Sitzung vom 29. Juni 1910 Sache hier bei der großen 40 Millionenanleihe unter⸗ bringen. Das iſt die richtige Stelle. Meine Herren, wenn Ihnen das Projekt vorgelegt ſein wird und Sie dieſem Projekt beigetreten ſind, dann werden wir die 4 Millionen an den Markt bringen. Lehnen Sie das Projekt ab, dann machen wir von der Befugnis, dieſe 4 Millionen, die in der Anleihe ſtehen, zu erheben, keinen Gebrauch. Alſo ich weiß nicht, was es der Stadt ſchaden ſoll, wenn Sie heute die 4 Millionen in die Anleihe ſetzen. Es wird ihr jedoch ſehr ſchaden, wenn Sie der Stadt die Mög⸗ lichkeit rauben, innerhalb der nächſten 3 Jahre über ein Projekt der Untergrundbahn ſo, daß es auch zur Ausführung kommt, beſchließen zu können. Ich bitte Sie dringend, meine Herren, verlaſſen Sie die alte Politik, die wir bei den Anleihen getrieben haben, nicht zugunſten dieſer beiden Anträge, ſondern ſolgen Sie hier den Anträgen Ihres Aus⸗ ſchuſſes! (Bravo!) Sta dtv. Brode: Meine Herren, Sie werden ſich alle erinnern, wie zahlreiche Petitionen uns im Laufe der Jahre wegen des Umbaues bezw. der beſſeren Verkehrverhältniſſe am Charlottenburger Bahnhof zugegangen ſind. Um ſo größer wird die Enttäuſchung der Bürgerſchaft ſein, die um dieſen Bahnhof herum wohnt, wenn ſie hört, daß der ur⸗ ſprünglich in die Anleihe eingeſetzte Betrag von 721 000 ℳ für die Durchlegung der Kaiſer⸗Friedrich⸗ Straße wieder geſtrichen worden iſt. Ich bin der Anſicht, daß gerade dieſes Projekt im Auge be⸗ halten werden muß, weil es in innigem Zuſammen⸗ hang mit der Aufrollung der ganzen Charlotten⸗ burger Bahnhofsfrage ſteht. Gerade weil die Straße nur dann durchgelegt werden kann, wenn der Bahnhof entfernt wird, deshalb bin ich dafür, daß der Betrag aus der Anleihe nicht geſtrichen wird; dadurch wollen wir der Bürgerſchaft gegen⸗ über unſere Abſicht, wie dies auch vom Referenten hervorgehoben worden iſt, zum Ausdruck bringen, daß wir eine Anderung der Verhältniſſe am Char⸗ lottenburger Bahnhof wünſchen. Auch die Re⸗ gierung wird, wenn wir den Betrag ſtreichen, weniger davon überzeugt ſein, daß ein ſo dringendes Bedürfnis für den Bahnhofsumbau vorliegt, wie es wirtlich der Fall iſt. Charlottenburg, eine Stadt von nahezu 300 000 Einwohnern, verfügt über ein Bahnhofsgebäude aus Fachwerk, ein Bahnhofs⸗ gebäude, wie es taum in einer Stadt im Deutſchen Reich von 3000 Einwohnern zu ſehen iſt! Ich muß mich außerordentlich über den Herrn Kollegen Liepmann wundern, daß gerade er auch die Streichung dieſer Poſition mit beantragt. Denn wie Ihnen ja bekannt, iſt gerade vom national⸗ liberalen Verein eine Petition nach dieſer Richtung beim Magiſtrat eingegangen. Wer in der Gegend wohnt, wird mir zugeben müſſen, daß ganz un⸗ haltbare Zuſtände heute am Charlottenburger Bahnhof eriſtieren. Im vorigen Jahre wurde uns zugeſagt, daß ein Billettſchalter am ſüdlichen Aus⸗ gang errichtet werden ſoll. Bis heute iſt das nicht geſchehen. Der Fiskus hat nach dieſer Richtung ſein Verſprechen bis jetzt nicht gehalten. Es iſt alſo notwendig, daß man, um nach dem Fern⸗ bahnhof zu gelangen, den ganzen Weg um die Wilmersdorfer Straße herum macht. Abgeſehen davon iſt die Verbindung der Kaiſer⸗Friedrich⸗ Straße mit der Dahlmannſtraße doch im dringenden Intereſſe des Verkehrs zwiſchen dem nördlichen 333 und ſüdlichen Siaditeil erforderlich, ſo daß ſchon aus dieſem Grunde die Notwendigteit der baldigen Herſtellung dieſer Straße geboten iſt. Meine Herren, wenn Sie den Verkehr nicht eniwickeln, ſondern ihn unterbinden, dann unter⸗ binden Sie auch Handel und Gewerbe. Wo Ver⸗ tehr iſt, da entwickelt ſich Handel, da entwickelt ſich Gewerbe. Wenn wir den Verkehrsbedürfniſſen nicht Rechnung tragen, ſo hindern wir dieſe Entwicklung. Der Herr Referent hat angeführt, daß wir den Betrag vorläufig nur abſetzen, weil wir es für aus⸗ geſchloſſen halten, daß der Umbau des Bahnhofs in den nächſten drei Jahren erfolgen wird. Wir können gar nicht wiſſen, wie eine zukünftige Re⸗ gierung in Preußen vielleicht darüber denkt. Es iſt mir bekannt, daß der frühere Eiſenbahnminiſter ſehr für den Umbau des Bahnhofs eingetreten iſt, daß umfangreiche Projekte in dieſer Beziehung ſchon vor Jahren aufgeſtellt und dieſe Projekte damit begründet worden ſind, daß man in bezug auf den Poisdamer und Anhalter Bahnhof am Rande der Leiſtungsfähigkeit angekommen iſt und deswegen unbedingt ein größerer Bahnhof, eine Art Zentralbahnhof, errichtet werden muß. Die einzige Stelle, wo dieſer Bahnhof errichtet werden ſollte oder könnte, war das Gelände des Char⸗ lottenburger Bahnhofs. Nun ſtellen Sie ſich vor, wenn wirklich dieſer Zentral⸗Bahnhof dort er⸗ richtet wird, welche Vorteile daraus für Char⸗ lottenburg erwachſen, welchen Aufſchwung die ganze Gegend nehmen und um wieviel höhere Steuern uns zufließen würden. Wenn Sie heute durch die Bewilligung dieſes Betrages dem Fiskus nicht zu Hilfe kommen, ſo werden Sie dieſes Projelt nicht fördern. Gerade aus den Erwägungen, die der Herr Oberbürgermeiſter ausgeführt hat, daß wir doch den Deputationen nicht vorgreifen ſollen, möchte ich Sie auch bitten, den Betrag wieder einzuſetzen. Soviel mir bekannt iſt, iſt die Tiefbaudeputation ſehr für dieſes Projekt eingetreten; der Betrag iſt ja aus dieſem Grunde zuerſt auch eingeſtellt worden. Ich ſtelle alſo den Antrag, die 721 000 ℳ für die Unterführung der Kaiſer⸗Friedrich⸗Straße wieder einzuſetzen und die Anleihe auf 43 241 000 ℳ, vielleicht abgerundet auf 43 250 000 ℳ zu er⸗ höhen. Vorſteher Kaufmann: Meine Herren, ich möchte Sie darauf aufmertſam machen, daß auf der Rednerliſte augenblicklich noch 12 Kollegen ver⸗ zeichnet ſind. Ich bitte deshalb die zukünftigen Redner, ſich möglichſt kurz zu faſſen; denn wenn Sie nur im Durchſchnitt 5 Minuten für jeden an⸗ nehmen, haben Sie ſchon wieder eine Stunde, ohne Berückſichtigung der Herren Magiſtratsvertreter. Sta dtſynditus Dr. Maier: Meine Herren, ich werde dem Appell des Herrn Vorſtehers Rechnung tragen. Wir begrüßen den Anirag des Herrn Brode; denn es iſt gar kein 3weifel, daß die Durchlegung der Kaiſer⸗Friedrich⸗Straße dem öffentlichen Intereſſe in hohem Maße entſpricht. Es wird auch wohl von keinem der Herren be⸗ ſtritten. Es handelt ſich lediglich darum, feſtzu⸗ ſtellen, ob in den nächſten drei Jahren die Möglich⸗ keit beſteht, den Betrag in Anſpruch zu nehmen. Eine bündige Erklärung auf dieſe Frage kann der Magiſtrat nicht abgeben, weil Feſtſtellungen bei der Eiſenbahndirektion in dieſer Beziehung kein