332 wollen nicht ein Armenbad errichten, ſondern ein Bad, das Arme, Reiche und Mittelbegüterte benutzen können. Wir wollen nicht bloß, daß die Armen geſund ſind, ſondern auch, daß die Reichen geſund ſind. Sollen wir etwa die wohlhabenden Klaſſen von der Fürſorge für die Geſundheit aus⸗ nehmen? Wir wollen demnach ein Bad errichten, wie es heute in jeder Stadt, die über eine Mittel⸗ ſtadt hinausgeht, nach den modernen Erfahrungen des heutigen hygieniſchen Lebens erforderlich iſt. Das brauchen wir. Aber, meine Herren, wenn Sie Volksbade⸗ anſtalten ſagen, dann müſſen Sie nicht glauben, daß mehrere ſolcher Anſtalten mit 3 ½ Millionen zu errichten ſind. Ein Bad, das zu bauen wir recht⸗ fertigen können, auch an anderer Stelle als in der Nürnberger Straße, das den modernen An⸗ forderungen der Hygiene und dem Gott ſei Dank wachſenden Badebedürfnis der Bevölkerung gerecht wird, toſtet nach der Statiſtit der Bäderbauten in den letzten 2 Jahren 2 Millionen Mark. Alſo Badeanſtalten werden Sie mit 3½ Millionen Mark nicht errichten können. Nun bitte ich Sie dringend, meine Herren, faſſen Sie keinen Beſchluß, ohne geprüſt zu haben, ſetzen Sie uns nicht in eine Lage, die der Stadt nicht zum Vor⸗ teil gereicht! Man kann all dieſe großen Dinge doch nur nach eingehender Erörterung prüfen und nicht auf Grund einer plötzlichen Idee. Im Ausſchuß hat die große Majorität ſich den Ausführungen, die wir dort gemacht haben, angeſchloſſen. Nun kommen zwiſchen Ausſchuß und Stadiverordnetenverſamm⸗ lung plötzlich Herren, die dem Ausſchuß wahr⸗ ſcheinlich nicht angehört und die Gegengründe nicht vernommen haben, ohne eine Prüfung auf die Idee: wir wollen kein Projekt haben, wir wollen gar nicht prüfen, wollen heute ſchon entſcheiden. Das iſt doch kein richtiger Weg. Was die Untergrundbahn betrifft, ſo gilt für ſie zunächſt dasſelbe, was ich ſoeben von dem Bade⸗ projekt geſagt habe. Es handelt ſich hier nicht darum, ein Projekt, das noch gar nicht vorliegt, zu beurteilen. Herr Wöllmer hat das getan, er iſt heute ſchon in eine Prüfung des Projekts ein⸗ getreten. Warten Sie doch ab, wie es geſtaltet ſein wird, warten Sie ab, was wir Ihnen für Gründe anführen werden, und was für Koſten⸗ berechnungen und welche Rentabilitätsberechnungen wir Ihnen aufſtellen werden. Sie können doch un⸗ möglich heute ſchon über das ganze Projekt, ohne dieſes und die Berechnungen zu kennen, urteilen. Meine Herren, iſt es denn nicht dringend notwendig, daß wir die Gegend nördlich der Spree, die etwas über ein Drittel unſeres ganzen Stadtgebiets aus⸗ macht, endlich aufſchließen? Die Beſitzer warten dort ſchon ſehr lange darauf. (Sehr richtig!) Als ich vor 12 Jahren hierher gewählt war, erhielt ich, noch bevor ich hier war, noch in Nordhauſen, eine Petition des Grundbeſitzervereins des Stadt⸗ teils jenſeits der Spree, worin ſich die Herren bitter beklagten, daß die Gegend nicht aufgeſchloſſen würde. Wir haben erſt andere, wichtigere Stadt⸗ teile aufzuſchließen gehabt, erſt den im Oſten, dann den Stadtteil in Weſtend; aber jetzt iſt doch wahr⸗ haftig der Nordteil daran, nachdem wir die näher⸗ liegenden Aufgaben erfüllt haben. Wir können ihn nicht mehr vernachläſſigen, ohne der Stadt zu ſchaden. Jene Gegend entwickelt ſich nicht gut, und das liegt, fürchte ich, daran, daß wir ſchon zu lange Sitzung vom 29. Juni 1910 4 mit der Aufſchließung durch eine Schnellbahn ge⸗ zögert haben. (Sehr richtig!) Meine Herren, es würde ſich gegen die, die dieſe 4 Millionen geſtrichen haben, ein Sturm erheben, ein Sturm aller der Leute, die dort drüben wohnen, aller Intereſſenten, wahrſcheinlich auch vieler Leute, die ſüdlich von dort wohnen und das gerechte Empfinden haben, daß für den Stadtteil etwas geſchehen muß. Man wird es Ihnen nicht danken, wenn Sie die 4 Millionen ſtreichen, ſo daß wir nicht in der Lage ſind, in den nächſten drei Jahren zu bauen, wenn der Antrag durchgeht. Ich ſage, jener Stadtteil entwickelt ſich ſchlecht, er muß ſich beſſer entwickeln. Er kann ſich nur durch eine Schnellbahn entwickeln. Er liegt ſo weit von Berlin entfernt, daß er durchaus Schnellverkehr haben muß. Mit dem Niveauverkehr kommen wir nicht mehr aus, der erfordert viel zu viel Zeit. Außerdem würde dies ja direkt dem ſehr nachdrück⸗ lich betonten Willen widerſprechen, dem dieſelbe Stadtverordnetenverſammlung beim Bau der Untergrundbahn nach Weſtend Ausdruck gegeben hat. Der Herr Syndikus hat ſchon darauf hin⸗ gewieſen — ich muß das noch unterſtreichen — damals wollte die Untergrundbahngeſellſchaft und die Deutſche Bank nur die Untergrundbahn nach Weſtend führen, weil es nur in ihrem Intereſſe lag, dieſe Bahn zu haben, und damals hat die Stadtverordnetenverſammlung mit aller Energie, über die ich mich außerordeutlich gefreut habe, in weiſer Vorausſicht, daß wir den Stadtteil im Norden der Spree erſt aufſchließen müſſen, darauf ge⸗ drungen, daß die Bahn nach dem Wilhelm⸗ platz geführt wird mit der damals ſchon aus⸗ geſprochenen Abſicht, die Bahn über die Spree hinüberzuführen in den nördlich gelegenen Stadt⸗ teil. Sie ſetzen ſich ja mit dieſem Beſchluſſe der Stadtverordnetenverſammlung, der durch dieſelbe Majorität, die jetzt vorhanden iſt, gefaßt worden iſt, in Widerſpruch, ſie ſetzen ſich mit jenem aus⸗ ſchauenden wirtſchaftlichen Gedanken in Wider⸗ ſpruch! (Sehr richtig!) Das können Sie nicht tun, ohne die Stadt zu ſchädigen und ohne gegen die Urheber dieſes Ge⸗ dantens einen Sturm der Entrüſtung hervor⸗ zurufen. (Ruf: Na, na!) Alſo ein Schnellbahnverkehr iſt nötig. Wozu haben wir denn die Jungfernheide gekauft? Doch damit wir den Stadtteil entwickeln. Wenn wir ihn weiter liegen laſſen, fürchte ich, wird die Sache ſehr ſchlimm. Der Stadtteil iſt jetzt baureif. Sehen Sie ſich die Gegend an: von Berlin drängt mit Macht die Bebauung von Moabit her bis an unſere Grenze hin und wartet nur darauf, weiter ge⸗ fördert zu werden. Die Bebauung hat ſogar dieſen Charlottenburger Statteil bereits überſprungen, ſie iſt ſchon auf Spandauer Gebiet, auf die andere Seite übergetreten. Da muß man ſich doch ſagen, daß wir mit der Aufſchließung dieſes Stadtteils nicht zögern dürfen. Es iſt meines Erachtens die allerhöchſte Zeit, daß wir für den Stadtteil etwas tun. Wir können nicht noch drei Jahre warten. Die Spezialanleihe iſt ja undentbar für uns. Ich weiß nicht, wie ein Kaufmann vorſchlagen kann, daß wir eine Spezialanleihe von 4 Millionen auf⸗ nehmen ſollen. Wir können doch unmöglich mit 4 Millionen an den Markt treten. Wir müſſen die