Sitzung vom 29. Juni 1910 12 Teilen der Stadt derartige Volksbadeanſtalten, wie wir ſie in der Krummen Straße haben, vielleicht mit noch einigen hygieniſchen Einrichtungen dazu; die können wir noch an zwei oder drei Stellen der Stadt ausgezeichnet gebrauchen. Deswegen denkt der größte Teil meiner Freunde durchaus nicht daran, wie es ſich nach der Vorlage vermuten läßt, nur eine Badeanſtalt in der Nürnberger Straße in dieſem Umfange zu bauen, ſondern ich ſtelle den Antrag, daß wir ſtatt der Worte: „zur Errichtung einer Badeanſtalt“ die Worte ſetzen: „zur Er⸗ richtung von Volksbadeanſtalten“. Das iſt es, worauf die Bevölkerung wartet. Der Herr Re⸗ ferent hat ſehr richtig geſagt: wir haben viel mehr geſunde Einwohner als kranke und ſchwache, für die Kranken und Schwachen ſorgen wir, für die Geſunden haben wir, was das Bade⸗ bedürfnis anlangt, bis jetzt nur in der Krummen Straße durch eine kleine Badeanſtalt geſorgt. Für dieſe müſſen wir ſorgen, für dieſe müſſen wir die Volksbadeanſtalten ſchaffen. Eine Verbindung ſolcher Anſtalt mit ruſſiſch⸗römiſchen, mediziniſchen Bädern in luxiriöſer Ausgeſtaltung, wie es hier geplant iſt, halte ich abſolut nicht für notwendig. Die Leute, die dieſe Bäder aufſuchen, haben meiſt in ihren Wohnungen ihre Badezimmer, und wenn dieſe nicht ausreichen, werden ſie in Sanatorien oder Privatanſtalten gehen; die Mittel haben ſie dazu. Die kleinen Leute, denen derartige Dinge verſchrieben werden, werden ſich, wie in den Krankenhäuſern, auch bei dieſen Bädern ohne jeden Luxus begnügen. Ich wiederhole alſo, daß ich den Magiſtrat bitte, wenn er uns, wie es doch aus der Einſtellung dieſes Betrages hervorgeht, recht bald mit ſeiner Vorlage kommt, dieſe ſo zu geſtalten, daß wir nicht eine Luxusbadeanſtalt in der Nürnberger Straße bekommen — wie man ſagt, im Werte von 4 Mil⸗ lionen und darüber —, ſondern daß uns für die 3½ Millionen, die jetzt aus der alten und neuen Anleihe zur Verfügung ſtehen, in der Nürnberger Straße, wenn es ſein muß, oder in anderen Teilen Charlottenburgs Volksbadeanſtalten errichtet werden. Vorſteher Kaufmann: der Antrag des Herrn Kollegen Jaſtrow lautet, in der Vorlage ſtatt „zur Errichtung einer Badeanſtalt“ zu ſagen: „zur Errichtung von Volksbadeanſtalten“, alſo in der Mehrzahl. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Meine Herren, diejenigen von Ihnen, welche beantragt haben, die 4 Millionen für die Untergrundbahn zu ſtreichen, und die jetzt den Antrag geſtellt haben, bei der Bewilligung der 2 Millionen für Bäder zu ſagen, daß es Volksbadeanſtalten werden ſollen, befinden ſich nach meiner Auffaſſung in einem ſchweren und verhängnisvollen Irrtum, wenn ſie glauben, daß wir bei der Beratung dieſer Anleihe uns bereits über die Projekte zu entſcheiden haben, die nur in Ausſicht genommen ſind. Ich möchte dringend davor warnen, dieſen Weg zu gehen, den wir noch nie bei Anleihen gegangen ſind, daß wir uns über Projekte, die noch gar nicht vorliegen, heute den Kopf zerbrechen, daß infolge von Mißverſtändniſſen, irrtümlich auf⸗ gefaßten Worten und hingeworfenen Bemer⸗ kungen ein Bild in den Köpfen entſteht, das ſo falſch iſt wie das Bild, das ſich Herr Stadtverord⸗ 331 neter Jaſtrow gebildet hat über das Projelt der Badeanſtalt, über das der Magiſtrat noch gar nicht Beſchluß gefaßt hat. Der Herr Syndikus hat vorhin treffend ausgeführt, worum es ſich denn bei der Anleihe⸗ vorlage handelt. Wir wollen uns die Mittel zur Ausführung ſichern für den Fall, daß wir ein Projekt einer Untergrundbahn Ihnen vor⸗ legen, dem Sie zuſtimmen wollen, oder daß Sie dem Projett der Badeanſtalt, das wir Ihnen vor⸗ legen werden, zuſtimmen wollen. Es handelt ſich hier nich t darum, über die Projekte dazu zu urteilen, die noch gar nicht vorhanden ſind, die Sie noch gar nicht kennen. Um vorſorg l i ch Projette aufzuſtellen, die notwendig ſind, dazu haben Sie ja Ihre Deputationen eingeſetzt! (Sehr richtig!) Die Deputationen haben in langer Überlegung an dem Untergrundbahnprojekt gearbeitet und werden es Ihnen in kurzer Zeit vorlegen; ſie haben in langer Überlegung an dem Projekt der Badeanſtalt gearbeitet und werden es Ihnen vorlegen Nun kommen Sie, meine Herren, mit plotzlich auf⸗ tauchenden Ideen, die gar nicht geprüft ſind, und wollen dieſen Projetten, die Sie noch gar nicht kennen, den Untergang bereiten. Damit fallen Sie ja ihrer eigenen Deputation in den Arm! Dann ſetzen Sie doch nicht Deputationen ein! Wer wird von Ihnen noch in Deputationen mitarbeiten wollen, wenn Sie ungeprüfte Projekte ſchon ab⸗ lehnen, die Sie noch gar nicht kennen? Ich muß Ihnen offen geſtehen, mir iſt das in der kommunalen Praxis, hier in Charlottenburg wie früher, noch nicht vorgekommen. Können Sie denn die Verant⸗ wortung übernehmen, das Untergrundbahnprojekt abzulehnen, bevor ſie es geprüft haben? Können Sie die Verantwortung übernehmen, das Projekt der Badeanſtalt, von dem Sie noch gar nicht wiſſen, wie es ausſieht, von vornherein abzulehnen, nur weil Herr Stadtverordneter Jaſtrow oder die Herren, die den Antrag unterſchrieben haben, das Wort „Luxusbad“ gehört haben? Wer ſagt Ihnen denn, daß das Projekt eines „Luxusbades“ Ihnen vorgelegt werden ſoll? Das iſt ein Irrtum von Ihnen. Es iſt niemand berechtigt, zu ſagen, daß Ihnen ein Luxusbad vorgelegt werden wird. Der Magiſtrat hat zunächſt noch gar nicht darüber be⸗ ſchloſſen. Ihre Deputation hat über ein Projekt beraten, das ſie, ich glaube, einſtimmig als das einzige angeſehen hat, das an dieſer Stelle aus⸗ zuführen geeignet iſt, in der Nürnberger Straße, einer Stelle, wo vier Gemeinden, Wilmersdorf, Schöneberg, Berlin und Charlottenburg, aneinander grenzen, wo es ſich alſo darum handelt, ein Bad zu bauen, das nicht bloß für Charlottenburg, ſondern auch teilweiſe für die Schöneberger, Wilmersdorfer und Berliner Einwohnerſchaft in Frage kommt. Daß unter ſolchen Verhältniſſen auch beſondere Maßnahmen getroffen werden müſſen, iſt ſelbſt⸗ verſtändlich. Meine Herren, warten Sie doch erſt ab, ob Sie uns das Projekt ablehnen werden, wenn Sie es geprüft haben! Wenn Sie dann wollen, können Sie es ablehnen. Aber für den Fall, daß Sie die Möglichteit haben wollen, es auszuführen, müſſen Sie die Mittel zur Verfügung haben. An ein Luxusbad denten wir alſo nicht. Wir wollen ebenſo wie Sie eine Volksbadeanſtalt in der Nürnberger Straße errichten. Nur wollen wir keine altmodiſche Voltsbadeanſtalt errichten, die in die heutige Zeit nicht mehr paßt. Wir