Sitzung vom 29. Juni 1910 dem Herrn Stadtv. Crüger ſo vollſtändig differiere, daß ich ſogar ſagen muß: ich verſtehe ihn nicht. Es iſt mir nicht erfindlich, wie er Anſichten äußern kann, die er hier geäußert hat. Was zunächſt das Bad betrifft, ſo hat Herr Stadtv. Crüger doch ein Projekt beurteilt und kritiſiert, das er gar nicht kennt. Das iſt doch unrecht gegenüber dem Arbeiten der Depu⸗ tation und des Magiſtrats. Herr Stadtv. Crüger hat übrigens gar keine Grundlage für eine Kritik, wenn er nur einzelne Sachen herausgreift, wenn er nicht weiß, wie das Projekt ausſieht, wie die Rentabilitätsberechnung ausfallen wird. Kritik kann man nur an Sachen üben, die man kennt, und Herr Stadtv. Dr Crüger kennt die Sachen nicht. Meine Herren, ich möchte Sie doch bitten, ſich einmal die Geſchichte des Bades vor Augen zu führen. Die Stadiverordnetenverſammlung iſt es geweſen, die jahraus jahrein den Magiſtrat erſucht hat, in der Nürnberger Straße ein Bad zu errichten. Und nun, wo wir dabei ſind in langer Arbeit, dem Wunſche der Stadtverordnetenverſammlung nach⸗ zukommen, da ſagen Sie: wir wollen überhaupt nichts haben, an die Sielle ſoll überhaupt nichis hinkommen! (Widerſpruch.) Denn das bedeutet die Aburteilung, die Sie heute vornehmen. Wir werden Ihnen nachweiſen, daß wir an der Stelle nicht ein Bad bauen können, wie es in der Krummen Straße gebaut iſt. Aber warten Sie das ab. Töten Sie nicht, indem Sie mit Ge⸗ walt die Augen zukneifen und nicht ſehen wollen, eine Sache, die noch gar nicht geboren iſt. Nun hat Herr Stadtv. Dr Crüger von Demon⸗ ſtrationsanleihen geſprochen. Ich weiß den Magi⸗ ſtrat fern von Demonſtrationsabſichten und bedaure es, daß Herr Stadtv. Crüger dieſes Wort aus⸗ geſprochen und ſo getan hat, als ob der Magiſtrat eine Demonſtrationsanleihe beantrage, wenn er die 4 Millionen für die Untergrundbahn beantragt. Herr Stadtv. Dr Crüger hat geſagt, wir dürften uns nicht nach Anſichten und Stimmungen richten, ſondern müßten nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen handeln. Ja, meine Herren, glaubt denn Herr Stadtv. Crüger, daß der Magiſtrat etwas anderes tut? Wir urteilen nach beſtem Wiſſen und Ge⸗ wiſſen, und ich muß es ablehnen, daß Herr Stadtv. Crüger ſo tut, als ob er ſich vom Magiſtrat unter⸗ ſcheidet, wenn er ſo urteilt. hat pflichtgemäß zu prüfen, ob die Forderungen der Leute, die in jenem nördlichen Stadtteile wohnen, gerecht ſind oder nicht, ob ſie begründet ſind oder nicht; da ſind uns Anſichten und Stim⸗ mungen gleichgültig, wir treten für das ein, was gerecht iſt, und wir ſagen: die Forderungen, die die Leute dort im Stadtteil nördlich der Spree erheben, ſin d gerecht. Wenn Herr Stadtv. Crüger die 4 Millionen ſtreichen will, dann ſagt er das Gegen⸗ teil: die Forderungen ſind nicht gerecht. um drei Jahre. Das hält der Magiſtrat für un⸗ gerechtfertigt. Nicht einzelne Stadtteile ſind es, die wir fördern wollen. Wir ſind ſchrittweiſe vor⸗ gegangen; das iſt nicht zu leugnen. Wir haben erſt den Stadtteil entwickelt, der uns unſere Steuerkraft gibt, auch heute noch, den Stadtteil um die Kaiſer⸗ Wilhelm⸗Gedächtnis⸗Kirche. Aber der Magiſtrat Von dieſer Folgerung wäſcht ihn kein Waſſer rein. Wer die 4 Millionen ſtreicht, der will überhaupt eine Untergrundbahn in den nächſten drei Jahren dort nicht haben, der verzögert die ganze Angelegenheit Dann haben wir 341 Weſtend entwickelt, auch aus ſteuerfiskaliſchen Gründen, und haben den Stadtiteil im Norden der Spree ſo lange liegen laſſen, weil er noch nicht bau⸗ reif war. Jetzt aber, wo er das geworden iſt und die Stadtteile ſüdlich der Spree entwickelt ſind, iſt es an der Zeit, auch an ſeine Entwicklung zu gehen. Wie man ſich gegen dieſe Politik wenden kann, ver⸗ ſtehe ich nicht. Ich verſtehe Herrn Stadtv. Crüger nicht, wie er ſagen kann: wir wollen nicht einzelne Stadtteile propagieren und ihnen zuliebe urteilen, rundern müſſen die allgemeine Politik vor Augen haben. Es iſt mir völlig unbegreiflich, wie er das in Gegenſatz bringen kann zu dem, was der Magi⸗ ſtrat tut. 41 Weiter hat Herr Stadtv. Crüger ausgeführt: die Geldbewilligung liegt bei der Stadtverordneten⸗ verſammlung, die Deputation kann die Stadt⸗ verordnetenverſammlung nicht durch Projekte binden. Ja, wer verlangt denn das? Verlangen denn wir das? Das iſt ja ein Kämpfen gegen Wind⸗ mühlen! Wo binden Sie ſich denn in dieſem Falle, wenn Sie 4 Millionen in die Anleihe ſtellen? Wo binden Sie ſich denn für ein Projekt? Das iſt doch ganz falſch und unrichtig. Das Projekt liegt Ihnen noch nicht vor. Es wird Ihnen vorgelegt werden, und Sie haben es dann in der Hand, es anzunehmen oder abzu⸗ lehne n. Dadurch, daß Sie die 4 Millionen in die Anleihe ſetzen, binden Sie die Stadtverordneten⸗ verſammlung nicht. Es iſt mir völlig unbegreiflich, wie ſolch alter — erfahrener, meine ich damit — Stadtverordneter behaupten kann, die Stadt⸗ verordnetenverſammlung binde ſich für das Pro⸗ jekt durch Einſtellung von 4 Millionen in die Anleihe. Ebenſo iſt es mir unverſtändlich, wie Herr Stadtv. Crüger in Anwendung auf dieſen Fall ſagen kann: wenn man Geld im Kaſten liegen hat, iſt man leicht geneigt, es auszugeben. Es liegt ja gar nicht im Kaſten, wenn wir die Auleihe bewilligt bekommen. Wir müſſen doch das Geld erſt erheben, wenn wir es zur Ausführung eines erſt zu be⸗ willigenden Projektes haben wollen. Alſo auch das iſt falſch. 4 Nun zu der Forderung des Herrn Stabtv. Dr Crüger, daß erſt die Projekte fertig ſein müſſen und dann die Anleiheſumme bewilligt werden kann. Wo würden wir denn mit unſeren Arbeiten bleiben, wenn wir ſo vorgehen wollten? Es iſt doch klar, daß wir nicht jeden Tag Anleihen machen, ſondern ſie nur für gewiſſe Zeiten an den Markt bringen können. Dieſe Anleihe ſoll für drei Jahre aus⸗ reichen. Wenn wir warten wollten, bis die Pro⸗ jekte fertig ſind, dann würden wir nicht das Geld zu der Zeit haben, in der wir es brauchen, um die Projette auszuführen, dann würden wir das Spatium von drei Jahren überſchreiten müſſen. Eine Stadt, die ſtagniert, die nicht vorwärts geht, ſondern die zurückgeht, kann das vielleicht machen, aber wie eine Stadt, die ſo raſch vorwärts ſchreitet wie unſere, die jährlich um 10—12 000 Einwohner zunimmt, dieſen Anſprüchen des Herrn Stadtv. Crüger genügen ſoll, wenn ſie nicht zurückkommen will, das iſt mir unverſtändlich. Außerdem iſt das eine Forderung, die noch nie aufgeſtellt worden iſt. Wir haben vorauszuarbeiten, vorauszudenken, und drei Fahre ſind bei uns eine ſehr lange Zeit. Da müſſen wir uns ſo einrichten, daß wir Mittel zur Verfügung haben, um, ſobald die Projekte fertig und bewilligt ſind, an die Ausführung zu gehen.