits für mich und meine Freunde die, ich möchte beinahe ſagen, entſchuldigende Möglichkeit in Anſpruch genommen, bei dieſer Ordnung etwas ändern zu können. Wir haben uns, Herr Kollege Borchardt, niemals für unfehlbar gehalten, ſondern wir ſind uns ganz bewußt deſſen geweſen, daß die Erfahrungen, die wir mit dieſer Wertzuwachsſteuer erleben werden, Sitzung vom 22. Juni 1910 uns vielleicht dazu veranlaſſen können, dieſen oder jenen Punkt zu ändern. Und von dieſem unſerm Recht, auf das wir moraliſch gleich damals Beſchlag gelegt haben, machen wir jetzt Gebrauch. Wir halten uns nicht für unfehlbar, wir haben uns niemals für unfehlbar gehalten; wir glauben, daß es immer⸗ hin richtiger iſt, Dinge, die man als zum Vorteil änderbar erkannt hat, dann zu ändern. Nun bin ich Ihnen für meine Perſon den Be⸗ weis dafür ſchuldig, weshalb ich jetzt das für änder⸗ bar und zum Vorteil der Stadt änderbar erkläre, worüber mir früher gar keine Zweifel gekommen ſind. Ich gebe unumwunden zu, daß ich früher der Anſicht des Herrn Kollegen Borchardt war und an der Theorie feſthielt, daß die Wertſteigerung einzig und allein an dem Grund und Boden hängt, daß nur der Grund und Boden einer Wertſteigerung fähig iſt, alſo die Gebäude nicht. Ich habe dieſe meine Anſicht auch noch ſpäter in der Offentlichteit vertreten und bin deswegen auch angefochten worden. Ich habe aber, nachdem wir mit unſeren Beratungen fertig waren, Gelegenheit gehabt, in einem anderen Gremium noch ſehr viel eingehender, als wir es hier getan haben, die Reichswertzuwachs⸗ ſteuer durchzuberaten, mir iſt eine ganze Menge von Material zugänglich gemacht worden, das ich früher nicht hatte. Da ſind es nun zwei Gründe, die mich beſtimmen, jetzt für eine Anderung des be⸗ treffenden Paragraphen einzutreten. Der eine iſt rein logiſch, der andere rein praktiſch. Herr Kollege Borchardt ſagt allerdings: vom Standpunkt der Logik aus kann man nur auf meinem Standpunkt ſtehen, kann nur das verfechten, daß der Wertzuwachs nur an dem Grund und Boden haftet. Der Herr Kämmerer ſagt: die Logik, die Theorie kann man nach zwei Seiten auslegen. Er hat ſich in keiner Weiſe gebunden, hat aber ſchon die Mög⸗ lichkeit zugelaſſen, auch anderer Meinung zu ſein. Meine Herren, wenn ich in das gegenteilige Lager umgeſchwenkt bin, ſo, muß ich ſagen, befinde ich mich in einer Geſellſchaft, die auch Herr Kollege Borchardt als ſehr gut anerkennen muß, nämlich in der Geſellſchaft ſeiner ſozialdemokratiſchen Freunde aus der Berliner Stadtverordnetenverſammlung. Herr Kollege Borchardt hat gleichſam in Vorweg⸗ nahme dieſer meiner Ausführungen bereits geſagt: für Berlin macht ja das praktiſch nicht ſo viel aus, weil Berlin eine andere Ordnung hat, weil es den abſoluten Wert beſteuert. Ganz richtig, Herr Kollege Borchardt. Aber in logiſchen Fragen kann man doch nur rein nach der Theorie gehen und darf nicht Opportunitätsfragen damit vermengen. In Berlin haben ſich auch Ihre Freunde, die zunächſt Ihrer Anſicht geweſen ſind, nach mir zugegangenen Nachrichten, die ich für abſolut einwandfrei halten muß, damit einverſtanden erklärt, die Ordnung ein⸗ zuführen, die jetzt in Berlin eingeführt iſt und die als logiſches Grundprinzip die Baſis annimmt, die auch wir hier einzuführen erſtreben. Nun iſt es ohne weiteres richtig: es gibt Beiſpiele, die kraß für den Kollegen Borchardt ſprechen. Wenn eine Firma wie Wertheim eine Reihe von Häuſern in Berlin kauft, dieſe Häuſer mit einer ⸗großen Avance be⸗ zahlt, ſie dann niederreißt, ſo iſt es ganz klar, daß die im Laufe der Jahre erzielte Wertſteigerung einzig und allein am Grund und Boden haftet. In den alten Klamotten und den Balken, die niedergeriſſen ſind, kann keine Wertſteigerung beſtehen, ſondern Herr Kollege Borchardt hat in dieſer Beziehung ganz recht: hier kann nur eine Wertverminderung