Sitzung vom 14. dem Standpunrt, der hier bei der Verhandlung über die Wahlrechtreform von allen Seiten eingenom⸗ men worden iſt, auf das lebhafteſte zu bedauern. Es ſind unheilvolle Beſchlüſſe, die dem Volkswillen in jeder Richtung Hohn ſprechen, und das einzige Erfreuliche dabei iſt, daß ſchließlich aus dieſen Be⸗ ſchlüſſen nichts, aber auch gar nichts herausgekom⸗ men iſt und dadurch kein Zweifel darüber be⸗ ſtehen kann, daß die Bewegung zur Verbeſſerung des preußiſchen Wahlrechts nicht zum Stillſtand kommt, ſondern ungehindert und ſogar verſtärkt in ihrem Lauf weiter gehen wird. Was uns aber beſonderen Anlaß gibt, uns gerade mit dem Beſcheide des Herren hauſes zu befaſſen, das iſt die For m, in der die Zurück⸗ weiſung unſerer Wünſche erfolgt iſt. Das Abge⸗ ordnetenhaus hat die Petition der Stadt Char⸗ lottenburg in korrekter Weiſe für „durch ſeine Beſchlußfaſſung erledigt“ erklärt. Das Herrenhaus dagegen hat es für gut befunden, die Form dafür zu wählen, daß die Petition für „nicht geeignet zur Erörterung im Plenum“ erklärt wurde. Das Mitglied des Herrenhauſes Oberbürgermeiſter Körte hat den Sinn dieſes Beſchluſſes zutreffend dahin charakteriſiert, daß den petitionierenden Städten ein Hieb verſetzt werden ſollte. Dieſe Abſicht wird auch dadurch illuſtriert, daß das Herren⸗ haus zwei Arten von Petitionen unterſchieden hat: die eine Art, die es korrekt behandelt hat, und die andere, denen es ſozuſagen das ehrenvolle Be⸗ gräbnis verweigert hat. Für durch die Beſchluß⸗ faſſung erledigt wurden erklärt die Petitionen etlicher Vereine, eines Herrn Schmidt, bei dem der Referent noch nicht einmal mitteilte, wo er her iſt, ferner die Petition von Reſerveoffizieren, die darum eingekommen ſind, unter die Kulturträger aufge⸗ nommen zu werden. Dagegen hat man die Er⸗ örterungsfähigkeit abgeſprochen den Petitionen der ſtädtiſchen Körperſchaften der Städte Königsberg, 1 . Elberfeld, Barmen und Schöne⸗ erg! Man hat dieſe eigenartige Beſchlußfaſſung auf den § 35 der Städteordnung geſtützt. Erfreulicher⸗ weiſe hat gleich bei der Beratung im Herrenhauſe der Oberbürgermeiſter unſerer Stadt darauf hin⸗ gewieſen, daß es über haupt nicht Sache des Herrenhauſes iſt, zu unterſuchen, ob nach § 35 der Städteordnung dieſe Petitionen geſetzmäßig ſind oder nicht. Das iſt Sache der Aufſichtsbehörde und des Oberverwaltungsgerichts. Herr Oberbürgermeiſter Schuſtehrus hat ſehr richtig davor gewarnt, daß die parlamentariſchen Körperſchaften auf dieſe Weiſe gewiſſermaßen der Rechtſprechung in die Arme fallen und Vorent⸗ ſcheidungen treffen, zu denen ſie nicht befugt ſind. Aber ganz abgeſehen davon, daß das Herren⸗ haus überhaupt nicht die Inſtanz war, die darüber zu entſcheiden hatte, ob unſre Petition nach § 35 der Städteordnung zuläſſig iſt, ganz abgeſehen davon iſt auch die En tſcheidung, daß ſie n i cht zuläſſig iſt, fal ſch. Mit vollem Recht hat Oberbürgermeiſter Bender geſagt: wenn es nicht Sache der Städte ſei, dafür einzutreten, daß im Landtage eine ordnungsmäßige Vertretung der Städte vorhanden ſei, dann wüßte er nicht, was eigentlich die Gemeinden für Aufgaben zu er⸗ füllen hätten. Dazu kommt, daß unſere Petition ſchon durch ihre 3uſpitzung auf die hie⸗ ſigen Verhältniſſe nach den Grundſätzen des Oberverwaltungsgerichts ſowohl wie nach den September 1910 349 Anſichten aller bedeutenden Theoretiker des Städte⸗ rechts unzweifelhaft zuläſſig war. Wir hatten darin hervorgehoben, daß grade für unſre Stadt die ver⸗ ſchiedenen Punkte der geplanten Wahlreform be⸗ ſonders unleidlich waren; wir hatten das — in der der Petition beigefügten Begründung — des näheren aus der Zahl der Bevölkerung, aus der Verteilung der Vermögen innerhalb der Bevöl⸗ kerung hergeleitet. Und der Herr, der im Herren⸗ hauſe ſagte: die Beſchwerden über das Wahlrecht ſind in allen Städten dieſelben, hat ſich eben nicht die Mühe genommen, die Petitionen zu leſen, oder auch nur über die Sache nachzudenken; denn ſonſt hätte er einſehen müſſen, daß es andere, ſogar eine große Reihe von Städten gibt, die bevorzugt ſind durch das jetzige Wahlrecht, die auch bevorzugt worden wären durch eine Wahlreform ohne An⸗ derung der Kreiseinteilung, wie ſie die Regierung vorgelegt hat, während eine große Zahl von Städten wie unſere Stadt dadurch in höchſtem Maße benachteiligt iſt. Das Herrenhaus hat die Zuläſſigkeit unſerer Petition auch wohl empfunden, und der Referent hat, um trotzdem ihre Beiſeiteſchiebung empfehlen zu können, gemeint, daß nach der Entſcheidung des Oberverwaltungsgerichts eine jede Petition ſo ein⸗ gerichtet werden könnte, daß ſie geſetzlich zuläſſig wäre; aber das Herrenhaus ſei nicht dazu da, dieſen Petitionen, die dem Sinne des Geſetzes wider⸗ ſprächen, Rechnung zu tragen. Gegen eine der⸗ artige Argumentation iſt natürlich jede Logik zwecklos, und es hat deshalb nichts genutzt, daß im Herrenhauſe von verſchiedenen Herren vor der un⸗ gerechten Beſchlußfaſſung eindringlich gewarnt wurde. 0 Aber wenn es noch eines Beweiſes bedurft hätte, daß das Herrenhaus die Sache rein als eine Machtfrage behandelte, dann iſt er durch einen Beſchluß geliefert worden, den drei Wochen ſpäter in einem ganz ähnlich liegenden Falle das Herren⸗ haus gefaßt hat. In einer Petition, die dort am 21. Mai zur Verhandlung kam, wurde ebenfalls eine Vermehrung der Vertreterzahl im Landtage angeſtrebt. Allerdings waren es hier nicht Städte, die petitionierten, ſondern eine Land wirt⸗ ſchaftskammer, und die Petition ging dahin, daß das den Grafenverbänden und den Verbänden des alten und befeſtigten Grundbeſitzes in den alten Provinzen zuſtehende Präſentationsrecht für das Herrenhaus auf die Provinz Schleswig⸗Holſtein ausgedehnt würde. Da wurden die Geſichtspunkte, die den ſtädtiſchen Petitionen entgegengehalten wurden, ſchlankweg verleugnet, da wurde der klaſſiſche Ausdruck getan, es wäre hier eine gerechte Beſchwerde, denn das platte7 Land in Schleswig⸗ Holſtein genieße noch nicht das Vorrecht, das ihm in anderen Provinzen zuſtehe, und ſo wurde dieſe Petition der Regierung als Material über⸗ wieſen, obwohl der Oberbürgermeiſter Körte vorher mit großem Recht ſeine Kollegen darauf aufmerkſam gemacht hatte, daß die gleichmäßige Behandlung dieſer Petition mit denen der Städte ag eine politiſche Anſtan dsſache Meine Herren, die Mehrheit des Herrenhauſes hat ſich in ihrer Voreingenommenheit gegen die modernen Großſtädte den primitivſten Aufgaben des Geſetzgebers ſo wenig gewachſen gezeigt, daß die Frage naheliegt, ob wir recht tun, auf den uns zuteil gewordenen Beſcheid überhaupt noch zu ant⸗