326 Deshalb können wir dieſe Forderung in jeder Weiſe vertreten. (Bravo!) Meine Herren, ich bin damit ſo weit zu Ende, als ich als Referent des Ausſchuſſes zu ſprechen habe Ich empfehle Ihnen die Beſchlüſſe desſelben zur Annahme. Geſtatten Sie mir nun, Worte aus eigenem Rechte hinzuſetze, allerdings im weſentlichen mit dem decken, womit ich meine neuliche Rede geſchloſſen habe. Ich glaube, daß die Mehrzahl der Ausſchußmitglieder, wenn nicht vielleicht alle, auch diejenigen, die der Magiſtratsvorlage und den Ausſchußbeſchlüſſen in einzelnen Punkten nicht zuſtimmen wollen, der Überzeugung ſind, daß wir um die finanzielle Zukunft unſerer Stadt uns nicht zu ſorgen und zu dangen brauchen. Ich glaube, daß Sie dieſe ÜUber⸗ zeugung nicht zum kleinſten Teile auch dadurch erlangt haben, daß Ihnen durch die Ausſchuß⸗ beratung Gelegenheit gegeben wurde, ſich nochmals mit den Gründen zu beſchäftigen, die den Ma⸗ giſtrat veranlaßt haben, gerade dieſe Forderungen und gerade in dieſer Höhe zu ſtellen, daß Sie eingehend die Forderungen geprüft und die Be⸗ rechnungen nachgeprüft haben, die den Magiſtrat zu dieſen Forderungen veranlaßt haben. Mag man im einzelnen denken, wie man will, mag man einzelnen Forderungen und Anſichten des Magiſtrats ablehnend gegenüberſtehen, wie ich es z. B. tue, im großen und ganzen wird man ſich der Auffaſſung nicht verſchließen können, daß uns hier eine nüchterne und vernünftige Finanzpolitik an⸗ geſonnen wird und vor allen Dingen eine Finanz⸗ politik der richtigen Perſpektive. Jeder von uns weiß, daß dieſe große Anleihe die nächſten Jahre unſer Budget ſehr belaſten wird, und daß es uns manchmal nicht ganz leicht ſein wird, bei Gelegenheit der Etatsberatung die nötige Balance herzuſtellen. Jeder weiß deswegen auch, welche große Ver⸗ antwortung er eingeht, wenn er den Ausſchußan⸗ trägen und der Magiſtratsvorlage zuſtimmt. Aber ich glaube, meine Herren, wir können dieſe Ver⸗ antwortung übernehmen; denn wir können nur ſagen, daß wir reichlich und reiflich geprüft und ge⸗ funden haben, daß es geſunder Boden iſt, auf dem wir ſtehen. daß ich nur noch wenige die ſich (Lebhaftes Bravo.) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren, den letzten optimiſtiſchen Ausführungen des Herrn Referenten kann ich mich leider nicht ganz an⸗ ſchließen; denn ich habe mich nicht im Ausſchuß davon überzeugen können, daß die Vorausſetzungen, von denen ich bei meiner Erklärung bei der erſten Beratung ausging, falſch waren. Ich bin zwar auch der Anſicht, wie der Herr Referent, daß unſere Finanzlage keine ſchlechte iſt; ſie mahnt aber dringend zur Vorſicht. Meine Herren, Sie müſſen immer ins Auge faſſen, wenn wir die Anleihe in der Höhe bewilligen, wie ſie hier vorgeſchlagen iſt, daß der Zinſendienſt des Teils der Anleihe, der für nicht werbende Zwecke beſtimmt iſt, nebſt den Auf⸗ wendungen für Amortiſation innerhalb der nächſten Jahre um mindeſtens 2 Millionen über den Betrag ſteigen wird, der jetzt aufzuwenden iſt. Nun werden wir dieſe 2 Millionen nicht aus dem natürlichen Zuwachs an Steuern entnehmen können. Das hat ſchon der Herr Vorſteher bei ſeiner Etatsrede an⸗ erkannt, daß die Einnahmen nicht in demſelben Sitzung vom 29. Juni 1910 ——. werden wie die Ausgaben, ſondern daß wir auf eine bedeutende Erhöhung der letzteren gefaßt ſein müſſen. Das heißt alſo, daß wir in einigen Jahren uns, um die in dieſem Jahre ſchon ſehr ſchwierig erreichte Balance in unſerm Etat zu erhalten, entſchließen müſſen, entweder eine Erhöhung der Grundſteuer oder eine Erhöhung der Einkommenſteuer vorzunehmen, und daß, wenn wir das letztere tun — ich will nicht peſſimiſtiſch prophezeien —, wir doch ſehr bald auf einen Zu⸗ ſchlag von 130, 140% zur Einkommenſteuer uns gefaßt machen müſſen. (Widerſpruch.) — Ja, meine Herren, Sie müſſen bedenken, daß auch die anderen Einnahmequellen nach und nach infolge der höheren Belaſtung verhältnismäßig weniger ergiebig werden müſſen. Um eine derartige Er⸗ höhung der Steuern zu vermeiden, kann ich Ihnen nur immer wieder und wieder noch größere Spar⸗ ſamkeit, als ſie der Herr Referent empfohlen hat, ans Herz legen, vor allen Dingen aber Enthaltſam⸗ keit in der Aufnahme von neuen Schulden. Nur ſo können wir uns auf einer geſunden finanziellen Baſis erhalten. Dabei bitte ich zu bedenken, daß das Verhältnis unſerer Bevölkerung und des Wertes unſeres Gemeindevermögens zu der Höhe unſerer Anleihe viel ungünſtiger iſt als z. B. in Berlin und in anderen Großſtädten Deutſchlands. Da heißt es beizeiten Halt machen. Deshalb können wir heute, abgeſehen von den Koſten für den Friedhof und ab⸗ geſehen von den allernötigſten Ausgaben für Ver⸗ ſtärtung der werbenden Werke, nichts bewilligen und auch dieſe gedachten Koſten nur in der Voraus⸗ ſetzung, daß die Überſchüſſe, die aus den Werken kommen werden, zunächſt für ihre Ausgeſtaltung verwandt werden. Gerade bei den Werken müſſen wir vorſichtig ſein und uns hüten, zuviel Kapital in ſie hinein⸗ zuinveſtieren, weil ja ſonſt die Einnahme, die wir aus ihnen haben, und auf deren Erhöhung wir noch immer weiter hoffen, ſinken wird. Schlimmſten⸗ falls könnten wir uns dadurch helfen, daß wir zur Aufnahme einer ſchwebenden Schuld in mäßiger Höhe kommen, jedenfalls aber nicht zu einer An⸗ leihe von ſo koloſſalem Umfange. Sind einmal erſt die Teile dieſer Anleihe bewilligt, dann werden auch — das zeigt die Erfahrung — die bereit⸗ geſtellten Gelder leicht ausgegeben werden. Alles in allem, meine Herren: in unſerer Finanzgebahrung muß nach unſerer Anſicht eine völlige umwandlung eintreten. Nicht einen Ausſchuß ſollten wir einſetzen zur Beratung für die Aufnahme neuer Anleihen, ſondern einen Ausſchuß zur Beratung darüber, wie Erſparungen in jedem Zweige der Verwaltung vorgenommen werden können. Auch die Ausführung der Ge⸗ meindebeſchlüſſe, die auf die Verwendung der Erträge der neuen Anleihe fußen, ſollte hinaus⸗ geſchoben werden. Wir müſſen eben lernen, uns nach der Decke zu ſtrecken. Meine Herren, es iſt nicht Oppoſition, die uns dieſe Anſicht gebietet und uns dahin bringt, gegen die Mehrheit zu ſtimmen. Mit der Mehrheit gehen wir ſehr gern, um ſo lieber, als das nationalliberale kommunale Pro⸗ gramm ſich prinzipiell vollkommen mit Ihrem Programm deckt. Auch wir erſtreben die fulturelle Hebung der Gemeinde und die Förderung der ſozialen Aufgaben. Nur im Tempo, in der Möglichkeit, wie das Erſtrebenswerte auszuführen iſt, unterſcheiden wir uns; da glauben wir, daß wir Verhältnis ſteigen