350 worten, oder ob wir nicht richtiger auch ihn für nicht geeignet zur Erörterung in unſerem Plenum erklären und darüber hinweggehen ſollen. Aber meine Freunde ſind doch ſchließlich zu der Anſicht gekommen, daß wir letzteres nicht tun dürfen. Nicht deswegen, weil wir die Grundlagen und Bedeutung dieſes Beſcheides in irgendeiner Richtung über⸗ ſchätzen, ſondern weil wir es für notwendig halten, gegenüber einem Faktor der Geſetzgebung, den doch das Herrenhaus nun ein mal nach un⸗ ſerer Verfaſſung bildet, uns d i e Nicht achtung der Kommunen, d i e darin liegt, nachdrücklich zu ver⸗ bitten und dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns durch ein e derartige Beſchlußfaſſung nicht ab⸗ halten laſſen werden, weiter un⸗ ſere Rechte zu wahren und ins be⸗ ſondere unſer Petitionsrecht aus⸗ zuüben, das uns hier vom Herren⸗ hauſe beſtritten wird. Aus dieſen Grün⸗ den bitten wir Sie, durch Annahme des Antrages dem Unmut über den Beſcheid des Herrenhauſes gebührend Ausdruck zu geben. (Lebhafter Beifall.) Stadtv. Hirſch: Meine Herren, der Umſtand, daß nicht nur meine Freunde, ſondern auch die Herren von der liberalen Fraktion ihrem Mißfallen uüber den Beſchluß des Herrenhauſes durch eine Reſolution Ausdruck gegeben haben, iſt wohl der beſte Beweis dafür, welcher Gegenſatz zwiſchen den Anſchauungen der Mehrheit der Charlottenburger Bürgerſchaft und der Mehrheit des Herrenhauſes beſteht. Ich möchte gleich vorweg betonen, daß ich mich mit Herrn Kollegen Meyer verſtändigt habe, die beiden Reſolutionen, die wir unabhängig von ein⸗ ander eingebracht haben, zu einer gemeinſamen Reſolution zu vereinigen, ſo daß, wenn die Reſo⸗ lution einſtimmig angenommen wird, was ich hoffen will, eine einmütige Kundgebung der Charlotten⸗ burger Stadtverordnetenverſammlung gegen das Verhalten des Herrenhauſes vorliegt. Zunächſt aber muß ich meinem Bedauern dar⸗ über Ausdruck geben, daß der Magiſtrat erſt ſo ſpät den Beſcheid des Herrenhauſes der Stadt⸗ verordnetenverſammlung hat zugehen laſſen. Am 21. Mai iſt dem Magiſtrat mitgeteilt worden, daß das Herrenhaus die Petition als nicht geeignet zur Erörterung im Plenum betrachtet hat; erſt am 25. Juni, alſo beinahe fünf Wochen ſpäter, hat der Magiſtrat der Stadtverordnetenverſammlung von dem Beſcheid Mitteilung gemacht. Ich meine, gerade in dieſer Frage, wo es ſich um ein gemein⸗ ſames Vorgehen des Magiſtrats und der Stadt⸗ verordnetenverſammlung handelt, hätte der Ma⸗ giſtrat der Stadtverordnetenverſammlung ſofort Kenntnis geben ſollen; denn der Weg vom Magiſtrat zum Bureau der Stadtverordnetenverſammlung iſt ſchließlich nicht ſo weit, daß man fünf Wochen zu ſeiner Zurücklegung gebraucht. Hätten wir recht⸗ zeitig den Beſcheid bekommen, dann wäre es uns möglich geweſen, noch vor den Ferien unter dem unmittelbaren Eindruck der Beſchlußfaſſung des Herrenhauſes dazu Stellung zu nehmen. So aber iſt mehr als ein Vierteljahr darüber verſtrichen. Vielleicht hat aber der Magiſtrat die Abſicht gehabt, Sitzung vom 14 September 1910 die Sache bis nach den Ferien zu vertagen, um die Wahlrechtsbewegung neu zu beleben. (Heiterkeit.) Sollte das der Fall ſein, dann kann ich nur ſagen, daß ich dem Magiſtrat verzeihe, ja ich wäre ihm dafür ſogar dankbar. Herr Kollege Meyer hat ſchon darauf hin⸗ gewieſen, daß der Beſchluß des Herrenhauſes ſowohl formell beleidigend für die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung, als auch daß er rechtlich nicht haltbar iſt. Ich kann mich darauf beziehen, was im Herren⸗ hauſe namentlich von Herrn Oberbürgermeiſter Schuſtehrus und den Herren Oberbürgermeiſtern Bender und Körte geſagt iſt, und ich möchte ganz beſonders die Worte des Herrn Oberbürgermeiſters Bender unterſtreichen, die auch Herr Kollege Meyer zitiert hat: Wenn es nicht mehr zuläſſig ſein ſollte, daß wir Städte vor dem Landtage der Mo⸗ narchie in Petitionen zum Ausdruck bringen, daß unſere parlamentariſche Vertretung zu gering iſt, dann weiß ich nicht, wie wir als Kommunen uns überhaupt noch politiſch betätigen ſollen. Meine Herren, dieſe Worte ſollten wir beherzigen und unbekümmert darum, daß das Herrenhaus einen meiner Meinung nach rechtlich unhaltbaren Stand⸗ punkt einnimmt, auch in Zukunft von unſerem Petitionsrecht den Gebrauch machen, den wir für richtig halten. Ohnehin iſt ja das Petitionsrecht der Stadtverordnetenverſammlung ſchon beſchränkt. Die eine Beſchränkung liegt darin, daß wir nicht ein⸗ mal ſelbſtändig beim Landtag petitionieren dürfen, ſondern uns dazu der Mitwirkung des Magiſtrats bedienen müſſen; und die zweite Beſchränkung liegt darin, daß wir nun über ganz beſtimmte Fragen Petitionen an den Landtag richten dürfen. Nun hat das Herrenhaus von vornherein er⸗ klärt — und das iſt meiner Meinung nach eine direkte Beleidigung nicht nur gegen Charlottenburg, ſondern auch gegen alle anderen Städte, die beim Herrenhauſe petitioniert haben — ich ſage: das Herrenhaus hat erklärt, daß man ja, wenn man geſchickt iſt, jede Petition ſo abfaſſen kann, daß es ſcheint, als ob die ſpeziellen Intereſſen der be⸗ treffenden Stadt davon berührt werden. Meine Herren, gegen dieſe Unterſtellung kann man gar nicht ſcharf genug Proteſt einlegen. Wir müſſen uns entſchieden vom Herrenhauſe die Unterſtellung verbitten, daß wir die Geſetze umgehen. Wir haben unſere Petition ſo abgefaßt, wie es richtig iſt, und wir haben uns dabei durchaus im Rahmen der Geſetze gehalten. Nun iſt es charakteriſtiſch, daß das Abgeord⸗ netenhaus, das ja ganz dieſelbe Petition in ganz demſelben Wortlaut bekommen hat wie das Herren⸗ haus, ſich nicht auf den rechtlich falſchen Stand⸗ punkt des Herrenhauſes geſtellt hat. Das Ab⸗ geordnetenhaus, alſo das eine Haus des Landtags, hat unſere Petition durch ſeine Beſchlüſſe für er⸗ ledigt erklärt; mit anderen Worten: es iſt ihm gar nicht der Gedanke gekommen, daß die Stadt Char⸗ lottenburg mit ihrer Petition ihre Zuſtändigkeit überſchritten habe. Alſo wir haben hier die Er⸗ ſcheinung, daß die zweite Kammer ſich wohl herbei⸗ läßt, unſere Petition zu erörtern, allerdings in einer Weiſe, die ich hier nicht näher bezeichnen möchte, daß aber die „erlauchten, edlen und geehrten“ Herren des Herrenhauſes die Petition nicht einmal zur Erörterung für geeignet halten, ſondern ſie