Sitzung vom 22. Jum 1910 Vorſteher Kaufmann: Ich möchte Herrn Kollegen Bollmann darauf aufmerkſam machen, daß es wohl ein Irrtum von ihm iſt, wenn er meint, daß Magiſtrat und Ehrenbeamte gleichberechtigte Faktoren ſeien. Es liegt ja ſchon im Ausdruck, daß „Ehrenbeamte“ Beamte des Magiſtrats ſind, wo⸗ durch zweifellos feſtſteht, daß der Magiſtrat ihnen übergeordnet iſt. Ich wollte das gleich von dieſer Stelle aus bemerken, damit nicht der Magiſtrat ſelbſt ſich dagegen zu wehren hat. Stadtrat Dr. Gottſtein: Meine Herren, auf die Ausführungen des Herrn Stadtv. Boll⸗ mann habe ich nur ſoweit einzugehen nötig, als er die Vorlage des Magiſtrats zwar nicht direkt an⸗ gegriffen, ſie aber doch in ihrer Begründung in einzelnen Punkten bemängelt hat. Er hat, wie dies vielfach üblich iſt, etwas achſelzuckend geſagt: ja, mit der Statiſtit kann man dies und jenes be⸗ weiſen. Unſere Statiſtik ſelbſt aber hat er nicht an⸗ gefochten, ſondern nur hervorgehoben, daß nach ſeinen Eindrücken die gute Behandlung der unehe⸗ lichen Kinder zu deren Vermehrung zu führen ſcheine. Als eine Widerlegung kann ich das nicht anſehen. Dann hat er hervorgehoben, daß mit der Gene⸗ ralvormundſchaft nicht alles korrekt ginge, und das gibt mir nur zu der Bemertung Anlaß, ihn zu bitten, mir das bei ihm vorhandene Material zuzuſtellen, damit ich die Fälle weiter verfolgen kann. Stadtſchulrat Dr. Reufert: Der Herr Vor⸗ redner hat eine Bemerkung einfließen laſſen bezüg⸗ zu unterſuchen. Ich weiß nicht, in welcher inneren Verbindung das mit dem eigentlichen Thema hier ſteht; aber ich lich der Entziehung von Freiſchule bei einem Kinde. kann die Sache hier nicht unwiderſprochen vorüber⸗ gehen laſſen. Namen ſind nicht genannt worden. Ich nehme an, es hängt mit einem Falle zuſammen, über den der Herr Stadtverordnete vorher mit mir perſönlich geſprochen hat. tttt 21 (Zuſtimmung des Stadtv. Bollmann.) Ich habe die Sache an mich genommen und habe ihm privatim zugeſagt, nochmals nachzuſehen. Ich muß aber mein lebhaftes Bedauern darüber aus⸗ ſprechen, daß trotz dieſes Entgegenkommens gegen⸗ über ſeinen Wünſchen hier im Plenum ein Vorwurf ausgeſprochen wird, bevor ich Gelegenheit gehabt habe, der Sache näher zu treten. S̃tadtv. Bollmann: Meine Herren, der Herr Stadtſchulrat hat anſcheinend meine Ausführungen nicht ganz gehört. Ich habe allerdings auf den Fali hingewieſen, inſofern ich den Wunſch ausgeſprochen habe, daß man, nachdem ſo viel für die Säuglings⸗ pflege getan wird, den älteren Kindern, die ver⸗ ſprechen, ſpäter brauchbare Menſchen zu werden, nicht Hinderniſſe in den Weg legen möchte. Ich habe ausdrücklich betont, daß die Angelegenheit faſt ſchon geregelt iſt. Ich hielt es aber doch für richtig, hier bei dieſer paſſenden Gelegenheit darauf aufmerkſam zu machen, da mir nachträglich mitgeteilt worden iſt — ich habe das noch nicht nachprüfen können—, daß es ſich nicht um einen vereinzelten Fall handelt, ſondern daß noch ähnliche Fälle vorliegen ſollen. Und auch deshalb, um da⸗ durch in Zukunft vorbeugend zu wirken Wenn der Herr Stadtverordnetenvorſteher rügt, daß ich die Ehrenbeamten und den Magiſtrat als gleichberechtigte Faktoren hingeſtellt habe, ſo habe aufzudecken und die Namen zu genannt werden und betr. Beaufſichtigung lichen, wie ſtiegen iſt. Im Jahre 1899 kamen auf die Haupt⸗ 307 ich ſelbſtverſtändlich in meiner Bemerkung vorhin auch die Stadtverordneten mit eingeſchloſſen, nicht nur die Waiſenpflegerinnen allein gemeint. (Vorſteher Kaufmann: Stadtverordnete ſind keine Gemeindebeamte. Das will ich gleich richtigſtellen!) — Ich habe nur geſagt, es ſind Ehrenbeamte, und das ſind meiner Meinung nach gleichberechtigte Faktoren, die ſich gegenüberſtehen. Auch wenn formell keine Gleichberechtigung vorliegt, ſo war es jedenfalls d ur chweg falſch, ſeinerzeit einen ſo ſcharfen Konflikt mit der gro ß e n Mehrheit unſerer Waiſenpflegerinnen herbei⸗ zuführen, der die muſterhafte Waiſenpflege Char⸗ lottenburgs aufs ſchwerſte hätte ſchädigen können. Vorſteher Kaufmann: Herr Kollege Boll⸗ mann, Stadtverordnete ſind keine Ehrenbeamte. Stadtverordnete und Magiſtrat ſind koordiniert; aber wir ſind nicht Ehrenbeamte. Das iſt eine irr⸗ tümliche Auffaſſung Ihrerſeits. Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren, es iſt jetzt geſagt worden, daß bezüglich der Gewährung von Freiſtellen mehrere Fälle vorliegen ſollen, die nicht in der Ordnung ſind. Ich möchte den Herrn Stadtverordneten auffordern, alsdann dieſe Fälle nennen. Es wird dann alles unterſucht werden. Aber ich halte es nicht für zweckmäßig, daß in dieſem Saale An⸗ ſchuldigungen erhoben werden, ohne daß die Namen ohne daß der Behörde Ge⸗ legenheit gegeben wird, die einzelnen Fälle gehörig (Die Beratung wird geſchloſſen. Der Bericht⸗ erſtatter verzichtet aufs Schlußwort. Die Ver⸗ ſammlung erklärt ſich mit der Vorlage des Magiſtrats der Pflegetinder, Haltekinder und unter Generalvormundſchaft ſtehenden Mündel unter einem Jahre durch die Säuglingsfürſorge⸗ ſtellen einverſtanden.) Vorſteher Kaufmann: Punkt 16 der Tages⸗ ordnung: 4 Vorlage betr. umban des Hauſes Berliner Straße Nr. 81 für Z3wecke des Arbeitsnachweiſes. 2 Druckſache 200. Berichterſtatter Stadtv. Lehmann: Meine Herren, der Magiſtrat bringt uns hier eine Vorlage, der wir meiner Meinung nach ohne weiteres zu⸗ ſtimmen können. Trotzdem ſehe ich mich genötigt, noch einige Ausführungen zu machen. Es handelt ſich hier um die Vervollkommnung einer Einrichtung, die im wirtſchaftlichen Leben eine ſehr große Rolle pielt und an deren Ausgeſtaltung nicht nur die arbeitenden Klaſſen, ſondern ſelbſt die Klaſſen ein Intereſſe haben, die Arbeitskräfte benötigen. Ich möchte behaupten, daß die Vorlage aus der Not⸗ wendigteit heraus geboren iſt; denn die Räume, die heute der Hauptſtelle des Arbeitsnachweiſes zur Verfügung ſtehen, ſind längſt ſchon nicht mehr zulänglich. Sie reichen bei der ſtarken Frequenz nicht mehr aus. Einige Zahlen mögen veranſchau⸗ die Frequenz im Laufe der Jahre ge⸗ ſtelle 5833 Arbeitsgeſuche, im Jahre 1904 10 575 und im Jahre 1908 waren es 15 327. Man ſieht