Sitzung vom 29. Juni 1910 319 ſoll, nicht hoch genug beſoldet werden kann, beſon⸗ ders wenn man ſich vergegenwärtigt, daß er eine Reihe von Wohnungsaufſehern zur Seite hat, alſo diejenigen Perſonen, die ihm mit dem Zollſtock und beratender Stimme zur Hand gehen und be⸗ wirken ſollen, daß die Fehler und die Schäden, die ſich in den Wohnungen herausſtellen, ſofort durch Belehrung oder Ausbeſſerung ohne große Unkoſten beſeitigt werden. Meine Herren, ich bitte Sie dringend, nachdem die Sache jahrelang eine ſorgfältige Bearbeitung erfahren hat, nachdem der Magiſtrat und wir alle mit einer gewiſſen Freude an die Löſung der Frage herangetreten ſind, nicht an ſolchen kleinen Beden⸗ ken, wie ſie hier vorgebracht worden ſind, etwa die Vorlage ſcheitern zu laſſen. Ich bin der Meinung, daß gerade der § 6 um darauf noch einmal zurückzukommen — eine grundlegende Beſtimmung enthält, die Beſtimmung, die Bürger in vollſter Freiheit und Freiwilligkeit an dem ſchönen Werke mitwirken zu laſſen. Ich bitte Sie um möglichſt einſtimmige Annahme der Vorlage. (Bravo!) Stadtv. Stein: Meine Herren, ich war auch Mitglied des Ausſchuſſes. Ich hatte den Antrag geſtellt, der auch durchgegangen iſt, daß die De⸗ putationsmitglieder, das heißt die Bürgerdepu⸗ tierten, wie gewöhnlich die Ehrenbeamten, von der Stadtverordnetenverſammlung nach Vorbereitung durch den Wahlausſchuß zu wählen ſeien. Ich ſehe gar keinen Grund, warum von der Beſtimmung der Städteordnung, die mit vollem Fug und Recht vor⸗ geſehen worden iſt, hier abgewichen werden ſoll. Es ſoll eben ein freiwilliges Amt geſchaffen werden, es ſollen nicht bloß Mitglieder von Deputationen wirken, ſondern es ſollen Perſonen aus der Bürger⸗ ſchaft ſoweit wie irgendmöglich herangezogen wer⸗ den. Nun ſagt die Städteordnung, die Stadt⸗ verordneten wählen nicht bloß die Deputations⸗ mitglieder, wie, glaube ich, der Herr Magiſtrats⸗ vertreter ſagte, ſondern auch ſo und ſoviele andere Ehrenbeamte. Wer wählt denn die Armenpfleger? Sind das Mitglieder von Deputationen? Die ge⸗ hören doch auch den Ausſchüſſen, das heißt den Armenkommiſſionen, an und ſtehen doch eigentlich ziemlich auf demſelben Boden wie die Mitglieder dieſer Wohnungsausſchüſſe. Die Armenpfleger wählt die Stadtverordnetenverſammlung! Aus dieſem Grunde habe ich den Antrag geſtellt, auch die Mitglieder der Ausſchüſſe wie gewöhnlich durch die Stadtverordneten wählen zu laſſen. Es liegt mir vollſtändig fern, dem Magiſtrat zu mißtrauen, daß er etwa Leute hinbringen wird, die uns viel⸗ leicht nicht genehm ſind. Es liegt aber gar kein Grund für uns zu einer Abweichung von der maß⸗ gebenden Beſtimmung der Städteordnung vor. Deshalb bitte ich Sie dringend, meine Herren — und ich kann das im Namen meiner Freunde ſagen —, den Antrag Bollmann anzunehmen. Stadtv. Jacobi: Meine Herren, ich kann in den begeiſterten Ton des Herrn Kollegen Holz nicht einſtimmen. Sie erſehen daraus, daß man nicht ſo einſtimmig dieſer Vorlage zuſtimmen wird. Ich für meine Perſon wenigſtens kann es nicht. Ich habe ſchon in der Sitzung vom 8. Juni erklärt, daß ich die Vorlage in ihrem ganzen Umfange für eine Unmöglichteit anſehe. Es war das vielleicht eine ſehr gewagte Außerung. Die Tatſachen haben aber bewieſen, daß ich doch Recht hatte; denn es ſind weſentliche Beſtandteile der Vorlage geändert worden. (Zuruf: Weſentliche?!) — Doch; ſo iſt z. B. § 11, das Meldeweſen, ſo be⸗ deutend vereinfacht worden, daß ich das ſchon als weſentlich bezeichnen kann. Das Meldeweſen iſt jetzt nicht anders, als es bei den Dienſtboten auch vorhanden iſt. Ein weſentlicher Beſtandteil iſt doch auch die Anderung, daß man den Faſſadenanſtrich hat fallen laſſen. Die Beſtimmung bedingte einen großen Koſtenaufwand; man hat es im Ausſchuß für nötig befunden, ſie fallen zu laſſen. Sie erſehen daraus, meine Herren, daß an der Vorlage doch wohl manches auszuſetzen war. Andere Dinge will ich hierbei nicht erwähnen. Ich bin aber der Meinung, daß noch viel mehr hätte geſtrichen werden müſſen. Wir haben z. B. eine Deputation zur Beſchaffung von Wohnungen für die minderbemittelten Klaſſen eingeſetzt. Dieſes neue Wohnungsgeſetz wird — das werden Sie doch alle zugeben müſſen — die Wohnungen nicht ver⸗ billigen; für den armen Mann, für die Minder⸗ bemittelten werden die Wohnungen ohne Zweifel teurer werden. Das iſt gar keine Frage. Eine ſo wichtige, einſchneidende Sache, wie allein dieſer Umſtand iſt, kann man doch wahrhaftig nicht ganz und gar überſehen. (Zuruf.) — Wenn die Anſprüche der Vorlage befriedigt werden ſollen, ſo iſt die Konſequenz davon, daß die Wohnungen für minderbemittelte Leute teurer werden. Meine Herren, ich bin durchaus kein Gegner, ſondern im Gegenteil, ich bin ein begeiſterter An⸗ hänger dieſer Beſtrebungen. Die Ziele möchte ich nur auf einem anderen Wege erreicht wiſſen. Ich glaube ſogar, es gereicht dem Magiſtrat zur Ehre, daß er ſich ſo viele Jahre mit der Angelegenheit befaßt hat. Aber die Mängel kann ich doch nicht überſehen. Ich weiß ja wohl, daß ich in dieſer Verſammlung mit meinen Anſichten nicht durch⸗ dringen werde. (Sehr richtig! bei den Liberalen.) Ich habe in meiner Fraktion Vorſchläge gemacht, um die Koſten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Da ich aber damit in meiner Fraktion nicht durch⸗ gekommen bin, ſehe ich davon ab, hier die Vor⸗ ſchläge zu wiederholen. Von anderer Seite iſt in meiner Fraktion dann beantragt worden, dieſe Angelegenheit bei der Wich⸗ tigteit der Frage zu vertagen. Was der Magiſtrat in jahrelanger Arbeit vorbereitet hat, können wir doch nicht in zwei Sitzungen erledigen. Dieſer Antrag iſt auch leider abgelehnt worden. Das hält mich aber nicht ab, obgleich ich weiß, daß ich mit meiner Anſicht nicht durchdringen werde, wenig⸗ ſtens meinen Standpunkt hier in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung zu erklären. Sta dtv. Dr. Frentzel (zur Geſchäftsordnung): Ich wollte nur bemerken, daß Herr Kollege Jacobi ſeine Ausführungen lediglich in ſeinem eigenen Namen gemacht hat, und daß er auch nicht eine Mino⸗ rität ſeiner Fraktionsfreunde hinter ſich hat. Sta dtv. Lehmann: Meine Herren, ich will den Standpunkt der ſozialdemotratiſchen Fraktion nicht präziſieren, da er genügend bekannt iſt. Ich will nur erklären, daß wir der Vorlage im großen