330 Selbſtvorſtändlich werden auch dieſe Werte für uns weſentlich geſteigert, wenn wir eine Untergrund⸗ bahn dorthin führen. (Sehr richtig!) Schließlich haben wir die Jungfernheide mit einem Koſtenaufwand von 3½ Millionen angelegt und wollen dort einen Volkspark ſchaffen. Wir wollen doch, daß der Volkspark bevölkert wird, nicht, daß die Leute dreiviertel Stunden lang und länger mit einer Straßenbahn im gewöhnlichen Betriebe dahin fahren ſollen, ſondern in der Lage ſind, auf ſchnellſtem Wege hinzugelangen. Auch dieſes Unter⸗ nehmen drängt uns, dahin eine Verbindung zu ſchaffen. Es kommt hinzu, daß eine Untergrund⸗ bahn auf dem Guſtav⸗Adolf⸗Platz nicht endigen, ſondern daß ſie fortgeſetzt werden ſoll und ihre Ver⸗ bindung einmal mit der großen Bahn finden kann, die von der Stadt Berlin bis zur Huttenſtraße projektiert iſt, und daß ſie weiter ihre Fortſetzung nach Spandau finden ſoll. Wir haben alſo ein enormes Hinterland, das wir erſchließen und mit dem innern Stadtteil von Charlottenburg ver⸗ binden. Meine Herren, das wollen Sie alles ſchon jetzt vor materieller Prüfung aus der Hand geben? (Rufe: Gar nicht!) Das wollen Sie zurückſtellen, weil Sie über die Frage der Rentabilität der Linienführung noch Er⸗ fahrungen ſammeln wollen? Meine Herren, warten Sie doch gefälligſt ab, welche Vorlagen Ihnen gemacht werden. Wenn dann die Unter⸗ lagen, die wir Ihnen bringen, nicht ausreichen, dann ſtelle ich anheim, dieſen Vorſchlag abzulehnen. Aber ſichern Sie ſich doch die Möglichkeit und präjudizieren Sie nicht dem Bau der Bahn, indem Sie uns zwingen, die Brücke auszuführen und nachher womöglich wieder abzubrechen! Das würde einen Koſtenaufwand — ich habe augenblicklich die Zahlen nicht hier — von über 700 000 ℳ ausmachen, die wir zerſtören müßten, wenn wir nachher die Unter⸗ grundbahn ausführen wollen. Wenn Sie die Mittel für die Caprivibrücke heute einſetzen und bewilligen und damit zum Ausdruck bringen, daß die Brücke gebaut werden muß in den nächſten drei Jahren, dann müſſen Sie auch die Mittel für die Fortſetzung der Bahn für den Stadtteil nördlich der Spree vorſehen. Ich bitte Sie dringend: ſtreichen Sie dieſen Betrag nicht heraus und ver⸗ weiſen Sie uns nicht auf eine beſondere Anleihe! Wie geſagt, eine beſondere Anleihe wird dem Kredit Charlottenburgs in keiner Weiſe zuträglich ſein. Ich mache darauf aufmerkſam, daß die Unſicherheit von Faktoren Sie ja auch nicht ab⸗ gehalten hat, nach andrer Richtung hin Beträge in der Anleihe vorzuſehen. 250 000 ℳ haben Sie für Baulichkeiten auf dem Gemeindefriedhof vor⸗ geſehen, die heute nicht einmal dem Namen nach angegeben werden können oder ſollen. Das Intereſſe für die Toten ſcheint ganz beſonders ſtark zu ſein. Dafür ſind 250 000 ℳ ohne weiteres eingeſetzt worden, ohne daß der Herr Referent auch nur zu⸗ ſagte, welche Baulichkeiten dort errichtet werden ſollen. Ebenſo iſt für die Badeanſtalt ein Betrag eingeſetzt worden, obwohl noch keiner der Herren ſagen kann, wo, wie dieſe Badeanſtalt gebaut werden ſoll. Die Anſichten darüber gehen ſehr weit auseinander. Alſo, meine Herren, wenn Sie die Wahrſcheinlichkeit zur Grundlage der formellen Behandlung der Anleihe, d. h. zur vorſorglichen Be⸗ handlung des zu reſervierenden Anleihebetrages Sitzung vom 29. Juni 1910 nehmen wollen, dann bitte ich Sie dringend: ſtellen Sie auch hier dieſen Wahrſcheinlichkeitspoſten von 4 Millionen ein, ſtreichen Sie ihn nicht heraus und verweiſen Sie uns nicht auf beſondere Anleihen! (Bravo!) Stadtv. Jaſtrow: Es tut mir leid, daß ich die Diskuſſion über den Antrag Wöllmer unterbrechen muß; ich habe mich jedoch zu einem anderen Punkt der Vorlage zum Wort gemeldet. Der Ausſchuß hat zur Errichtung einer Badeanſtalt den Betrag von 2 Millionen in die Anleihe eingeſetzt. Er hat dabei im Einverſtändnis mit dem Magiſtrat zum Ausdruck gebracht, daß der Magiſtrat eine Vorlage über die Errichtung einer Badeanſtalt möglichſt bald bringen ſoll. Der Ausſchuß hat es offen gelaſſen, in welcher Art die Badeanſtalt gebaut werden ſoll, er hat es auch offen gelaſſen, ob die Anſtalt in der Nürnberger Straße errichtet werden ſoll. Von der früheren Anleihe ſind für dieſen Zweck noch 1 500 000 ℳ zur Verfügung, jetzt werden wieder 2 Millionen eingeſtellt, ſo daß im ganzen 3 ½ Millionen zur Verfügung ſtehen. Meine Freunde ſind damit einverſtanden, daß jetzt durch dieſe Einſtellung feſtgelegt wird, daß möglichſt bald eine Vorlage ſeitens des Magiſtrats vorgelegt und damit eine Sicherheit geſchaffen wird, was aus dem Platze in der Nürnberger Straße werden ſoll. Die Majorität meiner Freunde iſt aber der Anſicht, daß ſchon in dieſer Vorlage ein Hinweis darauf gegeben werden ſoll, in welcher Weiſe die projektierte Badeanſtalt auszuführen iſt. Wir wollen nicht, daß, wie es doch im Schoße des Magiſtrats ventiliert wird, eine Luxusbadeanſtalt gebaut werden ſoll. Wir ſind dafür, daß Volksbadeanſtalten für Char⸗ lottenburg gebaut werden. Wir glauben, 4. es nicht im Rahmen der Befugniſſe der Stadt liegt, Einrichtungen zu ſchaffen, die in luxuriöſer Weiſe Bedürfniſſen Rechnung tragen, die bei dem größten Teile der Bevölkerung abſolut nicht vorhan⸗ den ſind. Ich verſtehe natürlich unter „Volksbade⸗ anſtalt“ nicht nur eine Badeanſtalt für die ärmere Bevölkerung. Die beſſere Bevölkerung, die dort an der Nürnberger Straße zum größeren Teile an⸗ geſiedelt iſt, kann auch ſehr gut eine Volksbade⸗ anſtalt gebrauchen; ſie braucht Brauſebäder, Schwimmbäder und dergleichen. Dafür ſoll natür⸗ lich bei dieſer neu zu errichtenden Badeanſtalt geſorgt ſein. Aber daß, wie es heißt, dort Ein⸗ richtungen geſchaffen werden, die in luxuriöſer Weiſe nur für die begütertſten Einwohner Char⸗ lottenburgs ſich eignen und auch danach bezahlt werden müſſen, daß mit der Badeanſtalt ein Café und ein erſtklaſſiges Reſtaurant verbunden werden ſollen, die die Rentabilität dieſes großen Grund⸗ ſtücks für die Stadt außerordentlich gefährlich machen, dem können wir niemals zuſtimmen. Ich bitte, auch darauf zu achten, daß dieſe Bade⸗ anſtalt, wenn ſie in der Nürnberger Straße gebaut wird, dann ganz in der Nähe von Wilmersdorf und Schöneberg liegt, daß dort eine recht wohlhabende Bevölkerung wohnt, und daß, falls tatſächlich durch die genannten Einrichtungen, die geplant ſind, eine Rentabilität herauskommen ſollte, dann ſicher in allernächſter Zeit eine Konkurrenzanſtalt von privater oder ſtädtiſcher Seite ſich auftun und unſer Unternehmen in Frage ſtellen würde. Die Badeanſtalt in der Krummen Straße reicht für die Bedürfniſſe der Bevölkerung Char⸗ lottenburg längſt nicht aus, wir brauchen an anderen