Sitzung vom 14. September 1910 der Verſammlung weiter keinen neuen Antrag ge⸗ ſtellt. Aber Herr Kollege Bollmann nahm ihn auf, und ich habe für ihn geſprochen. Infolgedeſſen wurde auf unſer beider Bemühen die Sache in dieſer Weiſe in der Stadtverordnetenverſammlung er⸗ ledigt. Meine Herren, ich ſage ja nicht, daß der Magi⸗ ſtrat die Abſicht hat, uns in unſeren Rechten zu be⸗ ſchränken. Aber in Wirklichkeit ſcheint es mir ſo. Was iſt in Wirklichkeit paſſiert? Ich bin etwa 12 oder 13 Jahre Mitglied des Wahlausſchuſſes, und da iſt uns ein Recht nach dem andern beſchnitten, meine Herren. Hier liegen jetzt immer die Ein⸗ bürgerungsgeſuche aus, damit man hineinſieht, wer Charlottenburger werden will. Früher machten wir das im Wahlausſchuß; auf einmal, vor zwei Jahren, wurde uns geſagt: ach nein, ihr verſteht das nicht, es iſt beſſer, wenn das von der Zentral⸗ ſtelle gemacht wird — das wurde nicht ſo geſagt, meine Herren, aber es klingt ſo. Ich muß ſagen, als Mitglied des Wahlausſchuſſes faſſe ich das hier auch ſo auf. Warum ſollen wir denn hier auf ein⸗ mal in Charlottenburg zwei Sorten von Ehren⸗ beamten haben? Ich kenne nach § 74 nur die Ehrenbeamten, die die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung wählt; daß nun auf einmal da eine andere Sorte ſein ſoll, iſt mir unbegreiflich, dafür iſt gar kein Grund vorhanden, und dagegen wende ich mich, ſagen Sie meinetwegen: heftig — das liegt nun einmal in meinem Temperament, daß ich in meinem alten Tagen nicht mehr ſo ruhig bin wie in jungen Jahren; (Heiterkeit) bei manchen anderen iſt es ja umgekehrt. Ich muß Ihnen auf das dringendſte die Ablehnung der Magiſtratsvorlage empfehlen. Vorſteher Kaufmann: Wir kommen zur Ab⸗ ſtimmung. Ich werde über die Ziffern getrennt abſtimmen laſſen. (Die Verſammlung beſchließt, entgegen dem Antrage des Berichterſtatters, nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Folgenden Anderungen des Entwurfes einer „Organiſation der Wohnungspflege“ wird zu⸗ geſtimmt: 1. Der Ziffer 3 des § 6, Abſatz 2, ſind die Worte hinzuzuſetzen: „§ie zur Mitarbeit bereit ſind“. 2. Der Vorſchrift des § 6, letzter Abſatz, wo⸗ nach die Mitglieder der Wohnungsaus⸗ ſchüſſe von der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung zu wählen ſind, ſind die Worte hinzu⸗ zuſetzen: „nach Anhörung der Deputation für die Wohnungspflege“.) Punkt 11 der Tagesordnung: Vorlage betr. Entſendung eines dritten Ver⸗ treters zur Teilnahme an der internationalen Konferenz über Arbeitsloſigkeit. — Druckſache 245. (Die Beratung wird eröffnet.) Da das Wort nicht verlangt wird, beantrage ich, meine Herren, daß die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung Abſtand nimmt, an Stelle des Herrn Profeſſors Jaſtrow ein anderes Mitglied der Deputation zur Teilnahme an der Konferenz 357 über Arbeitsloſigkeit zu entſenden. Ich beantrage das in Übereinſtimmung mit dem Magiſtrat. (Die Verſammlung nimmt Kenntnis und be⸗ ſchließt nach dem Antrage des Vorſtehers.) Punkt 12 der Tagesordnung: Borlage betr. Inventarbeſchaffung für die höhere Mädchenſchule II. — Drucſache 237. Berichterſtatter Stadtv. Neukranz: Durch die Reform des höheren Mädchenſchulweſens tritt eine Verzögerung in dem Neubau der IV. höheren Mädchenſchule ein. Sie iſt augenblicklich in dem Gebäude der 26. Mädchenſchule untergebracht. Da aber dieſe Schule weder das nötige Inventar hat, noch auch der Bauhof das nötige Inventar liefern kann, ſo beantragt der Magiſtrat ſchon jetzt, von der dafür ſpäter einzuſetzenden Summe das Inventar in Höhe von 16 000 ℳ zu beſchaffen. Ich beantrage die Zuſtimmung der Verſammlung. Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren, zu Beginn meiner Bemerkungen muß ich darauf hin⸗ weiſen, daß ich zu meinem Bedauern genötigt ge⸗ weſen bin, aus meinem bisherigen Fraktions⸗ verbande auszuſcheiden und mich der Gruppe der Wilden anzuſchließen. Ich hoffe aber, daß unſer perſönliches Verhältnis wie auch das Zuſammen⸗ arbeiten als Stadtverordnete zwiſchen meinen bis⸗ herigen Fraktionsfreunden und mir ebenſo freund⸗ ſchaftlich wie bisher bleiben wird. Ich kann alſo nur für die Herren ſprechen, die ſich bisher als Wilde bezeichnet haben. Ich möchte bei dieſem Punkt darauf hinweiſen, daß in der Begründung des Magiſtrats bemerkt iſt: Die weitere Projektierung hängt von der Entſcheidung der ſchwebenden Frage ab, ob mit dieſer Schule eine Studienanſtalt, eine Frauenſchule oder ein höheres Leh⸗ rerinnenſeminar verbunden oder etwa von einem Aufbau ganz abgeſehen werden ſoll. Meine Herren, wenn wir uns erinnern, wie die Stadtverordnetenverſammlung ſeit Jahren darauf gedrängt hat, daß eine vierte Mädchenſchule in Char⸗ lottenburg gebaut wird — ich glaube, Herr Vor⸗ ſteher Kaufmann iſt es geweſen, der im Jahre 1906 ganz beſonders das Bedürfnis hervorgehoben hat —, dann tut es einem leid, daß hier noch von einer ſchwebenden Angelegenheit geſprochen wird. Es iſt ja ohne weiteres zuzugeben, daß die neuere Geſetzgebung es bedingt hat, daß die Frage nicht ſo glatt hat erledigt werden können, wie ſie viel⸗ leicht vor fünf Jahren erledigt wäre, wenn damals das Projekt bereits endgültig angenommen ge⸗ weſen wäre. Trotzdem aber glaube ich, daß wir bei der jetzigen Sachlage auf dem Gebiete des höheren Mädchenſchulweſens doch den Magiſtrat bitten müſſen, dieſe Angelegenheit nach Möglich⸗ keit zu fördern. Wir wiſſen, daß überall Schwierigkeiten bei der Einſchulung der höheren Töchter eintreten, nicht nur in unſerer Kommune allein — vielleicht ſind ſie bei uns noch am wenigſten aufgetreten —, ſondern auch in Berlin und anderen Vororten; wir wiſſen, daß die Privatmädchenſchulen ſich in ſchwieriger Lage befinden. Unter dieſen Umſtänden, glaube ich, muß der Magiſtrat mit aller Energie darauf ſehen, erſtens mal den Bau der Mädchenſchule I1V