Sitzung vom 29. Juni 1910 (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ma⸗ giſtrats, wie folgt: Dem Fluchtlinienplan betr. Feſtſetzung von Fluchtlinien für den Kirchplatz — Ab⸗ teilung Sekt. 3 — vom 6. Juni 1910 wird zugeſtimmt.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Punkt 8 der Tagesordnung: Vorlage betr. Bewirtſchaftung des Milchhäus⸗ chens auf dem Stuttgarter Platz. — Druckſache 212. Sta dtv. Stein: Meine Herren, die Milch⸗ häuschen⸗Geſellſchaft hat Pleite gemacht, und in⸗ folgedeſſen ruht der Betrieb. Das einzige Häus⸗ chen, wo der Betrieb ging, war, wie ich feſtgeſtellt habe, das Häuschen am Wittenbergplatz. Nun ſoll das Häuschen am Stuttgarter Platz weiter ver⸗ wendet, es ſoll dort weiter Milch verſchänkt werden, leider am Wittenbergplatz nicht, weil, wie es heißt, das Terrain ſowieſo für die Untergrundbahn ge⸗ braucht wird. Ich möchte doch bitten, den Magiſtrat zu erſuchen, dieſes Milchhäuschen nicht ohne wei⸗ teres abzubrechen. Wenn das Häuschen für den Milchausſchank nicht mehr gebraucht wird, ſo wäre es doch möglich, es als Unterkunftsraum für Gar⸗ tenarbeiter und Straßenreinigungsarbeiter zeit⸗ weiſe zu benutzen, ehe es abgebrochen wird. So⸗ lange das Terrain noch nicht anderweitig ver⸗ wendet wird, würde ich es für zweckmäßig halten, das Häuschen ſtehen zu laſſen und es vielleicht der Partdeputation zur Verfügung zu ſtellen. Sta dtrat Seydel: Die Abſicht, das Häuschen abzubrechen, beſteht im Augenblick noch nichi; es wird wahrſcheinlich ſo lange dort ſtehen bleiben, bis die Arbeiten für die Untergrundbahn beginnen. Es wird zu überlegen ſein, ob die innere Einrichtung es zuläßt, das Häuschen als Unterkunftsraum zu benutzen. Wenn ja, ſo würde ich, falls die Park⸗ verwaltung Gewicht darauf legt, durchaus nichts dagegen einzuwenden finden, daß es zu dieſem Zwecke gebraucht wird. (Die Beratung wird geſchloſſen. Die Ver⸗ ſammlung beſchließt nach dem Antrage des Ma⸗ giſtrats, wie folgt: a) Für bauliche Veränderungen des Milch⸗ häuschens auf dem Stuttgarter Platz werden 350 ℳ aus dem Dispoſitionsfonds bewilligt. b) Von dem mit dem Gemeinnützigen Verein für Milchausſchank in Berlin E. V. abzu⸗ ſchließenden abgedruckten Vertragsentwurf wird Kenntnis genommen.) Vorſteher⸗Stellv. Dr. Hubatſch: Punkt 9 der Tagesordnung: Vorlage betr. Bericht des Ausſchuſſes über die — Druckſachen Errichtung eines Wohnungsamts. 157, 224. Berichterſtatter Stadtv. Dr. Röthig: Meine Herren, an die Spitze meiner Ausführungen werde ich dasſelbe ſtellen, worauf ich bereits in der Sitzung am 8. Juni hingewieſen habe, nämlich daß mit der 313 Schaffung eines Wohnungsamts in erſter Linie die Einrichtung einer Wohlfahrtsſtelle verbunden iſt. Die Überzeugung, daß bei dieſer Neueinrichtung der Charakter einer Wohlfahrtsanſtalt gewahrt bleiben müſſe, war nicht nur aus der Magiſtrats⸗ vorlage zu erſehen, ſondern hat auch dem Ausſchuſſe in jeder Phaſe ſeiner Verhandlungen vorgeſchwebt. Aus dieſen Erwägungen heraus hat ſich der Ausſchuß bei manchen beantragten Anderungen veranlaßt geſehen, das polizeiliche Moment in der Vorlage möglichſt zurücktreten zu laſſen. Die Aufgabe der Neueinrichtung ſoll es ſein, erſtens feſtzuſtellen, ob und in welchem Umfange Mißſtände im Wohnungsweſen vorhanden ſind, und durch geeignete Maßnahmen dieſen Mißſtänden entgegenzuarbeiten. Es iſt dies, wie ganz mit Recht hervorgehoben worden iſt, die Löſung einer eminenten Kulturaufgabe, und dieſe Löſung kann nur erreicht werden durch ein harmoniſches In⸗ einanderarbeiten ſämtlicher Beteiligten, durch ein freiwilliges Mitarbeiten aller Beteiligten im Intereſſe der Erreichung dieſes zum Wohle der Allgemeinheit erſtrebenswerten Zieles. Über die Notwendigkeit der Schaffung eines Wohnungs⸗ amtes in dieſem Sinne hier noch nähere Aus⸗ führungen zu machen, erübrigt ſich. In den Augen eines jeden Sozialpolititers und Hygienikers iſt der Satz berechtigt, daß ein großer Teil des ſozialen Elends und der hygieniſchen Mißſtände, ein großer Teil der verheerenden Voltskrankheiten auf be⸗ ſtehende Mißſtände im Wohnungsweſen zurück⸗ zuführen iſt, und daß es ein im Intereſſe der All⸗ gemeinheit liegendes Ziel iſt, wenn man dieſe Miß⸗ ſtände erſtens feſtſtellt und zweitens zu beſeitigen verſucht. Infolgedeſſen hat auch der Ausſchuß von vorn⸗ herein von einerGeneraldebatte Abſtand genommen. Er hat das um ſo mehr getan, weil ja bei jedem einzelnen Punkte der Vorlage, der Organiſation, der Geſchäftsordnung und den Grundſätzen, die Mög⸗ lichkeit war, auch Anſichten allgemeiner Natur zu äußern. Das iſt geſchehen. Im allgemeinen war der Ausſchuß der Errichtung eines Wohnungsamts durchaus günſtig geſinnt. Nur von einer Seite wurde darauf hingewieſen, daß es unbeſchadet der prinzipiellen Geneigtheit zur Errichtung eines ſolchen Wohnungsamts doch nach Anſicht dieſes Ausſchußmitgliedes zweckmäßig ſei, wenn ein ſolches Wohnungsamt nicht lokal für eine Stadt, ſondern allgemein vom Staate für alle aneinander grenzen⸗ den Gemeinden geſchaffen würde. Der Ausſchuß, wie geſagt, war in ſeiner Mehrheit der Anſicht, daß man, wenn man dieſen Weg einſchlagen, alſo auf eine Anregung des Staates warten wollte, koſtbare Zeit unnütz verſtreichen laſſen würde, und daß es auch gerade für unſere Charlottenburger Ver⸗ hältniſſe zweckmäßig wäre, wenn wir mit der Schaffung eines Wohnungsamtes vorgingen, das auf unſere beſtehenden lokalen Verhältniſſe zu⸗ geſchnitten wäre. So weit zur allgemeinen Ein⸗ führung. Der Ausſchuß hat in vier ſehr langen und ſehr eingehenden Sitzungen die Magiſtratsvorlage durch⸗ gearbeitet Er hat ſich dabei an die grobe Einteilung der Magiſtratsvorlage gehalten, nämlich an die Organiſation, an die Grundſätze und an die Ge⸗ ſchäftsordnung. Manche von den vom Ausſchuß vorgeſchlagenen Anderungen ſind rein redaktioneller Natur, wie Sie ja aus dem Ihnen gedruckt vor⸗